Wie das Glaubensbekenntnis in der Kirche, kommt in jeder Debatte um E-Mobilität und Energiewende irgendwann das vermeintlich unumstößliche Faktum zur Sprache, dass Europe nun einmal von Energieimporten abhängig sei und dies auch bleiben müsse.
Waren es früher die Ölstaaten, denen wir uns auf Gedeih und Verderb ausgeliefert haben (und bis heute ausliefern), werden es morgen die Produzenten von grünem Wasserstoff und seinen sagenhaften Folgeprodukten sein.
Ohne hier "Strom" und "Energie" in einen Topf werfen zu wollen: Ich bestreite diese behaupteten Fakten. Wenn ich mir Europa auf einer Landkarte anschaue mit seinen ca. 90.000 Kilometern Küstenlinie, frage ich mich: Wie viele Terawattstunden aus Gezeiten-und Offshore-Windkraft liegen da eigentlich brach? Oder auf den Dächern in unseren Städten, auf denen in puncto Photovoltaik leider nach wie vor gähnende Leere herrscht?
Großbritannien macht vor, wie es gehen kann: Dank umfassender Investitionen in Offshore-Windkraft und – ja, in England! – Sonnenstrom wurde das Land vom Stromimporteur im abgelaufenen Jahr 2022 zum Nettostromexporteur. 27 Prozent des britischen Stroms kommen mittlerweile aus Windkraft.
Durch die Energiewende und die nötige Abkehr von Öl und Gas entsteht die Chance, ein neues Kapitel aufzublättern. Mit der Elektrifizierung der Mobilität wird ein großer, energiehungriger Lebensbereich von fossilen Treibstoffen unabhängig. Ob wir dafür in Europa auch genug grünen Strom – man spricht von einem Mehrbedarf von 15 %, wenn jeder Kilometer elektrisch gefahren wird – produzieren können, kommt auf einen Versuch an, der sich lohnen würde.
Dieses Mehr an Unabhängigkeit braucht aber Investitionen: In alternative Energien, zukunftsfähige Stromnetze und innovative Speichermöglichkeiten. Unternehmer, die sich engagieren, und Technologien, die uns weiterbringen (z. B. Vehicle-to-Grid), brauchen die volle Unterstützung der Entscheidungsträger.
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