„Daten sind das neue Gold der kompletten automotiven Industrie“, gab Christian Stadlmann, CRO von Anyline, dem Initiator des Reifengipfels, gleich zu Beginn die Richtung vor. Ohne Daten gebe es keine Einblicke, somit sei entscheidend, wie man als Reifen(service)betrieb zu den Daten gelangt. Aktuell hätten viele die Daten weder vorliegen noch würden diese aktualisiert, wenn sie vorhanden seien, hielt Stadlmann fest. Er hatte auch interessante Zahlen parat: 5,7 Milliarden Reifen rollen global auf den Straßen, von diesen würden 27 Prozent bei einem Reifencheck durch einen Servicebetrieb „durchfallen“. Würden Daten und Prozesse vorliegen, die diesen schlechten Zustand aufdecken, könnte damit ein enormes Potenzial freigesetzt werden.

 

Anyline bietet dazu eine geeignete IT-Lösung. Mittels eines Smartphones werden Fahrgestellnummer, Kennzeichen, Reifenmarke und Reifenoberfläche (Profil) gescannt und diese Daten können direkt vom Monteur als auch vom Backoffice in den Betrieben in Echtzeit verwendet werden. „Mit unserem Scanner werden mehr als 100.000 Messpunkte erhoben“, erklärte der CRO. Anyline verfügt aktuell über 200 Kunden, „damit sind wir Vorreiter“.

 

Wie man als Fahrrad-Einzelhändler den Sprung zu einem führenden Unternehmen in der automotiven Industrie schafft, zeigte Chris McShane, Managing Director B2B von Halfords aus Großbritannien. Das über 100 Jahre alte Unternehmen ist 2010 in das automotive Business eingestiegen und hat dank eines konsequenten Einsatzes von digitalen Lösungen – und auch die sogenannte „customer journey“ erfolgt komplett digital – den Wandel zu einem der größten Serviceanbieter im Vereinigten Königreich realisiert. Aktuell stehen 394 Handelsstandorte (für Fahrrad- und Kfz-Zubehör), 650 Servicestationen, 737 mobile Service-Fahrzeuge und mehr als 10 Millionen Werkstattaufträge pro Jahr zu Buche.

 

Als Software Solutions Provider stellt sich Incadea mit Hauptquartier in München den Herausforderungen des digitalen Wandels. „Es braucht ein exzellentes Kundenerlebnis und einen hohen Mehrwert für den Kunden“, erklärte CSO Chris Roedel. „Es ist wichtig, den Endkunden in den kompletten Prozess zu integrieren.“ Zu diesem Zweck kooperiert Incadea mit einer Vielzahl an IT-Lösungsanbietern, etwa aus den Bereichen Bezahldienste oder Barcode- bzw. Reifen-Scan-Anbieter.

 

Mehr als 35 Jahre Branchenerfahrung bringt David Shaw, CEO von Tire Industry Research, mit. Er warf einen Blick auf globale Produktionszahlen und wie sich etablierte Marken auf den Wandel in der Industrie einstellen könnten. Die Digitalisierung schlage hier auf vielen Ebenen durch, zum Beispiel durch die Hinwendung zu „Virtual Testing“, womit die Industrie kürzere Entwicklungszeiten und damit Kosteneinsparungen generiere.

 

Per Zuschaltung reihte sich Zach Olsen, Gründer und CEO von Treads, in die Riege der Vortragenden ein und brachte einige Einblick in den US-amerikanischen Markt. Dort würden 41 Prozent der 25- bis 34-Jährigen täglich eine Car-App verwenden, generell seien 63 Prozent bereit, für vernetzte Services zu bezahlen. Ein Fahrzeug ist in den USA im Schnitt 12,5 Jahre alt, der Markt zwischen 2022 und 2023 mit Steigerungen um 11,7 Prozent (Neuwagen) und 37,2 Prozent (Gebrauchtwagen) konfrontiert. Im selben Zeitraum hätten sich die Durchschnittskosten für eine Reparatur um 10 Prozent und der durchschnittliche Reifenpreis um 21,4 Prozent erhöht. „Mit neuen Technologien werden die Servicekosten aufgrund neuer und effizienterer Geschäftsmodelle für den Konsumenten künftig niedriger ausfallen“, erwartet Olsen.

 

Über allem steht die Sicherheit

Der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften im Bereich der Bereifung wurde eine Podiumsdiskussion gewidmet. Die Sicherheit steht an oberster Stelle, war man sich dabei einig. „Mit unseren Lösungen kann der Reifenbetrieb die Überprüfung der Reifen speichern und jederzeit dokumentieren“, erklärte dazu Daniel Albertini von Anyline. Generell spiele die einfache Nutzbarkeit von Systemen eine wesentliche Rolle. 

„Entscheidend ist es, den Autofahrer dazu zu bringen, den Reifen regelmäßig zu kontrollieren“, ergänzte Neil Purves von Bridgestone, wo die Sicherheit des Reifens immer im Mittelpunkt steht. Die Umsetzung von automatisierten Lösungen ist unter anderem bei Anyline ein langfristiges Ziel.

 

Abschließender Höhepunkt des ersten „TIRE Summit“ in Wien war der Vortrag von ORF-Formel 1-Kommentator Ernst Hausleitner zum Thema „Reifen als schwarzes Gold der Formel 1“.

 

Weitere Artikel zum TIRE Summit finden Sie in der AUTO-Information Nr. 2725 vom 21. Juni 2024 und in der Juli-Ausgabe von AUTO & Wirtschaft mit dem Branchen-Spezial REIFEN & Wirtschaft.