Sie sind im Jänner 2024 als Geschäftsführer zu Forstinger gekommen, kurz nach der dritten Insolvenz im Juli 2023. Was war dabei die größte Herausforderung?
Rudolf Bayer: Das war natürlich eine schwierige Phase. Wir wussten: Wir sind auf uns selbst gestellt. Das Vertrauen der Lieferanten war nach Start des dritten Sanierungsverfahren im Juli 2023 verständlicherweise erschüttert. Ganz wichtig war daher, dieses Vertrauen wieder zurückzugewinnen.
Wie ist das gelungen und welche Rolle hat Rudi Bayer beziehungsweise sein Netzwerk dabei gespielt?
Rudolf Bayer: Die Lieferanten, die wir zu diesem Zeitpunkt noch im Boot hatten und die der Quote zugestimmt hatten, die wollten auch mit uns weiterarbeiten. Aber eines war klar: Um erfolgreich zu sein, müssen wir marktkonforme Preise erhalten. Und es waren alle mit dabei, nicht zuletzt auch, weil wir ein attraktiver Partner sind mit unseren 69 Forstinger-Filialen. Wir bieten Sichtbarkeit und Frequenz. Wir geben 2 Millionen Kassabons pro Jahr aus. Vielleicht war es einfacher, über mein Netzwerk mit den Lieferanten ins persönliche Gespräch zu kommen. Aber sie sind nicht wegen dem Rudi Bayer geblieben, sondern weil sie auch die Chancen gesehen haben.
Was war grundsätzlich die Strategie in der Sanierung?
Rudolf Bayer: Wir bauen auf drei Säulen: Mitarbeitende, Lieferanten und Gesellschafter. Die Kolleginnen und Kollegen haben den harten Sparkurs mitgetragen. Lieferanten und Gesellschafter haben uns das nötige Vertrauen entgegengebracht. Einen wesentlichen Einfluss hat auch das Sortiment. Wir haben den „Dschungel der Eigenmarken gerodet“ und unter der starken Marke Forstinger gebündelt. Das Angebot der qualitativ hochwertigen Produkte zu attraktiven Preisen werden wir weiter ausbauen.
Was war Ihr wichtigstes Ziel, als Sie das Ruder übernommen haben?
Rudolf Bayer: Ich wollte, dass Forstinger wieder dort steht, wo diese Marke hingehört. Für mich war es unvorstellbar, dass es die Marke Forstinger eines Tages nicht mehr geben sollte. Sie ist in Österreich untrennbar mit allem verbunden, was mit dem Auto zu tun hat. Unser Ziel war, wieder ein positiver, leistungsfähiger Marktteilnehmer zu werden. Dafür haben wir Strukturen verschlankt, Büroflächen reduziert und Prozesse effizienter und schlanker gemacht. Denn Forstinger hat 2 große Stärken: Der Name Forstinger hat einen enormen Bekanntheitsgrad und wir haben ein unglaublich loyales Team. Alle haben voll mitgezogen, sonst hätten wir nicht überleben können. Wir haben auch Personal reduziert, in der Verwaltung, nicht aber in den Werkstätten, hier haben wir ausgebaut. Wir bauen den Dienstleistungs-Bereich noch stärker aus, haben von 4 auf 6 Gebietsleiter erhöht, die nicht nur die Filialen betreuen, sondern auch Fuhrparks ansprechen, von Unternehmern mit wenigen Fahrzeugen bis zu großen Flotten.
Wie steht das Unternehmen heute da?
Rudolf Bayer: Wir haben am 26. September die letzte Quotenzahlung geleistet und damit das Sanierungsverfahren erfolgreich abgeschlossen. Forstinger ist heute nach wie vor der einzige echte Fachmarkt für Autozubehör in Österreich – mit rund 70.000 Quadratmetern Verkaufs- und Werkstattfläche und 69 Filialen, davon 68 mit Werkstattbetrieb. Der Onlinehandel ist natürlich ein starker Wettbewerber, aber wir haben etwas, das das Internet nicht bieten kann: unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihrem enormen Know-how und ihrer persönlichen Beratung.
Sie haben das Werkstätten-Geschäft angesprochen, das hat an Bedeutung gewonnen?
Rudolf Bayer: Absolut. Früher war das Werkstattgeschäft eher ein Mitläufer. Im Umsatzmix hatten wir nur rund 8 Prozent Dienstleistungen, 92 Prozent kamen aus dem Retail-Bereich. Heute liegen wir bereits bei 15 Prozent Serviceanteil – das ist echtes Wachstum. Der Werkstattumsatz ist um 28 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen, und dabei reden wir nur von der Arbeitsleistung, denn die Ersatzteile, die wir verbauen, werden weiterhin zum Retail gezählt. Und das Retailgeschäft ist erfreulicherweise stabil geblieben, obwohl der Markt insgesamt rückläufig ist. Man kann sagen, wir haben das Servicegeschäft aus dem Dornröschenschlaf geholt. Die Werkstätten sind heute produktiver, besser ausgelastet und eigenständiger.
Wie ist diese positive Entwicklung in den Werkstätten gelungen?
Rudolf Bayer: Mit klaren Maßnahmen: Wir haben ein exaktes Controlling eingeführt, haben die Auslastung jeder Werkstatt im Blick und entwickeln gerade ein erfolgsorientiertes Entlohnungs-Modell. Und ganz wichtig: Wir haben das Thema Wertschätzung großgeschrieben. Die Kolleginnen und Kollegen sind der wichtigste Teil der Kette. Viele sind seit Jahrzehnten dabei – einige über 40 Jahre! Sie haben in der Krise sogar fast ein halbes Jahr lang freiwillig auf zehn Prozent ihres Gehalts verzichtet, um das Unternehmen zu retten.
Aber wie motivieren Sie Ihre Belegschaft in so einer schwierigen Zeit?
Rudolf Bayer: Indem wir zuhören, reden und gemeinsam gestalten. Ich bin regelmäßig vor Ort, spreche mit den Teams, will spüren, was funktioniert und was nicht. Heute tragen sie mehr Verantwortung, sind motiviert und stolz auf das, was sie leisten. Dabei setzen wir auf ein sauberes, freundliches, kompetentes Auftreten – auch wenn manche unserer Filialen nicht die modernsten sind.
Was hat sich für die Kunden verändert?
Rudolf Bayer: Wir denken heute viel stärker aus Kundensicht. Reparatur-Kosten sind oft sehr undurchsichtig. Deshalb haben wir zum Beispiel bei Bremsen oder Reifen Servicepakete geschnürt, klar verständlich und transparent. Wir wollen, dass unsere Kunden verstehen, was sie bekommen – und dass Vertrauen da ist. Und wir haben natürlich unser Portfolio angepasst, konzentrieren uns vor allem auf alle Themen rund ums Auto.
Wie sehen die weiteren Ziele aus?
Rudolf Bayer: Im aktuellen Geschäftsjahr planen wir rund 80 Millionen Euro Umsatz, ein Plus von acht Prozent. Wir wollen wieder wachsen – aber mit Maß und Ziel. Neue Standorte sind in Planung – ehemalige Autohäuser sind besonders interessant für uns, auch Franchise-Modelle werden geprüft. Wir nehmen wieder Personal auf. Der Online-Shop ist gestartet und entwickelt sich gut, wenn auch das Geschäft über diese Schiene noch in den Kinderschuhen ist. Der Dienstleistungsanteil soll weiter Richtung 20 Prozent steigen. Wir wollen unsere Auslastung in den Werkstätten in Richtung 100 Prozent bringen, die Produktivität weiter erhöhen – und gleichzeitig die Marke Forstinger weiter stärken. Langfristig sehen wir uns als größte unabhängige freie Werkstattkette Österreichs, die hochwertige und leistbare Mobilität bietet. Forstinger bleibt der One-Stop-Shop für alles rund ums Auto – von der Dachbox über die Wallbox bis zur Werkstatt.
