Die Margen der Autohändler sind zu niedrig, ihre Berechnung ist viel
zu kompliziert. Mit einem neuen Geschäftsmodell wollen einflussreiche
Branchenkenner den Handel vor dem Kollaps retten.
Welche Vorbildung muss ein Autohändler aufweisen? Ein
Hochschulabschluss in Mathematik wäre von Vorteil, grummelt so
mancher Unternehmer, der soeben die neuen Margenvereinbarungen seines
Importeurs erhalten hat. Aufgesplitterte Vergütungen, in die weit
mehr Faktoren als bloße Stückzahlziele einfließen, sind bei den
meisten Marken üblich geworden. Mit zweifelhaften Folgen: "Ich muss
eine eigene Mitarbeitern zur Kalkulation der Spannen beschäftigen",
sagt Komm.-Rat Burkhard Ernst, Vorstand von Mazda Rainer und Wiener
Landesgremialobmann des Fahrzeughandels. Er fordert eine "drastische
Entbürokratisierung".
An den Vertragspartnern von Peugeot sei dieser Kelch gerade noch
vorübergegangen, berichtet Händlersprecher Bernhard Kalcher. In zähen
Verhandlungen habe man übermäßige Einflussnahme "fremdbestimmter
Elemente" verhindern können. "Österreich ist das einzige Land in
Europa mit einem derartigen vergleichsweise händlerfreundlichen
Margensystem", so Kalcher. Dennoch sieht er Handlungsbedarf, denn im
Durchschnitt dürften die heimischen Peugeot-Händler heuer nur eine
Umsatzrendite von 0,3 Prozent erwirtschaftet haben. Kalcher fordert
zumindest 2 Prozent, Ernst geht sogar noch weiter: "Mittelfristig ist
eine Umsatzrendite von 5 Prozent anzustreben."
Nicht mehr existenzfähig
Davon ist nicht nur derösterreichische Autohandel meilenweit
entfernt, weiß Antje Woltermann, Geschäftsführerin des
Zentralverbands Deutsches Kfz-Gewerbe (ZDK). In Deutschland haben
sich die Hersteller ein Vertriebsnetz aufgebaut, das 2008 mit einer
Neuwagen-Umsatzrendite von minus 0,6 Prozent katastrophal
unzureichend entlohnt wurde. 2007 waren es noch 0,1 Prozent, ein Jahr
davor 0,6 Prozent. Das weitere Szenario liegt auf der Hand: Der
deutsche Neuwagenmarkt stagniert bis mindestens 2015 bei 3 Millionen
Stück. Dennoch will jeder Hersteller wachsen, somit wird der
Margendruck weiter steigen. Die Umsatzrenditeim Neuwagenhandel
-stattliche 75 Prozent des Gesamtumsatzes - dürfte 2009 den neuen
Tiefstwert von minus 2 Prozent erreicht haben. Gleichzeitig ist der
Gebrauchtwagenmarkt bei 6 Millionen Stück bestenfalls stagnierend,
jedoch eher schrumpfend. Dies mit dem Werkstattgeschäft zu
kompensieren, ist laut Woltermann völlig unrealistisch.
Noch hoffen die meisten Händler, dieses Tief durchtauchen zu können.
Viele bleiben ausschließlich deshalb, weil sie sich einen Ausstieg
nicht leisten können. Für ein überlebensfähiges Händlernetz ist diese
Motivation zu wenig.
Schuld daran ist aus der Sicht Woltermanns das derzeitige
Entlohnungsschema: Mit diesem sei das herkömmliche Modell des
Markenautohauses nicht weiter existenzfähig. Im Interesse beider
Seiten müsse etwas Neues geschaffen werden.
Orientierung am Marktwert
An der Entstehung dieses neuen Geschäftsmodells, das der deutschen
Branche bei einer Klausurtagung am 26. Jänner offiziell vorgestellt
wird, war Dr. Alexander Martinowsky entscheidend beteiligt. "Weder
durch eine Verringerung der Standards noch durch Absatzsteigerungen,
die derzeit ohnehin unrealistisch sind, werden wir die Erträgein die
erforderliche Größenordnung bringen", mahnt der Vorstandsdirektor von
Wiesenthal, gleichzeitig Präsident des europäischen
Mercedes-Händlerverbands. Im Vergleich zur Maximalforderung von Ernst
nehmen sich seine Visionen noch bescheiden aus: Um die erforderliche
Eigenkapitalrendite von rund 15 Prozent zu erhalten, sei vor Steuern
- entsprechende Bilanzstrukturen vorausgesetzt -eine
durchschnittliche Umsatzrendite von 1,5 bis 2 Prozent erforderlich.
Kern des neuen Geschäftsmodells ist die sogenannte
Restmargenabsicherung. Dem Händler soll dabei vom Lieferanten die
Differenz zwischen unverbindlicher Preisempfehlung (UPE) und
tatsächlichem Marktwert abgegolten werden. In der Praxis, erläutert
Woltermann, würde zu Beginn der Planungsperiode von Hersteller und
Lieferant gemeinsam die UPE festgesetzt. Anhand dessen wird unter
Berücksichtigung des markenspezifischen Rabattniveaus der Marktwert
nach 12 Monaten fixiert.
Daraus ergibt sich die entsprechend der jeweiligen
Renditevereinbarung erforderliche Restmarge. Natürlich können sich
die ursprünglich angenommenen Parameter im Laufe des Jahres ändern
-etwa durch Sondermodelle oder zusätzliche Rabatte für zusätzliche
Verkaufsvolumina, wodurch der reale Marktwert und der Prognosewert
sinken. Dann muss der Hersteller die Differenz nachträglich durch
Bonifikationen wieder ausgleichen, um die gemeinsam fixierte Rendite
zu erreichen.
Zögernde Hersteller
Kann dieses Geschäftsmodell die derzeit völlig unbefriedigende
Margensituation ändern? Ernst würde die Rückkehr zu "einer einzigen,
klaren Spanne" vorziehen.
Martinowsky glaubt aber nicht, dass sich dies realisieren ließe:
"Jede fixe Marge würde durch Leasingrückläufer, Werkswagen und all
die Absatzkanäle, die aufgrund der Überproduktion entstanden sind,
sofort unter Druck kommen."
Einen Haken hat das Restmargensystem auf jeden Fall: Die Hersteller
müssen ihm zustimmen. Zwar bekennen sich die meisten Manager zum
strategischen Ziel, ihren Vertriebsorganisationen eine Rendite von
rund 2 Prozent einzuräumen. In der Praxis werden jedoch allzu oft
Aktionen mit gegenteiligen Folgen gesetzt. Importeursmanager
reagieren auf Fragen zum Restmargenmodell mit einem beinahe
ängstlichen Verweis auf die Konzernzentralen. Dort will man, wenig
überraschend, ebenfalls noch nicht Stellung nehmen.
Zahlen statt Emotionen
Mit klaren Zahlen lasse sich das angespannte Verhältnis zwischen
Hersteller und Händlernetz am besten entkrampfen, meint Woltermann.
"Die Versachlichung mit Zahlen wird dazu führen, dass der eine oder
andere zu diesem neuen Geschäftsmodell nicht nein sagen kann", ist
auch ZDK-Vizepräsident Ulrich Fromme überzeugt.
Eines steht fest: In seiner derzeitigen Form kann das Margensystem
nicht mehr fortgesetzt werden. Bei der Neuregelung sind Handel und
Hersteller aufeinander angewiesen: Schließlich stehen beide vor der
dringenden Notwendigkeit, im Autogeschäft zu lebensnotwendigen
Renditen