Bisher haben sich führende Politiker der EU blauäugig eingeredet, die globale Weltwirtschaft funktioniere dank partnerschaftlicher Zusammenarbeit. Sie haben dabei ihre eigene Bedeutung eindeutig überschätzt. Tatsächlich funktioniert diese Weltwirtschaft strukturell wie ein Oligopol der Mächtigen, bei der jeder der daran Beteiligten vorrangig Eigeninteressen verfolgt. Das System funktioniert, solange in dieser Machtstruktur alle am selben Strang ziehen.
Die ersten hundert Tage des amerikanischen Präsidenten haben gezeigt, dass dies nicht immer der Fall sein muss. Donald Trump hat eine Verhandlungsführung an den Tag gelegt, bei der von einer Partnerschaft auf Augenhöhe keine Rede sein kann. Sie erinnert mich an den Verhandlungsstil der großen Kfz-Produzenten mit Vertretern der Markenhändlerverbände, wenn es um die Festlegung neuer Vertriebssysteme und Händlerverträge geht. Dass bei diesen viel Porzellan zerschlagen wurde, haben die Manager bewusst in Kauf genommen.
Aus ihrer Sicht ist ihr Vorgehen durchaus verständlich. Sie sehen sich vorrangig ihrem Konzern und jenen Aufsichtsräten und Eigentümern verpflichtet, die sie in ihre Führungsposition gehievt haben. Daher brillierten die Konzernbilanzen mit Gewinnen zwischen sechs und zehn Prozent, während die Gewinne der Autohäuser in den vergangenen zwei Jahrzehnten kaum einmal drei Prozent überschritten. Die Bilanzen vieler Betriebe pendelten nur knapp über und unter einer schwarzen Null, immer mehr verschwinden vom Markt.
Trump sieht sich keinen Konzerneigentümern verpflichtet, sondern all jenen, die ihn gewählt haben. Deshalb hat er gleich anfangs praktisch alle Ankündigungen wahr gemacht, welche er im Wahlkampf getätigt hatte. Unter anderen seine Absicht, den Außenhandel der USA auf vollkommen neue Füße zu stellen. Erstaunlich ist, dass er dabei auf eine Unterscheidung zwischen „guten“ und „bösen“ Staaten, zwischen US-freundlichen und US-kritischen Regierungen, kaum Rücksicht nimmt. Mit dem von ihm verursachten Chaos hat er vor allem kleinere Handelspartner wiederholt in die Defensive gezwungen. Die letztlich lieber einen ungünstigen Deal akzeptieren als gänzlich aus dem US-Geschäft zu fliegen.
Auch das kommt mir vom Autohandel her irgendwie bekannt vor. Für Trump ist es kein Problem, dass der Vorteil des einen auf Kosten des anderen geht. So eine Partnerschaft ist ein Abhängigkeitsverhältnis, in dem sich der Schwächere unterwirft. Das mag kurzfristig funktionieren, mittel- und langfristig sind solche Systeme zum Scheitern verurteilt. Denn Loyalität und Vertrauen werden mit solch einer Verhandlungsführung nicht gefördert.
Verhandlungen müssen für eine mittel- und langfristig erfolgreiche Partnerschaft immer (auch) die Bedürfnisse aller Partner berücksichtigen und austarieren. Das gilt zwischen Staaten und Regierungen genauso wie zwischen Kfz-Produzenten und Kfz-Händlern. Die Praxis zeigt: Benachteiligte Partner werden sich nach Alternativen umsehen. Bisher war es bei dem bestehenden Oligopol der Auto-Hersteller kaum möglich, die Marke zu wechseln. Doch das Blatt hat sich gewendet. Neue, attraktive Produzenten stehen in den Startlöchern. Frustrierte Markenhändler wenden sich zugunsten neuer Partner von bisherigen Lieferanten ab.
Ob Trumps rücksichtsloses „Verhandeln“ funktioniert, ist fraglich. Der Wettbewerb schläft nicht. So könnten Trumps bisherige US-Vasallen – wie derzeit so manche Markenbetriebe im Autohandel – zu neuen Partnern überlaufen.