Autorin: Dipl.-Ing. Dr. Karin Mairitsch

Unter Energiegemeinschaften versteht man den Zusammenschluss von zumindest einem Erzeuger und einem Verbraucher zur gemeinsamen Erzeugung und Verwertung von Energie. Bei der Energieform handelt es sich aktuell zumeist um Photovoltaik-Überschuss-Strom, der Transport des elektrischen Stroms erfolgt über das öffentliche Stromnetz, technische Voraussetzung für die Teilnahme an einer Energiegemeinschaft ist ein funktionstüchtiger Smart-Meter. Man unterscheidet Erneuerbare Energiegemeinschaften (EEG) und Bürger-energiegemeinschaften (BEG).

Lokal, regional und bundesweit

Bei der lokalen EEG befinden sich alle Teilnehmerinnen hinter derselben Trafostation, also in einem wenige Straßenzüge umfassenden Siedlungsgebiet, bei einer regionalen EEG werden alle Teilnehmer über dieselbe Mittelspannungssammelschiene versorgt – hier sprechen wir von einem ganzen Dorf oder einem Grätzel. Da in EEGs bei Weitem nicht das gesamte Stromnetz verwendet wird, verrechnen die Netzbetreiber für den innerhalb der EEG gehandelten Strom geringere Netzarbeitspreise: Diese werden für lokale EEGs um 57 Prozent und für regionale EEGs um 28 Prozent gesenkt. In Bürgerenergiegemeinschaften kann Energie bundesweit gehandelt werden. Hier gibt es keine Reduktion der Netzgebühren. Wichtig zu wissen: Die Tarife in Energiegemeinschaften sind frei wählbar.

Energiegemeinschaften verfügen bis auf wenige Ausnahmefälle aus Gründen der Wirtschaftlichkeit über keine eigenen gemeinschaftlichen Stromspeicher. Auf Photovoltaik basierende Energiegemeinschaften können daher nur dann Strom liefern, wenn die Sonne scheint und Überschuss-Strom eingespeist wird. Da die Abrechnung der Energiegemeinschaften bilanziell innerhalb von 15-Minuten-Zeitfenstern erfolgt, sind Verbraucher, die tagsüber Strom benötigen, in einer Energiegemeinschaft essenziell und gerne gesehen – die Energiegemeinschaft kann eben nur dann Strom handeln, wenn es auch Abnehmer für diesen Strom gibt. 

Benefits für (Kfz-)Unternehmer

Eine private Photovoltaik-Anlage mit 15 kWp erzeugt an einem sonnigen Tag 60 Kilowattstunden PV-Überschuss-Strom. Wie viele Elektroautos können mit diesem Überschuss-Strom vollgeladen werden, wenn jedes dieser Elektroautos über einen halbvollen 60-Kilowattstunden-Akku verfügt? Richtig, zwei. Und zwar dann, wenn beide Autos den ganzen Tag über am Standort der PV-Anlage stehen. Durch die Energiegemeinschaft ist es möglich, diese Energie an einem anderen Standort zu verwerten. 

Ein Autohaus könnte daher im Rahmen einer Energiegemeinschaft mit privaten PV-Anlagen-BesitzerInnen kooperieren und mit deren Überschuss-Strom Ladestationen betreiben. „Die Einbindung von Ladestationen in Energiegemeinschaften ist nur logisch“, schlussfolgert Roland Apel, Obmann der Energiegemeinschaft franz.energy im niederösterreichischen Perchtoldsdorf.

Ein paar Zahlen zur Einordnung: An sonnigen Sommertagen kommt eine mittelgroße Energiegemeinschaft mit 20 privaten PV-Anlagen in den Mittagsstunden auf Leistungen von gut 150 Kilowatt sowie über den Tag auf Energiemengen von mehreren hundert Kilowattstunden.

Aktuell gibt es in Österreich rund 1.500 Erneuerbare Energiegemeinschaften und 200 Bürgerenergiegemeinschaften, Tendenz in beiden Fällen stark steigend. Eine Recherche im Internet und bei der Gemeinde bringt rasch Klarheit, ob man sich einer bestehenden lokalen oder regionalen Erneuerbaren Energiegemeinschaft anschließen kann. Falls das nicht möglich ist: Eine Energiegemeinschaft zu gründen ist keine große Sache. Man braucht eine Rechtsform (zumeist ein Verein), eine Betreibernummer und einen Vertrag mit dem Netzbetreiber. Nach der Genehmigung des Vereins lässt sich der Gründungsprozess in wenigen Tagen abschließen. Die Abrechnung erledigt entweder der Kassier des Vereins, ein spezialisiertes Beratungsunternehmen oder – auch das ist mittlerweile möglich – der Netzbetreiber selbst. 

Energiegemeinschaften rechnen sich: Die Tarife in einer Energiegemeinschaft sind frei wählbar und logisch -kalkulierbar. Beispiel: In unserer Energiegemeinschaft franz.energy zahlen wir dem Einspeiser für seinen PV-Überschuss-Strom aktuell 8 ct/kWh und verkaufen diesen Strom um 12 ct/kWh an unsere Verbraucher weiter. Der Einspeiser freut sich, weil er für seinen Überschuss-Strom deutlich mehr bekommt als am freien Markt, und der Verbraucher freut sich auch, weil er in der Energiegemeinschaft im Vergleich zu seinem herkömmlichen Fixpreis-Tarif rund 10 ct/kWh weniger zahlt. Eine Win-win-Situation. Philipp Hollmann von franz.energy betont einen zusätzlichen Benefit für Unternehmer: „Eine Energiegemeinschaft kann auch sinnvoll für Marketingzwecke eingesetzt werden“.

Gerüchteküche

Das Gerücht, dass durch die Teilnahme an einer Energiegemeinschaft die Chance auf die Genehmigung einer PV-Anlage höher ist, können wir nicht bestätigen. Sehr wohl profitieren Mitglieder von Energiegemeinschaften aber von kürzeren Fristen beim Einbau von Smart-Metern.

Falsch ist auch die immer wiederkehrende Aussage, dass Energieversorgungsunternehmen die Versorgung eines Zählpunktes ablehnen, wenn dieser Teil einer Energiegemeinschaft ist. Fallweise kommt es vor, dass in Vergütungsverträgen für Überschuss-Einspeiser die Klausel „Der Reststrom darf nur ausschließlich an den Energielieferanten verkauft werden“ vorkommt. Die Interessenvertretung der österreichischen E-Wirtschaft Oesterreichs Energie sagt dazu klar, dass sich diese Klausel nicht auf Energiegemeinschaften bezieht.

Richtig und wichtig zu wissen ist, dass man für die Teilnahme an einer Energiegemeinschaft einen aufrechten Vertrag mit einem Energieversorgungsunternehmen haben muss. Den braucht man auch, denn der Strom der PV-basierten Energiegemeinschaft reicht nicht immer aus, um alle Energieverbraucher zu versorgen, beispielsweise bei Regen, in der Nacht und in der dunklen Jahreszeit.

Neben den Gedanken zur Wirtschaftlichkeit geht es bei Energiegemeinschaften auch um Regionalität, soziale Zugehörigkeiten und gemeinschaftliches Denken. Auf der Meta-Ebene sind Energiegemeinschaften ein Vehikel der Energiewende und leisten über die Verschiebung der Lasten einen Beitrag zur Entlastung der Stromnetze. Wir haben keinen Fehler im System entdeckt.

Kein anderes Land der Welt hat auch nur annähernd so viele Energiegemeinschaften wie Österreich. Dieser Umstand ist der Arbeit der Österreichischen Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften geschuldet, einem Ableger des Österreichischen Klima- und Energiefonds, die das Thema höchst professionell vorantreibt und auf ihrer Webseite neben grundlegenden Informationen rund um Gründung und Betrieb von Energiegemeinschaften auch einen umfassenden Katalog von Fragen und Antworten zur Verfügung bereitstellt. Die Autorin dieses Beitrags kann als Projektmanagerin einer Energiegemeinschaft und aus eigener Erfahrung sagen: Wir haben keinen Fehler im Denksystem der Energiegemeinschaften gefunden. 

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