Fragt man Schmierstoff-Branchenvertreter nach der „Lage der Nation“, so sind diese gegenwärtig sehr zufrieden. Die lange Behaltedauer der Fahrzeuge und der hohe Servicegrad, nicht zuletzt getragen durch den hohen Anteil an Firmenautos, spielen der Industrie derzeit in die Hände. Das Geschäft brummt, die Umsätze steigen.
Aber auch die Verantwortlichen wissen bereits, dass das vielleicht nicht immer der Fall sein wird. Die Mobilität ist einem starken Wandel unterworfen, der Mix an Antriebsarten rüttelt kräftig am klassischen (Öl-)Geschäft für die Kfz-Servicebetriebe. Obwohl in Europa die Zeichen auf Elektrifizierung stehen, wird es noch sehr, sehr lange dauern, bis man überwiegend Stromer auf den Straßen antreffen wird. Also könnte man sich jetzt als gestandener Firmeninhaber zurücklehnen und annehmen, das Geschäft mit dem Öl laufe ja „noch ewig“. Das stimmt bis zu einem gewissen Teil, aber nicht ganz: Schon heute, und das ist auch beim Verbrennungsmotor der Fall, kommt dem Schmierstoffsystem in seiner Gesamtheit schon viel mehr Bedeutung zu als früher. Wer hätte denn vor einigen Jahren gedacht, dass sich der Automatikgetriebeöl-Tausch zu einem immer wichtigeren Geschäftszweig entwickeln würde.
Beim rein batterieelektrisch betriebenen Fahrzeug fällt zwar der klassische Motorölwechsel weg, dafür gibt es Flüssigkeiten zur Schmierung und Kühlung, die teilweise deutlich komplexer als ihre Pendants in der Verbrennungskraftmaschine sind. Die Antriebe werden immer aufwendiger, von den Architekturen her immer verzahnter. Das stellt auch neue Herausforderungen an die Schmierstoffe. Die Industrie hat das erkannt, und Branchengrößen wie Castrol, BASF, ZF und viele andere haben bereits speziell für Elektrofahrzeuge entwickelte Flüssigkeiten im Angebot.
Jetzt gilt es, aus diesem Produktangebot ein Geschäftsmodell zu machen. Hier zeigt allerdings die Autoindustrie noch kein einheitliches Bild: Manche Hersteller schreiben etwa für den Austausch der Kühlflüssigkeit für die Traktionsbatterie der E-Autos Wechselintervalle vor, andere setzen auf Lifetime-Befüllung. Der eine sieht einen Austausch bereits nach 3, der andere vielleicht erst nach 10 oder 12 Jahren vor. Ähnlich die Situation bei Getriebeölen für E-Fahrzeuge. Auch hier ist das letzte Wort von vielen Autobauern noch nicht gesprochen, ob, wann und wie getauscht werden muss.
Eines lässt sich aber mit Sicherheit sagen: Der Antrieb der Zukunft wird an Komplexität noch einmal deutlich zulegen und hohe Ansprüche an einzelne Komponenten stellen. Das Schmier- und Kühlsystem von elektrifizierten Fahrzeugen wird auf jeden Fall ein wichtiger Ertragsbringer für die Kfz-Betriebe sein.