Die Reifenbranche ist vergleichsweise gut durch die Krisen der vergangenen Jahre gekommen. So hat man zuerst die Pandemie mit einem blauen Augeüberstanden. Abgesehen vom ersten Lockdown durften die Betriebe öffnen, die Kilometerleistung ist bald wieder gestiegen, und die individuelle Mobilität hat sogar an Bedeutung gewonnen. Die darauffolgende Logistik-Krise hat zwar Einschränkungen in der Verfügbarkeit gebracht, das Geschäft aber nicht beeinträchtigt und die Preise stabilisiert.
Die großen Auswirkungen kommen nun von der dritten Krise, der Preiskrise. Dabei hat die Preissteigerung schon zuvor begonnen: Logistikprobleme und Rohstoffmangel sowie die Zunahme bei den Reifengrößen haben die Preise deutlich erhöht. Nun hat sich noch die Inflation als massiver Kostentreiber in allenBereich dazugesellt: Weitere Preissteigerungen bei allen Produkten, nicht nur bei den Reifen, höhere Energiepreise und nun höhere Lohnkosten haben entsprechende Preiserhöhungen bei den Reifen- Unternehmen erforderlich gemacht.
Damit sind die Umsätze in den Reifenfachbetrieben zuletzt ordentlich gestiegen. "Bei diesen Umsatzsteigerungen ist aber oft noch kein Euro für den Händler dabei", bringt es Michael Peschek-Tomasi, MiB, Geschäftsführer von point-S, auf den Punkt. Die Erträge sind jedenfalls nicht im selben Ausmaß gestiegen. Zwar sieht es in absoluten Zahlen gut oder sogar besser als in den Vorjahren aus, die Umsatzrendite, der Gewinn in Relation zum Umsatz, ist aber meist gesunken. "Die Eigenkapitalquote als wichtige Kennzahl für Banken und für die Bonität sinkt", weiß Peschek-Tomasi.
Lagerumfang und -finanzierung
Das ist zwar grundsätzlich noch nicht besorgniserregend, führt aber in Verbindung mit hohen Reifenpreisen doch zu Schwierigkeiten. Wie erwähnt, sind sowohl die Einzelpreise der Pneus als auch die Reifengrößen deutlich gestiegen. Die Betriebe haben damit nicht nur zu wenig Platz im Lager, sondern auch zu wenig Platz im Finanzierungsrahmen. Der gleiche Kreditrahmen ermöglicht deutlich weniger Einlagerungsmöglichkeiten: Je nach Geschäftsausrichtung sprechen wir hier von 30 bis 40 Prozent. Sind dann noch einige (teure) Reifen aus dem vergangenen Jahr liegen geblieben, wird es mit der Finanzierung der nächsten Einlagerung schon schwierig. Und hier schließt sich der Teufelskreis: Bei den Gesprächen mit den ohnehin rechtlich immer stärker eingeschränkten Banken werden Ausweitungen -mit Verweis auf die rückläufige Eigenkapitalquote und Umsatzrendite - verwehrt. Für die Bank steht der Betrieb trotzUmsatzsteigerung betriebswirtschaftlich schlechter da. Das gilt übrigens auch für die Finanzierungen durch die Reifenhersteller und Großhändler, wo entweder die Finanzabteilung die Zukaufsmengen einschränkt oder die Kreditausfallversicherung teurer wird.
Dienstleistung verrechnen
Die Entwicklung hat dabei ein Grundproblem der Reifenfachbetriebe weiter verschärft. Schon vor den Krisen wurden die Dienstleistungen meist nicht im notwendigen Maß verrechnet, man hat sich vielmehr auf den Ertrag durch den Reifenverkauf verlassen. Nun müsste man die Dienstleistungspreise inflationsbedingt erhöhen UND noch den ewigen Rückstand aufholen. Das trauen sich viele Betriebe nicht zu. Und in einer wirtschaftlich heiklen Situation, in der viele Kunden ohnehin finanziell angespannt sind, ist es tatsächlich schwierig. Eine Prognose für das Reifengeschäft der nächsten Jahre abzugeben ist schwierig: Grundsätzlich sind die Kunden durch Dimensionswachstum undPreiserhöhungen gleich doppelt mit höheren Kosten bei den Reifen konfrontiert. Gleichzeitig herrscht eine wirtschaftliche Unsicherheit bei den Konsumenten. Österreich ist mit über 60 Prozent ein traditionell starkes Premiumreifen-Land, hier wird es sicher zu leichten Rückgängen und einem Wechsel ins Quality-Segment kommen. Eine großer Wandel hin zu billigeren Reifen ist aber nicht zu erwarten.
Preiserhöhung nötig
Die Weitergabe der Kostenerhöhungen im entsprechenden Ausmaß ist in jedem Fall weiterhin nötig, sowohl bei den Reifen als auch bei den Dienstleistungen. Andernfalls kommt das Unternehmen in eine Negativspirale in den Ertragskennzahlen (und in weiterer Folge bei den tatsächlich notwendigen Erträgen). Neben starken Partnernund Lieferanten ist ein ausreichend großer Spielraum im Einkaufsund Einlagerungs-Rahmen in dynamischen Zeiten wichtiger denn je: um dem Kunden die nötige Auswahl in der wachsenden Angebotsvielfalt zu bieten und um in der dynamischen Preissituation flexibel agieren zu können.