Der Sommer steht bei minus 11 Prozent, das ändert sich auch nicht mehr. Beim Winter-reifen-Geschäft liegen wir derzeit bei minus 25 Prozent, aber das ist ja noch kein Endverbraucher-Ergebnis, sondern das, was die Industrie an den Handel abgesetzt hat“, analysiert Michael Peschek-Tomasi, MiB, Geschäftsführer von point-S. Warum der Sell-in schwächelt, hat grundsätzlich mehrere Gründe.
„In den vergangenen drei Jahren hatten wir immer eine Mangelsituation und wussten nicht, ob und wie geliefert werden kann“, so Peschek. Da haben die Betriebe gerne viel Ware und gerne früh übernommen. „Und bis unters Dach geschlichtet.“ Das ist heuer nicht passiert. „Im Vergleich zum Vorkrisen-Jahr 2019 ist der Einlagerungs-Rückstand nicht so dramatisch“, rechnet Peschek vor. Wenn der Winter einigermaßen normal verläuft, wird auch die Stückzahl passen. Die Frage ist freilich, was ist normal? Denn kommt der Winter heftig und plötzlich, gibt es schon ein Versorgungsproblem: „Dann haben wir zu wenig auf Lager“, so Peschek. Großhandel und Industrie können das nicht in kurzer Zeit stemmen. Kommt ein schwacher Winter, werden einige Wechsel doch nicht durchgeführt und das Volumen wird nicht zufriedenstellend sein. Aber das ist irgendwie jeden Winter der Fall. Und kommt der Winter spät, also erst im Jänner? „Dann haben wir schlechte Bilanzen. Denn die Kostensteigerungen sind ja schon da“, so Peschek. „Dabei stehen wir im Handel schon jetzt mit leeren Kassen da.“ Denn ein 11-Prozent-Minus aus dem Sommer und 10 Prozent höhere Kosten drücken gewaltig auf die Liquidität. Auch das hemmt die Einlagerungsmöglichkeiten des Händlers.

Reifenbedarf vorhanden
Das Potenzial ist grundsätzlich vorhanden. „Der Gesamtreifenbedarf wird etwa gleich bleiben, es wird zwar etwas weniger gefahren, dafür wächst der Bestand noch weiter“, prognostiziert Wilfried Fleischmann, Reifennahversorger aus Klosterneuburg: „Es wurden noch nie so viele Reifen durchgefahren, das hat sich jedes Jahr noch weiter aufgestaut“, ist auch Peschek überzeugt.
Gleichzeitig hat sich das Durchschnittsalter der Fahrzeuge auf der Straße weiter erhöht. „Bei reduzierten Neuwagen-Verkäufen ergibt sich ein gesteigerter Ersatzbedarf für ältere Fahrzeuge“, so Fleischmann, der einen Trend zu günstigeren Reifen, aber auch einen Wechsel zu All-Season registriert. „Jetzt kommen die Modelle mit den größeren Reifen aus dem Zweit- oder Drittbesitz zu uns. Wenn wir hier von 20 Zoll oder größer reden, sind 4 Sommer- und 4 Winterräder bei älteren Fahrzeugen finanziell nicht mehr drinnen. Speziell in Ostösterreich, wo ein erheblicher Anteil der Fahrzeuge rollt, weichen viele Kunden auf Ganzjahresreifen aus.“
Die Frage ist also: Für welchen Reifen entscheidet sich der Konsument? Hinsichtlich der Einschätzung des Kundenverhaltens wird der kommende Winter einer der bisher schwierigsten für die Branche. Ob die Kunden großteils bei Premium-Modellen bleiben, verstärkt zu Quality-Produkten greifen oder in manchen Regionen gleich auf All-Season wechseln, ist ungewisser denn je.

Premium oder Quality
Die Wahrheit wird irgendwo dazwischen liegen, auch sind die Kategorien nicht so klar zuzuordnen. Dass es ein „Downgrading“ von den hochpreisigen zu günstigeren Produkten geben wird, gilt in der Branche als fix.
„Ich glaube nicht, dass wir um die Menge kämpfen, sondern dass es eher einen Wechsel vom Premium- ins Midquality-Segment geben wird“, meint auch Peschek. Bislang fährt die Mehrheit der Österreicher noch immer Premium. „Nun spüren die Konsumenten aber die verstärkte Kostenbelastung“, analysiert Peschek. So sind die finanziellen Möglichkeiten vieler Kunden zuletzt deutlich zurückgegangen, gleichzeitig sind die Reifenkosten sowie die Reifengrößen gewachsen. „Da reden wir von einer durchschnittlichen Preiserhöhung von einem Drittel pro Reifen seit 2018“, rechnet Peschek vor. Das trifft natürlich auch den Handel, der mit seinem Finanzierungsrahmen mittlerweile deutlich weniger Stück vorfinanzieren und damit einlagern kann, und damit erklärt sich der dritte Grund: Die Preissteigerung und die Dimensionssteigerung reduzieren den Platz im -Finanzierungsrahmen und im Neureifen-Lager.
Die Sell-in-Rückgänge sind also nachvollziehbar. Dadurch wird der Winter also möglicherweise zur logistischen Herausforderung, am Ende könnte er aber ganz zufriedenstellend ausgehen.