Die Elektrifizierung des Verkehrssektors geht in allen relevanten Märkten zügig weiter. In Österreich haben die Stromer mittlerweile den Diesel nachhaltig in die Schranken verwiesen, jedes fünfte neu zugelassene Auto verfügt über einen rein batterieelektrischen Antrieb – damit ist längst eine für die Kfz-Branche relevante Größe überschritten. Trotz Strompreisrallye ist die angekündigte Delle ausgeblieben bzw. deutlich geringer ausgefallen als prognostiziert. Welche Entwicklungen im Hochlauf werden für 2024 prognostiziert, wie entwickeln sich die Förderlandschaft und die THG-Prämien und welche Entwicklungen sind darüber hinaus für Autohäuser in Österreich relevant?
Der Sprung zu den Skeptikern
Auch gesamteuropäisch war 2023 ein neuerliches Rekordjahr im Hochlauf der Elektromobilität mit interessanten Entwicklungen im Detail: Zuletzt legten auch bisherige „Nachzügler“ wie Spanien oder Italien rasch zu, andere Länder wie Belgien, -Dänemark oder Finnland haben innerhalb weniger Quartale den Nzl-Marktanteil der Stromer von 20 auf 30 Prozent gesteigert.
Entscheidend für zügiges Wachstum sehen viele Experten nach wie vor die Förderungen des Gesetz-gebers. Nach den Early Adoptern müssen nun auch Skeptiker und Pragmatiker von den Vorzügen der E-Autos überzeugt werden. Zuletzt machten Entwicklungen in der Schweiz – wo ein wichtiger steuerlicher Vorteil für BEVs gestrichen wurde – und Deutschland Schlagzeilen. Die Lieblingsnachbarn kappten im Zuge der Budgetkrisenbewältigung im Dezember handstreichartig die Ankaufsförderung für E-Mobile.
Für Österreich verweist Philipp Wieser, Leiter der OLÉ (Leitstelle Elektromobilität) bei AustriaTech, auf mehrere Förderpakete, die einerseits pauschal, aber mehr und mehr auch bedarfsorientiert die Entwicklung von E-Autos und Ladeinfrastruktur fördern sollen. Für 2024 sei jedenfalls keine Abschaffung des pauschalen E-Mobilitätsbonus geplant. „Wir sehen gerade in der momentanen Situation keinen Anlass, zu krasse Änderungen vorzunehmen. Es wird nicht zu plötzlichen schwerwiegenden Änderungen bei den Förderungen kommen“, betont Wieser.
Gleichwohl werde man im Hochlauf sukzessive auf zielgerichtete und weniger auf pauschale Förderungen setzen. Ein erstes Beispiel dafür ist LADIN, das gerade gestartete Förderprogramm zum Ausbau von schneller DC-Ladeinfrastruktur in bisher unterversorgten Gebieten. Auch die Nutzfahrzeug-Förderungen ENIN und EBIN seien sehr erfolgreich, unterstreicht Wieser.
Während die Förderungen zur Anschaffung von Fahrzeugen nach und nach wohl dennoch auslaufen werden – „bei 50 Prozent Neuzulassungen und mehr brauchen wir nicht mehr jedes Fahrzeug zu fördern“, fasst es Wieser zusammen –, sieht er bei der Infrastruktur als Rückgrat der Elektromobilität längerfristigen Bedarf.
„Emissionshandel“ als Chance
Eine gewisse Goldgräberstimmung unter E-Fahrern, aber vor allem bei Betreibern von Ladeinfrastruktur hat die Einführung der sogenannten THG-Quote ausgelöst. Dabei können Mineralölkonzerne Ladenetzbetreibern sozusagen Emissions-Gutpunkte abkaufen. Das nicht ganz unkomplizierte Verfahren, welches über das Umweltbundesamt abgewickelt wird, macht die Aktivität von sogenannten „Quotensammlern“ nötig. Das sind Firmen, die für gewerbliche und auch private E-Ladeinfrastrukturbesitzer die Vermarktung der THG-Prämie übernehmen. Zahlreiche Player brachten sich rasch in Stellung und warben mit Prämien von mehreren hundert Euro pro Jahr.
Dabei handle es sich oft um Phantasiezahlen, die der Realität wohl kaum standhalten, kritisiert -Thomas Schulze, Gründer und Geschäftsführer von Clean-future – einem 2023 gestarteten Anbieter, der ein spezielles Paket für den Autohandel anbietet. Auto-häuser mit geeigneter Ladeinfrastruktur – benötigt werden Ladepunkte mit entsprechenden Messeinrichtungen – könnten in den kommenden Jahren sicher profitieren. „Ab nächstes Jahr steigen die THG-Einsparquoten, welche die Mineralölfirmen erreichen müssen, und damit wird auch der Preis für CO2-Quoten deutlich steigen“, sagt Schulze.
Änderungen bei Hochvoltausbildung
Auch bei HV-Schulungen im Kfz-Betrieb könnten sich durch die Neuformulierung der OVE Richtlinie R19 Änderungen für manche Autohausunternehmer ergeben. Diese österreichische Ausbildungsrichtlinie für sicheres Arbeiten an elektrisch angetriebenen Fahrzeugen definiert alle Ausbildungsstufen und Ausbildungsinhalte für Arbeitnehmer, die an Fahrzeugen mit HV-Systemen arbeiten.
Experten wie Ing. Deniz Kartal, Geschäftsführer des Schulungsanbieters Evalus, u. a. Partner für die Hochvoltschulungen von Birner, veranlassten bereits 2021 eine Überarbeitung der ersten Version aus dem Jahr 2015. Nun soll auch eine Konkretisierung dahingehend erfolgen, dass wiederkehrende Ausbildungen erforderlich sind. Ein diesbezüglicher Entwurf, der die Verpflichtung für Auffrischungen spätestens nach 5 Jahren enthält, ist derzeit in der Kommentierungsphase, entschieden wird darüber bei einer Sitzung Mitte Jänner. „Sinnvoller wäre eine Auffrischung alle drei Jahre, wie wir bei Evalus sie bereits umsetzen“, meint Kartal. „Die Technik von Hochvoltfahrzeugen entwickelt sich permanent weiter. Für Evalus-Geschulte ändert sich nichts, wir bilden bereits nach dem Stand der Technik aus“.
Das Thema E-Mobilität schleifen zu lassen, ist wohl auch 2024 keine so gute Idee. „Bald wird jeder Kfz-Techniker eine HV3-Qualifikation brauchen“, ist Kartal überzeugt.