Denn auch in der Gegenwart würden Firmen einiges an Geld liegen lassen, stellt Unternehmensberaterin Jessica Perauer fest. Aus ihren Erfahrungen aus der Praxis weiß sie, dass in vielen Fällen die Stundensatz-Kalkulation „nicht mehr marktgerecht“ durchgeführt wird. Die Kosten für die Betriebe seien in jüngster Zeit auf vielen Ebenen – Löhne, Gehälter, Betriebsmittel etc. – gestiegen, da braucht es eine „vernünftige Kalkulation der Stundensätze“, so Perauer. Um kurzfristig zu mehr Ertrag zu kommen, lohnt auch der Blick auf den Mitbewerb. Auch hier lässt sich leicht erkennen, ob man mit der Kostenstruktur im eigenen Betrieb noch konkurrenzfähig ist.

Eigene Stundensätze für E-Auto-Arbeiten

Schon seit Längerem appelliert die Unternehmensberaterin an die Firmenverantwortlichen, eigene Stundensätze für Arbeiten an E-Fahrzeugen einzuführen. „Die guten Betriebe haben das mittlerweile umgesetzt.“ Das ist auch notwendig: Im Vergleich zu herkömmlichen Reparatur- und Servicearbeiten sind für Arbeiten an E-Fahrzeugen mehr Qualifizierungsmaßnahmen, höhere Sicherheitsanforderungen und höhere Investitionen in die Werkstattausrüstung vonnöten. „Nicht vergessen werden darf, dass bei Arbeiten an E-Autos den Betrieben auch die Teileerlöse fehlen, etwa bei Motoröl und Bremsen“, gibt die Beraterin zu bedenken. „Die Etablierung von eigenen Stundensätzen für E-Autos ist eine der am schnellsten umzusetzenden Maßnahmen, um die Erträge zu erhöhen.“

Optimale Verteilung zwischen produktiver und unproduktiver Arbeit

Erträge lassen sich auch dort generieren, wo die Verteilung zwischen unproduktiver zu produktiver Arbeit passt. Für Perauer sollte das Verhältnis in etwa 1 zu 1,5 betragen, somit sollten auf 10 produktive maximal 6,7 unproduktive Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommen. Wobei mit unproduktiv alle Bereiche gemeint sind, für die keine Werkstattleistung direkt verrechnet werden kann.
Mitarbeiterführung und -entlastung sind ebenfalls wichtige Bereiche. Firmen müssten danach trachten, frühzeitig Vertretungsregelungen einzuführen: „Es darf nicht alles an einer Person hängen bleiben.“ Überhaupt könnten digitale Tools helfen, Prozesse zu optimieren und Personal zielgerichteter einzusetzen. „Man muss so gut wie möglich Ressourcen sparen, aber nicht an der falschen Stelle“, gibt sie zu bedenken.

Ausbildung ist Trumpf

Hinkünftig würden nur jene Betriebe das Geschäft machen, die gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihren Reihen hätten, hält die Beraterin fest. Sie schränkt aber zugleich ein: Bei gewissen Marken gebe es zu wenig Spezialisten. So fehle es beispielsweise an berechtigten Personen, um Arbeiten an E-Fahrzeugen durchzuführen. Auf der anderen Seite gebe es Hersteller, bei denen es schlichtweg an Kapazitäten für Schulungen mangle. Zudem würden sich die Trainingskosten für einen Kfz-Betrieb teilweise erheblich auswirken, zusätzlich fehle die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter Tage bzw. Wochen am eigentlichen Arbeitsplatz. Beim Personaleinsatz ist es nicht nur wichtig, qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu haben, sondern diese auch effizient einzusetzen. Dazu zählt für Perauer eine ordentliche Ausstattung: Funktionierendes Internet, ein eigener Werkstattwagen und ein eigenes Notebook seien hier Pflicht. Die Prozesse rund um den Reparaturvorgang (Zeiterfassung etc.) sollten durchgängig digital erfolgen, so Perauer. Wichtig ist es auch, „Stehzeiten“ der Beschäftigten zu verhindern: Sowohl in der Früh als auch nach der Mittagspause sollte nahtlos mit der Abarbeitung von Aufträgen begonnen werden (können). „Vielerorts dauert es, bis Schwung in die Aufträge kommt. Das ist alles Geld, das liegen bleibt.“

Neue Geschäftsfelder

Zusatzerträge ließen sich auch in Bereichen erzielen, in denen ein Kfz-Betrieb bis dato nicht aktiv war, etwa im Bereich Flottenmanagement und Schadenrouting. Aufgrund der Kostenvorgaben sollten Werkstätten dies aber vorrangig einsetzen, um auslastungsschwache Phasen zu überwinden. Immer wichtiger wird auch die Kundenbindung. Die Kunden sollten wiederkehrend angeschrieben – gerne auch automatisiert – und auf saisonale Aktionen oder eine anstehende §57a-Überprüfung hingewiesen werden. „Das Werkstattgeschäft ist ein extrem saisonales Geschäft mit Spitzen beim Reifenumstecken im Frühjahr und Herbst. Unternehmen sollten die Chance des Kundenkontakts nutzen, um saisonale Checks anzubieten und so Zusatzverkäufe rund um Bremsen, Klimaanlage, Stoßdämpfer, Unterboden etc. zu generieren.“ Gerade bei Markenwerkstätten zeigt sich laut Perauer, dass diese – um mit kleineren, freien Betrieben mithalten zu können – hohe Rabatte beim Reifenumstecken geben müssen. Zusatzerträge sind für diese unerlässlich.

Zülch mahnt zur Vorsicht bei nicht verrechneten Dienstleistungen

Kennzahlen-Experte Michael Zülch rät seinerseits dazu, kostenlose Dienstleistungen wie Hol- und Bringservice, Fahrzeugreinigung oder einen kostenlosen Leihwagen in die Berechnung eines Stundensatzes pro einzelnen Kunden einfließen zu lassen. Der Experte hat erhoben, dass hier zusätzliche Kostenbelastungen bis zu 15 Euro pro Stunde bestehen, die auch verrechnet werden müssen. „Wir haben diese Positionen mit realistischen Kostenfaktoren hinterlegt. Diese werden vom Betrieb übernommen und sind Teil der Fixkosten“, so Zülch. Bei größeren Betrieben können diese in der Praxis meistens nicht verrechneten Dienstleistungen schnell auf eine Summe im mittleren fünfstelligen Bereich pro Jahr ansteigen.

Wachstum auf dem Prüfstand

Das Zahlenmaterial liefert auch eine gute Ausgangsbasis, wenn zum Beispiel Kunden mit mehreren Fahrzeugen (Fuhrparks, Flotten) betreut werden sollen. Zülch empfiehlt bei dieser Gelegenheit den Firmeninhabern, die eigene Kundenstruktur zu überprüfen. Zentral ist hier die Frage, ob weiteres Wachstum überhaupt sinnvoll ist – auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels. „Wenn ich mich von 20 oder 30 Prozent des Umsatzes trenne, kann der Betrieb stressfreier arbeiten und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommen weniger an ihre Auslastungsgrenze“, weiß der Experte. Dadurch entstehen gegebenenfalls auch Kapazitäten für andere, ertragreichere oder strategisch sinnvollere Kunden. Bei der Aufgabe von Geschäftsfeldern (Mechanik, Autoglas, …) sollte man sich sehr gut überlegen, ob diese Bereiche dann an andere Partner outgesourct werden können. In diesen Fällen braucht es zuverlässige sowie qualitäts- und termintreue Partner.

Potenzial bei Stundensätzen im freien Markt

Bei den Stundensätzen gibt es eine spürbare Differenz zwischen markengebundenen und freien Betrieben. In manchem Markenbetrieb hat der Stundensatz die 200-Euro-Marke längst hinter sich gelassen, der freie Markt liegt hier noch deutlich darunter. „Im freien Markt sehe ich aktuell keine Grenzen bei den Stundensätzen, allerdings merken wir, dass die Versicherer unter einem hohen Kostendruck leiden.“ Auch die Erträge sieht Zülch unter Druck: „Die verkauften Stunden müssen wieder ansteigen, sonst werden die Renditen wieder auf ein normales Niveau sinken.“ Er sieht folgende Trends: Die Personalkosten werden weiter steigen, die Produktivkräfte reduzieren die Anwesenheitszeiten durch erhöhte Krankheitstage und die Stundensätze müssen aufgrund der steigenden Kostenbelastung ebenfalls weiter steigen – vor allem im freien Markt. Um dennoch weiter Erträge zu generieren, braucht es unternehmerische Fähigkeiten, die richtige Unternehmen-ssteuerung und effizientes Controlling. „Ein Betrieb muss seine Kennzahlen kennen“, so Zülch.