Was ist der große Unterschied zwischen Vertragshändler und Agent?
• Der Vertragshändler kauft selbst Fahrzeuge und verkauft sie auf eigene Rechnung an Endkunden, er lebt von der Gewinnspanne.
• Der Agent verkauft Fahrzeuge auf fremde Rechnung: Den Verkaufspreis bekommt der Importeur, der Agent erhält eine Provision.
Der Agent ist entweder Handelsvertreter oder Kommissionsagent. Der Handelsvertreter verkauft im fremden Namen, und zwar im Namen des Importeurs, er wird nicht Vertragspartei des Neuwagenkaufvertrages. Hingegen verkauft der Kommissionsagent zwar auf Rechnung des Importeurs, aber im eigenen Namen: Im Verhältnis zum Endkunden ist der Kommissionsagent also sehr wohl der Verkäufer des Neuwagens, nur im Innenverhältnis zum ­Importeur nicht.
Und was ist jetzt besser für den Importeur? Ein Händlernetz oder ein Agentursystem? Und was ist besser für den Vertriebspartner, ein Händlervertrag oder ein Agenturvertrag?
Das ist eine schwierige Frage.

Auf Kosten der Vertriebspartner?
Betroffene Importeure und Hersteller nennen zahlreiche Gründe, weshalb sie den Neuwagenvertrieb nicht mehr über unabhängige Vertragshändler, sondern über ein Agentursystem abwickeln möchten. Manche dieser Gründe sind wirtschaftlicher Natur, diese können hier dahinstehen. Aber oft folgt dann der Vorwurf, diese wirtschaftlichen Gründe seien nur vorgeschoben, in Wahrheit gehe es den Importeuren doch um Rechtliches, und zwar auf Kosten der Händler. Kann das stimmen? Bringt ein Agentursystem den Importeuren rechtlich mehr Vorteile als ein Händlersystem, und das auf Kosten der ­Vertriebspartner?
So einfach ist das nicht: Vorteile und Nachteile eines Agentursystems hängen davon ab, wie es ausgestaltet wird. Und in aller Regel müssen die ­Importeure Nachteile in Kauf nehmen, um die angestrebten Vorteile überhaupt erst zu erreichen. Betrachten wir das näher anhand des so zentralen Aspekts der ­Endverbraucherpreise.

Rabattschlacht ade?
Den Endverbraucherpreis für ein Neufahrzeug kann der Importeur im Agenturvertrieb selbstverständlich allein festlegen. Schließlich ist es sein Geschäft, der Importeur verkauft das Fahrzeug an den Endkunden und erhält den Kaufpreis. Aber was ist, wenn der Agent dem Endkunden einen Teil der Provision schenkt? Quasi als Lohn dafür, dass der Kunde bei ihm bestellt hat (und nicht bei einem der zahlreichen anderen Agenten oder direkt beim Hersteller). Wo liegt dann noch der Unterschied zur altbekannten Rabattschlacht der Vertragshändler?
Nun, der Unterschied ist der folgende: Im Agenturvertrieb darf der Importeur diese Praxis unter Umständen abstellen. Denn im echten Agenturvertrieb (zu „echt“ und „unecht“ gleich unten) kann der Importeur nach überwiegender Auffassung das Gewähren von Kickback-Vorteilen verbieten, er kann also den Agenten untersagen, ihre Provision mit dem Endkunden „zu teilen“. Das Ergebnis ist der einheitliche Neuwagenpreis.
Der von der Europäischen Kommission sonst so vehement verteidigte Intrabrand-Wettbewerb – das ist der markeninterne Wettbewerb zwischen Händlern derselben Marke – wäre damit Geschichte. Es gäbe keine Rabattschlachten mehr. Darüber freuen sich womöglich nicht nur die Importeure, sondern auch ihre Vertriebspartner.
Und die Endkunden? Höhere Endverbraucherpreise erscheinen möglich. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht wäre das aber nur die logische Konsequenz dessen, dass der Importeur die Neufahrzeuge dann in ganz Österreich selbst verkauft. Weshalb sollte ein und derselbe Verkäufer nicht auch ein und denselben Preis verlangen, unabhängig davon, wer den Käufer vermittelt hat?

Alle Risiken und Kosten abnehmen?
Das gilt aber nur für den echten Agenturvertrieb. Im unechten Agenturvertrieb wäre ein Verbot, die Provision an den Kunden weiterzugeben, kartellrechtswidrig. Echt ist ein Agenturvertrieb – vereinfacht dargestellt – nur dann, wenn der Importeur seinen Absatzmittlern praktisch sämtliche produkt- und marktspezifischen Risiken und Kosten abnimmt oder abgilt (die sie als Vertragshändler noch zu ­tragen hatten).
Etwa dürfen dem Agenten aus der Lagerung und dem Transport der Neufahrzeuge, aus verpflichtenden Werbekampagnen, aus der vorgeschriebenen CI, aus der erforderlichen Software oder aus Verkaufsschulungen keine Risiken und keine Kosten entstehen. Nur dadurch kommt der Importeur in den Genuss des kartellrechtlichen „Handelsvertreterprivilegs“: Der Agent wird im Bereich der Endkundenverträge behandelt wie ein Angestellter. Den einheitlichen Endverbraucherpreis muss sich der Importeur also verdienen.
Was die Importeure in diesem Zusammenhang bewältigen werden müssen, ist das hohe Maß an Rechtsunsicherheit. Europäischer Gerichtshof und EU-Kommission sind bei der Frage, bis zu welchem Punkt ein Agentursystem noch „echt“ ist, nicht auf einer Linie. Für die Frage, ob die Weitergabe der Provision untersagt werden darf, ist diese Frage aber ganz entscheidend. •

* Die Autoren sind Rechtsanwälte der Schneider & Schneider Rechtsanwalts GmbH in Wien, die in Händlerstreitigkeiten regelmäßig auf Seite der Importeure berät und vertritt.