Auf den ersten Blick ist es ein Tor, mehr nicht, ein gut beleuchtetes Tor: „AI“ steht auf einer Tafel, also die Abkürzung für „Artificial Intelligence“. Da ist man als Journalist natürlich neugierig, denn was hat die Künstliche Intelligenz mit dem Bau von Autos zu tun? Schließlich kommt man in diesem Beruf so gut wie jedes Jahr in ein Autowerk, und AI oder KI war noch nie im Spiel. Schauplatz diesmal: das Renault-Werk in Palencia. Nein, nicht Valencia mit V, sondern jenes mit P voran, gelegen im Norden des Landes etwa auf halbem Weg zwischen Madrid und Gijon. Dort baut Renault schon seit einer gefühlten Ewigkeit seine Autos, angefangen 1978 mit dem R12, dann folgten R14, R9 und diverse Generationen des Megane. Heute sind es Austral, Espace und Rafale, die hier vom Band laufen; rund 139.000 Stück waren es im vergangenen Jahr.
525 Kontrollpunkte in der Fabrik
Sie alle kommen von einem Band, das in jüngster Vergangenheit massiv aufgerüstet wurde: Schon bevor wir in die Endmontage kommen, zeigt man uns diverse Geräte: Etwa ein mit vielen Kameras bestücktes, mit dem man bei einem kompletten Cockpit, bevor es ins Fahrzeug montiert wird, in Windeseile checkt, ob auch alle Geräte verbunden sind. Oder eines, mit dem sämtliche Verkabelungen an der Heckklappe überprüft werden: Wird ein Stecker gezogen, schreit die KI sofort.
All diese Geräte werden dann am Band verwendet: 525 Kontrollpunkte gibt es in der Fabrik; die VIN jedes Fahrzeugs wird stets erfasst. Ein Punkt ist jener, an dem wir die Endmontage betreten. Es ist eher noch am Anfang, wo die Autos frisch aus der Lackiererei kommen. 20 Fotos werden von jeder Karosserie gemacht, zwei rote Daumen zeigen nach unten – da muss nachgebessert werden. Ein paar Minuten später, der Espace hat schon Türen, werden von den 40 Kameras, die im beleuchteten Tor versteckt sind, sogar 142 Fotos pro Auto geschossen. Alles wird in Sekundenschnelle mit den „Benchmarks“ verglichen. Sind alle Schrauben dort, wo sie sein sollen?
Fünf Milliarden Datenpunkte pro Tag
Offenbar ja, denn das Auto rollt weiter, bis es (wir haben eine Abkürzung durch die Fabrik genommen) fix und fertig montiert am Ende in einem Raum auftaucht. „Silencio por favor“ steht auf dem Schild: Hier kontrollieren Kameras nicht nur Scheiben und Spiegel, sondern es werden mit der KI auch Geräusche gecheckt: Passt es eh, wenn jede einzelne Tür und die Heckklappe mit ziemlichem Karacho von einer Mitarbeiterin geschlossen werden? Zum Vergleich wird an der Tür, wo eben noch alles gepasst hat, eine Schraube verdreht und nochmals zugeschlagen. Roter Daumen nach unten, wie zu erwarten war. Natürlich wird der Fehler vor der Auslieferung sofort wieder behoben.
Drei Millionen Datenpunkte (!) entstehen in der Fabrik pro Minute, fünf Milliarden sind es am Ende des Tages: Alle Fotos werden gespeichert, und zwar ein ganzes Jahr lang. Kein Kunde soll später behaupten, sein -Renault sei nicht zu 100 Prozent richtig montiert aus Palencia gerollt …