Ursprünglich hatte ich vor, meine Leser an dieser Stelle über branchenrelevante Neuerungen aus Brüssel zu informieren. Allerdings lassen sich die nunmehr vorliegenden 14 Seiten der neuen sogenannten „Schirm-GVO“ mit ihren über hundert Seiten Erläuterungen kaum auf einer Seite kommentieren. Deshalb habe ich mich entschlossen, Ihnen die derzeitige Wirtschaftssituation mit der Brille eines Politikberaters zu erläutern.
Wie sollte etwa die grüne Außenministerin Baerbock den Deutschen ihr neues Politdogma verkaufen? Ganz einfach: Der Ukraine-Überfall erfordert aus Solidarität ein Energieembargo. Weniger Energie – das beschleunigt die Energiewende! Im Sinne einer Verantwortung für das Gesamtwohl der Welt müssen wir daher den Krieg mit Russland mit schweren Waffen weiter befeuern. Damit können wir – dank des Krieges und des Embargos – zur Rettung des Weltklimas beitragen.
Wie erkläre ich meinen Wählern die Gas-Krise und den Strompreis-Schock, wie die durch das Embargo steigenden Preise für Heizung und Mobilität? Schuld sind jene ewiggestrigen Konsumenten, die sich für dieses Embargo nicht erwärmen wollen. Welche die ferne Gefahr einer Erdüberhitzung weniger fürchten als die nahe Gefahr einer kalten, unbeheizten Stube. Die mit ihrem alten Stinker weiter in die Arbeit fahren, weil sie sich noch kein neues E-Auto gekauft haben. Die dadurch weiterhin fossile Ressourcen verschwenden.
Schuld hat natürlich auch die Autoindustrie, weil sie keine billigeren E-Autos baut, stattdessen Milliardengewinne scheffelt. Damit untergräbt sie die mit dem Öl- und Gasembargo angestrebte Energiewende – zwingt uns weiterhin zu teuren Importen aus Russland. Das ermögliche dem neuen Zaren, den Krieg weiter zu finanzieren.
Was machen wir mit all denen, die nicht für schwere Waffen sind? Die erklären wir zu unverantwortlichen Schürern sinnloser Ängste. Rückständige Pazifisten, Putin-Versteher! Die sollten endlich zur Kenntnis nehmen, dass es sich bei dieser inflationären Entwicklung laut EZB nur um „kurzzeitige Phänomene“ handelt.
Angesichts des nahenden Wohlstandsverlustes empfehle ich als Politikberater (und routinierter Reden-Schreiber) meinen zahlenden Klienten: Wir müssen den neuen Umständen mit klarem Blick ins Auge sehen. Uns von herkömmlichen Denkschemata verabschieden. Wir werden Maßnahmen setzen, die mittel- und langfristige Effekte haben. Dann können wir gemeinsam die Zukunft meistern. Das klingt doch super! Solche Worte signalisieren Dynamik, erzeugen Zustimmung!
Natürlich kann ich meiner Kundschaft noch eine Menge alternativer Erläuterungen und Prognosen anbieten. Auch mit Versprechungen und Ankündigungen brauche ich nicht zu geizen. Das kommt ganz darauf an, aus welcher politischen oder geopolitischen Ecke ich dazu den Auftrag bekomme. Als Politikberater bin ich da so situationselastisch wie ein Aufsichtsrat der Gazprom; oder wie Hunter Biden, der Sohn des US-Präsidenten bei seinen Gasgeschäften in der Ukraine. Denn ich weiß: Applaudieren werden all jene, die massive staatliche Unterstützungen erhalten.
Das kostet natürlich Geld. Irgendjemand wird das bezahlen müssen. Denn der Staat selbst hat kein Geld – er verwaltet nur das seiner Steuerzahler. Oder er verteilt es, auch wenn keines mehr da ist. Aber dafür haben wir die EZB, die stets neues Geld aus dem Hut zaubert. Etwa zur Finanzierung eines Ukraine-Wiederaufbaufonds, mit dessen Milliarden oder Billionen dann jene Schäden behoben werden, die dank schwerer Waffen Tag für Tag größer und um ein paar Milliarden teurer werden.
Meutern werden all jene, die bei der Finanzierung dieser Strategie auf der Strecke bleiben. Ich weiß: Das könnten natürlich auch Sie sein! Sie werden noch zahlen, wenn die dafür Verantwortlichen längst in der Rente sind. Aber das muss ich als Politikberater niemandem auf die Nase binden!