Seit Beginn der Corona-Pandemie hat das Gebrauchtwagengeschäft stark angezogen. Nach Höhenflügen in den Jahren 2020 und 2021 musste im Vorjahr jedoch ein Dämpfer bei den GW-Zulassungen hingenommen werden, das Preisniveau blieb allerdings hoch. Generell hat der Gebrauchtwagen-Markt auch 2022 weiter an Bedeutung gewonnen – vor allem aufgrund der nach wie vor aufrechten Lieferverzöge-rungen bei Neuwagen. Diese Situation hat sich in den vergangenen Monaten aber verbessert, es werden wieder mehr Neuwagen produziert. „Wenn dieser Indikator weiter auf den Markt wirkt, ist davon auszugehen, dass sich auch die Gebrauchtwagenpreise sowie die Haltedauer von Fahrzeugen sukzessive stabilieren werden“, betont Marcus Kraushofer, Verkaufsleitung Motornetzwerk bei willhaben. Für Nikolaus Menches, Geschäftsführer von AutoScout24 Österreich, stehen die Zeichen „wieder auf Erholung“. Seit Oktober 2022 zeige sich eine steigende Tendenz und ein erhöhtes Angebot am Markt. „Die Händler sollten sich nun rasch um die professionelle Vermarktung kümmern – nicht zuletzt, damit nicht zu hohe -Lagerkosten anfallen“, rät Menches.
Weiterhin hohe Nachfrage
Eine starke Nachfrage ortet nach wie vor René -Buzek, Managing Director bei Autorola Österreich, allein die Fahrzeuge würden fehlen. „Das Angebot ist eher rar“, so Buzek. Aktuell werden rund 18 Prozent weniger Fahrzeuge als vor Beginn der Corona-Beginn im Februar 2020 angeboten, weiß Robert Madas, Regional Head of Valuations Austria, Poland, Switzerland bei Eurotax. Auch beim Angebot zeigen sich deutliche Unterschiede, so sind vor allem junge Fahrzeuge bis zwei Jahre Mangelware, auch Fahrzeuge ab 6 Jahren sind noch unterdurchschnittlich repräsentiert. „Bei den Altersklassen dazwischen gab es in den vergangenen Monaten eine deutliche Erholung, und das Niveau von Anfang 2022 wurde mittlerweile wieder erreicht“, so Madas. Beim Preisniveau sieht etwa Dipl-Ing. Renato Eggner, Geschäftsführer Raiffeisen-Leasing Fuhrparkmanagement, „den Zenit überschritten“.
Vielerorts wird Normalisierung geortet
Vom sehr hohen Preisniveau zu Beginn 2022 sei man wieder weit entfernt. „Die Liefersituation bei Neuwagen wird sich normalisieren, noch kann aber nicht beantwortet werden, welches Preisniveau sich bei Gebrauchtwagen einstellen wird“, so Eggner, für dessen Unternehmen die Gebrauchtwagenpreise essenziell für die Restwertermittlung von Fahrzeugen ist. Laut Michael Schwaiger, Chief Commercial Officer Santander Consumer Bank, wird bei der Preisentwicklung am Gebrauchtwagen-Markt „eine Stabilisierungsphase eintreten. Große preisliche Sprünge nach oben sind nicht mehr zu erwarten“. Vielmehr rechnet er für 2023 mit einem sinkenden Preisniveau. Ähnlich sieht das Nikolaus Menches: „Nachdem sich nun das Angebot wieder einpendelt, gehen wir davon aus, dass die Preise im Sinne von Angebot und Nachfrage nachziehen werden und die Zeit der großen Preissprünge vorerst wieder vorbei ist.“ Mit einer Normalisierung der Preise und einer schrittweisen Annäherung auf das Niveau vor der Corona-Krise rechnet ebenso willhaben-Experte Marcus Kraushofer. Rückgänge bei der Preislage ortet René Buzek von Autorola vorrangig bei den Elektroautos (BEV) und Fahrzeugen mit Hybrid-antrieb – das sei besonders in den Monaten Dezember 2022 und Jänner 2023 zutage getreten.
Dieser Einschätzung schließt sich Eurotax-Analyst Robert Madas an: „Seit dem 4. Quartal 2022 verzeichnen wir einen leichten Rückgang der Angebotspreise um circa 1 Prozent.“
Stabiler Ausblick auf 2023
Was 2023 anbelangt, erwarten die Experten vor allem eines – Stabilität. „Ich gehe davon aus, dass sich nicht -großartig viel verändern wird“, meint et-wa René -Buzek. Und in diesen Kanon stimmt auch Michael Schwaiger mit ein: „Im Gebraucht-wagen-Bereich erwarten wir uns ähnliche Absatzzahlen wie im Jahr 2022.“ Durch die nach wie vor hohe Inflation könnten Kunden vermehrt den Sparstift ansetzen und zu günstigen Gebrauchtwagen greifen. „2023 wird für den Markt ein durchaus dynamisches“, prognostiziert Marcus Kraushofer. Getrieben von der Angebotspreissituation könnte „die Digitalisierung im Autohandel große Sprünge machen“. Die Qualität der virtuellen Fahrzeugpräsentation, Serviceleistungen sowie Finanzierungs- und Abo-Modelle würden immer wichtiger. „Der Gebrauchtwagen-Markt wird sich langsam, aber sicher wieder dem Vor-Corona-Niveau annähern“, schätzt Renato Eggner. Einen Druck auf Angebotspreise und damit auf die Restwerte erwartet Robert Madas: „Die Restwerte von 3 Jahre alten Gebrauchtwagen werden relativ hoch bleiben, allerdings mit leicht sinkender Tendenz.“ Ende 2023 würden diese um 3 Prozent niedriger als im Dezember 2022 ausfallen, und 2024 um weitere 3,5 Prozent im Jahresvergleich sinken, schätzt man bei der Eurotax.
Der Start ins Jahr 2023 werde zwar verhalten ausfallen, sobald aber die wirtschaftlichen Zeichen auf Erholung stünden, „wird der Automarkt wieder stärker anziehen“, schätzt Nikolaus Menches. Den E-Autos komme hier eine besonders wichtige Rolle zu, denn die Nachfrage nach gebrauchten BEV hätte im Vorjahr bereits europaweit um 59 Prozent und in -Österreich um 30 Prozent angezogen
Wie reagiert der Konsument?
Über allen diesen Einschätzungen schweben aber die generell schwierigen Zukunftsaussichten. Die von den hohen Energiepreisen getriebene Inflation lässt die Konsumenten vorsichtiger agieren. Auch das steigende Zinsniveau und striktere Regeln bei der Kreditvergabe dämpfen die Investitionsfreude.
Alle diese Vorzeichen können den Optimismus in der Branche aber schwächen. Kunden könnten aufgrund von Realeinkommensverlusten vermehrt zu einem Gebrauchtwagen greifen oder eine nicht dringend benötigte Neuanschaffung überhaupt verschieben. „Der Gebrauchtwagen bleibt dennoch einer der wichtigsten Bestandteile und wird auch 2023 weiter boomen“, ist sich René Buzek sicher.