Der Winter wird möglicherweise zur logistischen Herausforderung, am Ende könnte er aber ganz zufriedenstellend ausgehen“, lautet der letzte Satz im Winterreifen-Special (REIFEN & Wirtschaft 10/23). Dank ordentlichem Schneefall ist er für die meisten Betriebe zufriedenstellend ausgegangen. Übrig gebliebene Reifen, vor allem Premium-Produkte größerer Dimension, belasten natürlich das Lager und vor allem den Finanzierungsrahmen, aber das ist keine Besonderheit des vergangenen Winters, sondern wird eines der Hauptthemen für den etablierten Reifenfachhandel. Auch über die Herausforderung des richtigen Einlagerns in Zeiten wachsender Komplexität haben wir schon intensiv berichtet. So weit zu den bekannten Themen.
Durch die Teuerung ist zuletzt noch die ungewisse Verschiebung zwischen den Preis-Segmenten dazugekommen, die wir ebenfalls schon vor der Winter-Saison thematisiert haben. Möglicherweise haben mit dem starken Wintereinbruch und den sehr winterlichen Verhältnissen noch viele Autofahrer zu Premium-Produkten gegriffen. Bei den Sommerreifen hat die Qualität im Bewusstsein der Konsumenten nun eher weniger Bedeutung, der „Rückschritt“ zum Quality-Produkt kann häufiger werden.

Hat es die Branche selbst in der Hand?
„Aus meiner Sicht diskutieren wir zu viel darüber und lösen durch Gespräche diese Spirale erst aus. Denn die Menschen wollen in schwierigen Zeiten starke Marken“, ist Daniel Freund, Head of Region Alpen bei Continental, überzeugt. Die Angst des Verkäufers vor dem Preis ist vermutlich ein nicht unwesentlicher Aspekt. Andererseits muss man die wirtschaftliche Situation der Autofahrer berücksichtigen, die mit höheren Energie- und Lebensmittelkosten, höheren Mieten bzw. Zinsen konfrontiert sind. Mittlerweile kommen auch SUVs mit Dimensionen 18 Zoll und größer im Gebrauchtwagen-Segment an und belasten die Familienbudgets der neuen Besitzer.
„Nachdem die Preisunterschiede zwischen Zweit- und Drittmarken auf der einen Seite und Premium-Marken auf der anderen Seite bei größeren Dimensionen schon eklatant sind, haben vergangenen Winter alle, die irgendwie konnten, schon zum günstigeren Produkt gegriffen“, berichtet etwa Wilfried Fleischmann vom gleichnamigen Reifen-Großhandel in Klosterneuburg. Mit seinem Hofgeschäft in Klosterneuburg hat Fleischmann auch direkten Kontakt und Erfahrung mit dem Endkunden.

Mehr auf Kosten geschaut
Dabei sind nicht nur die Premium-Marken unter Druck. Der Wechsel zu einem jeweils günstigeren Produkt zieht sich durch die komplette Angebots-Palette: Viele Kunden steigen ein Stufe (oder zumindest eine halbe) zurück: Premium auf Quality, Quality auf Budget …
Neben dem Kaufkraftverlust und den erhöhten Lebenshaltungskosten der Menschen ist der Fahrzeugbestand in den vergangenen Jahren um 2 Jahre gealtert. Da ist nur logisch, dass für ältere Fahrzeuge mehr auf die Instandhaltungs-Kosten geachtet wird.
Nachdem aus Gründen der Logistik-Kosten die Billig-Ware aus Fernost in den vergangenen Jahren ausgeblieben ist, mischen diese Produkte nun wieder verstärkt in Mitteleuropa mit. Das hat selbst auf Kunden Auswirkungen, die niemals auf Billigreifen zurückgreifen würden. Hier schwingt die große Preisdifferenz mit, und es wird der Weg der goldenen Mitte beschritten.

Weiter in der Premium-League?
Hinsichtlich des Premium-Anteils ist die D-A-CH-Region führend. Die Frage ist, wie weit man das Niveau halten kann. „Das Konsumentenverhalten hängt weiter sehr stark mit der künftigen Inflationsentwicklung zusammen. Sollte sich die aktuell stattfindende Senkung fortsetzen, habe ich große Hoffnung, dass das Qualitätsbewusstsein in Österreich wieder zunimmt“, meint Harald Kilzer, Clustermanager Südosteuropa bei Apollo Vredestein.
Mit dem erhöhten Ersatzbedarf ist ein positives Sommerreifengeschäft zu erwarten. Ob es auch ertragreich wird, hängt nicht unwesentlich von der Markenwahl der Kunden ab. Mehr denn je spielt die Beratung des Verkäufers eine maßgebliche Rolle, um den Kunden von der Qualitäts-Bedeutung des Reifen zu überzeugen.