Zum 21. Mal waren Händler geladen, an neuer Location im Herzen Nürnbergs spannenden Vorträgen und Podiumsdiskussionen zuzuhören, ihr Netzwerk zu pflegen und sich untereinander auszutauschen. Das Programm streifte rund ums Kernthema Fragen der Antriebs- und Mobilitätswende ebenso wie die Zukunft des Aftermarkets oder den Generationenwandel.
Bedrohung und Hoffnung aus dem Cyberspace
Das Bewusstsein für eine künftig sicher wachsenden Bedrohung schärfte das Unternehmer-Ehepaar Anja und Michael Bauer, dessen Autohäuser im Jahr 2020 Ziel eines brutalen Hacker-Angriffs wurden. Letztlich sahen sich die Betreiber der Bauergruppe gezwungen, ihre Firmen neu zu gründen und rund zwei Millionen Euro Schaden zu „schlucken“. Die Hacker selbst sahen allerdings keinen Cent: Die im Erpresserschreiben geforderte Kontaktaufnahme im Darknet verweigerten die Bauers, wie sie trocken-humorig auf der Bühne des Kongresses erzählten.
Wie Digitalisierung zum Erfolgsfaktor werden kann, oder sogar muss, dem widmete sich ein weiterer Block an Vorträgen. So erzählten die Schwestern Nicole und Dilara Sengül vom Autohaus DIL (Bad Nauheim), wie sie Social Media für ihr Gebrauchtwagen- und Servicegeschäft bereits heute einsetzen. „Jeder Autokauf wird zur Story auf Social Media“, der Kundenkontakt wird digital angebahnt und (bald) auch digital finanziert und abgeschlossen. Die positive Nachricht der Managerinnen an das – doch etwas verblüffte, durchaus ältere – Publikum: Auch die Generation Z interessiert sich fürs Auto, nicht zuletzt als Statussymbol, und sie lässt sich von Marken begeistern.
Erfolgsfaktor „Mensch zu Mensch“
Auch auf den Social Media jedoch gelte: Menschen kaufen gern von Menschen, wie Charles Bahr betonte. Er ist Gründer der Strategieberatung ZCG und referierte zur Käuferschicht der Generation Z - welcher er auch selbst angehört. Für diese gehe „public relevance“ vor „public relations“, Lautstärke vor Botschaft und Sichtbarkeit vor Perfektion. An die Anwesenden auch von Bahr die – vermutlich aufmunternd gemeinte – Kunde: „Sie wissen, wie die Jugend funktioniert. Sie waren ja selbst auch mal jung.“ Tenor des „Gen-Z-Blocks“: Online ist von enormer Bedeutung, was jedoch nicht heißt, dass der menschliche Kontakt jegliche Bedeutung verliert.
Werkstatt bleibt wichtig
Dass auch Prozesse rund um die Reparatur sich dem digitalen Trend nicht verschließen dürfen, betonte unter anderem auch Imelda Labbé, vormalige VW-Vorständin und nunmehr Präsidentin des Verbands der internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) in Deutschland. Zwar laufe der Aftermarket derzeit nach wie vor vorzüglich, sie mache sich jedoch Sorgen wegen der rasch steigenden Kosten, welche für Kunden mehr und mehr zum Problem würden. Wie erste Signale aus dem Flottenbereich zeigten, liefen die Gesamtkosten fürs Auto „langsam aus dem Ruder“, warnte Labbé. Die immer preissensibleren Kunden wollten vom Service am liebsten gar nichts mehr mitbekommen - und moderne Technologie würden dies auch mehr und mehr ermöglichen. Gerade beim Service im Fuhrpark-Bereich sieht Labbé stark steigenden Kostendruck, wo das Thema „Service brokerage“ zur Optimierung der Kosten rasch an Bedeutung gewinne. Insgesamt sieht Labbé eine „schleichende, nicht radikale Transformation“.
Bei Maria Grazio Davino, SVP Regional Director bei BYD Europe, klingt das ähnlich. 2040 sei gerade einmal 15 Jahre entfert, dennoch könne es sein, dass wir uns dann in einer völlig anderen Welt befinden, so die erfahrene Auto-Managerin. Bei allen disruptiven Änderungen sei jedoch auch zu erwarten, dass Autofahren durch den technischen Fortschritt für ältere Menschen länger möglich bleibe.
Tradition und Innovation - der richtige Mix
Während also der menschliche Faktor wichtig bleibt, wird sich das gehandelte Auto bis 2040 durchaus stark verändern – nicht nur seinem Antrieb, sondern auch seiner Nutzung nach. Wie Sebastian Stegmüller von Fraunhofer IAO ausführte, habe man für BMW eine Zukunftsvision kreiert, welche die Fahrgastzelle als Kern verschiedener Mobilitäts-Aufsätze – das kann ein Satz Räder sein, aber auch Rotoren oder eine Antriebseinheit für einen Einsatz in Hyperloop-Systemen – sieht. „Die Nutzer brauchen eigentlich nicht das Auto, sondern die Mobilität“, so Stegmüller, und dies in verschiedensten Lebenssituationen. Diese Fahrzeuge seien auch als evolutionsfähige Maschinen denkbar, welche mittels Software aktualisiert werden können.
Die Auswirkungen für den Handel: Der Verkäufer muss auf diese „neuen“ Funktionen und Fähigkeiten des „Autos“ reflektieren - gefragt seien Expertisen wie Energieberatung, Evolutionsbegleitung, Personalisierungs-Coaching und auch Medienvermittlung. Schöne neue Welt? Jedenfalls: „Der Autobesitz hat Zukunft, weil das eigene Auto eine Spontaneität bietet, welche bei ÖPNV oder Sharing nicht gegeben ist.“ Das Auto sei auch: Attraktiver Lebensraum, oft bequemer und technisch hochstehender ausgerüstet als das Wohn- oder Arbeitszimmer.
Pessimismus unangebracht
Fazit: Alles in allem keine allzu pessimistischen Aussichten für den Autohandel im Jahre 2040 - wenn man sich denn auf die Transformation einstellt. Geschäftsführer Stefan Reiser – die Übergabe von Grüner und Gesellschafter Dr. Konrad Weßner ist im Laufen – zeigte sich zufrieden mit dem Interesse am Event, immerhin stehe der Handel in schwierigen Zeiten.
Bleibt angesichts des äußerst gelungenen Branchentreffs nur die Frage offen, warum österreichische Kfz-Unternehmen die in Nürnberg gebotenen wertvollen Inputs meistenteils links liegenlassen? Die (kurze) Reise aus der Alpenrepublik wäre der Kongress jedenfalls wert.
Weitere detaillierte Berichte von den einzelnen Beiträgen beim puls Automobilkongress 2025 finden Sie in den Ausgaben Nr. 2763 und 2764 der AUTO-Information.