AUTO-Information: Wie ist denn die Wandlungsfähigkeit bei Pollmann in der Firmenphilosophie verankert?

Robert Pollmann: Als wir in meiner Jugendzeit erkannten, dass der Markt für mechanische Zähler für Tonbandgeräte sterben wird, fragten wir uns, wo unser Know-how weiter gefragt wäre. So sind wir zur Automobilindustrie gekommen, damit haben wir unser Unternehmen internationalisiert, das war so etwas wie unser großer Aufstieg. Der nächste Meilenstein kam, als mechanische Kilometerzähler im Auto durch elektronische Anzeigen ersetzt wurden. Damals sind wir mit unserem Know-how aus einem anderen Geschäftsbereich – wir lieferten Teile für Videorecorder von Philips, ebenfalls schon ein sterbendes Produkt – zum Schiebedachhersteller Webasto gegangen. Schiebedächer waren damals schwer, kompliziert, mit vielen Metallteilen. Wir schlugen ein neues Design für eine Baugruppe vor, das wir mit unserem Know-how für die Verbindung von -Kunststoff und Metall entwickelt hatten, und sind so ins Schiebedachgeschäft eingestiegen. So ging es weiter zu Auto-Türschlössern, und heute erlebe ich genau dieselbe Situation zum dritten Mal in meiner Laufbahn. Wir fragen uns, wo gibt’s im Auto der Zukunft ähnliche Bauteile? Es stellt sich heraus, dass man in Elektroautos, in denen man viel mit ganz massiven Kabeln zu tun hat, durchaus Anwendungen für unsere Kompetenzen findet.

Viele Unternehmen tun sich schwer, sich so selbstverständlich auf das Neue einzustellen.

Stefan Pollmann: Wir haben bei uns im Unternehmen viele Menschen, die schon sehr lange dabei sind, und die aus unserer Geschichte wissen, dass der Technologiewandel halt immer wieder zum Erfolg geführt hat. Das ist bei uns in den Wurzeln und in der Arbeitsweise fest verankert.

Stefan Pollmann, Sie sind in fünfter Generation im Familienunternehmen tätig? Wie sehen Sie das Unternehmen, gibt’s hier wirklich nur Bejaher des Wandels?

Stefan Pollmann: Von dem Glauben, dass ein Produkt oder eine Technologie sich ewig halten könnte, muss man sich definitiv verabschieden. In unserer Familie ist Robert sicher so etwas wie der Visionär, aber keiner schwelgt in der Vergangenheit. Wenn man sich heute Produktlebenszyklen anschaut, erkennt man klar, dass die Langlebigkeit von Dingen nicht mehr ist, wie sie einmal war. Was man darüber hinaus nicht vergessen darf, ist Nähe zum Kunden. Wir versuchen, aktiv beim Kunden zu sein und frühzeitig in die Weiterentwicklung zu gehen.

Robert Pollmann: Wir sind dort besonders gut, wo wir uns mit Kunden verzahnen können, wo wir mit-entwickeln. Dann sind wir als Unternehmen am erfolgreichsten. Natürlich muss man bei allen Visionen immer fragen, welche Kompetenz, aber auch welche Maschinen habe ich schon, was ist bereits vorhanden? Wenn ich Schi herstelle und Tennis boomt gerade, kann ich trotzdem nicht einfach auf Tennisschlägerproduktion umsatteln. Wir als Pollmann haben in der Vergangenheit ja auch einige Versuche gemacht, mit denen wir gescheitert sind.

Wie erkennt man in einem großen Unternehmen den richtigen Moment, in dem ein Produkt, eine Technologie keine Zukunft mehr hat?

Robert Pollmann: Man darf nicht mit Scheuklappen durch die Gegend gehen und muss mit den Kunden reden. Dazu kommen die Gabe und das Interesse, Neues auszuprobieren. Natürlich sitzen wir auch mit Strategen zusammen und analysieren Lebens-zyklen, schauen, wo sind gerade die Megatrends?

Stefan Pollmann: Wir beobachten laufend die Entwicklung bei den Stückzahlen und die Nominierungen, um vorhersagen zu können, wann ein Produkt vom „rising star“ zum „poor dog“ wird.

Was sind denn die für Sie momentan interessantesten Entwicklungen am Auto-Sektor?

Stefan Pollmann: Assistenzsysteme sind zusätzlich zur E-Mobilität sicherlich sehr interessant. Dieses Thema ist zwar sehr softwaregetrieben, für uns interessant sind jedoch die Orte im Auto, wo die Umsetzung auf die Hardware passiert. Bei diesen Bau-gruppen ist sicherlich für uns Platz. Nicht vergessen dürfen wir aber auch bestehende Produkte, die noch weiterentwickelt oder sogar revolutioniert werden können, etwa was die Fertigung dieser Teile betrifft. Man denke in Richtung Kreislaufwirtschaft, Reduktion von Materialeinsatz, Nachhaltigkeit, dorthin muss man den Fokus legen.

Robert Pollmann: Nachhaltigkeit wird überhaupt immer wichtiger. Das Auto muss grüner werden, ohne teurer zu werden. Beispiel: Beim Kunststoff kann man durch Schäumen leichtere Teile erzielen und dadurch leichter und effizienter werden. Nachhaltigkeit ist auch wichtig, damit man als Firma für junge Leute attraktiv bleibt. Bei der Batterie für E-Autos haben wir für den Moment die strategische Entscheidung getroffen, dass wir das nicht angreifen, sondern eher in Richtung Motor, Umformer und Wechselrichter blicken. Im Bereich Akkumodul haben wir schon Lösungen entwickelt und wollen diese Ergebnisse bei Heimspeichern wieder aufgreifen, aber beim E-Autoakku sind derzeit Player mit so „tiefen Taschen“ aktiv, dass wir da nicht mitkommen würden.

Ist für Sie vorstellbar, dass Pollmann eines Tages nicht mehr in der Auto-Zuliefererbranche tätig ist, sondern in einem ganz anderen Bereich?

Robert Pollmann: Die Pollmann-Tochter Maxxom Automation GmbH, in der Stefan jetzt Geschäftsführer ist, setzt einen Schritt in diese Richtung. Maxxom bietet Automationslösungen für die Industrie an. Zusätzlich findet auch die Pollmann-Entwicklungskompetenz bereits in Non-Automotive-Branchen Anwendung. Für dieses Geschäftsfeld haben wir einen eigenen Vertriebsmann. Wir haben uns gefragt, was ist das Megathema der Zukunft? Antwort: Energie speichern. Wir haben genug grüne Energie, aber wie speichern wir die? Das werden wir uns in Zukunft genauer anschauen und haben bereits zwei Eisen im Feuer, zum Beispiel Redox-flow-Speicher.

Stefan Pollmann: Dass in den nächsten 20 Jahren das Thema Automotive bei Pollmann verschwindet, glaube ich nicht, vor allem, weil wir gerade an so interessanten, richtungsweisenden neuen Themen dran sind. Vielleicht in 50 Jahren, aber diese Brücke überqueren wir, wenn wir sie erreichen.

Es wurde zuletzt wieder viel über die De-Industrialisierung Europas geredet. Hat die Industrie in Europa noch Zukunft?

Stefan Pollmann: Wir sind schon sehr stark reguliert, der bürokratische Aufwand ist immens. Reine Produktionsstandorte haben es immer schwerer, auch Themen wie Schichtarbeit sind problematisch. Hochautomatisierung ist ein möglicher Ausweg.

Robert Pollmann: Ich sehe gerade den Stellenwert der Industrie in Deutschland sehr kritisch, und wenn die deutsche Lokomotive einmal nicht mehr zieht, wird’s schwierig. Es sind aber in den letzten Jahren auch einige Dinge passiert, die nicht vorstellbar waren, also bin ich mit Untergangsprognosen vorsichtig. Die Welt ist immer schon untergegangen, und sie hat sich trotzdem immer weiterentwickelt. 


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