Nahezu 35 Jahre schreiberische Präsenz in der Automobilwirtschaft mach( t) en mich demütig gegenüber den Fakten, die ich selbst fand, aber auch skeptisch gegenüber den Fakten, die ich von anderswo zugerufen bekam. Während dieser Zeit rumorte es immer wieder in der Branche. Ja ich durfte mich der Wahrheit annähern -und wie. Vor allem das Wann ist dabei die große Frage.

Wäre es vor 35 Jahren nach dem Willen mancher Funktionäre in der Wirtschaft gegangen, gäbe es heute keine AUTO-Information und keine A&W. Und den Lustig in dieser Funktion schon gar nicht. Dass wir das erleben können, verdanken wir Eurotax- Herausgeber und Verleger Helmuth H. Lederer.

Zur Wahrheit gewandt
Lederer gab immer gedanklich die Richtung vor, z. B. für Informationsgerechtigkeit in der Automobilwirtschaft zu sorgen. Dazu hatte er bereits 1969 die AUTO-Information geschaffen, mit Georg "Schurl" Auer als Edelfeder, wer seinen wöchentlichen "Spectator" noch in Erinnerung hat. Was Lederer fehlte, war ein Fachmagazin mit direktem Zugang zur relativen Wahrheit im Verhältnis Hersteller, Importeur, Handel und Dienstleister. Helmut Rockenbauer und Anwalt Fritz Knöbl hatten sich mit ihrer damaligen A&W offenbar diesen Richtlinien bereits verschrieben. Schon in den ersten Jahren erschienen zum Leidwesen etablierter Macher des Fahrzeughandels bestens recherchierte Artikel. Das journalistische Auge zur Wahrheit gewandt, betrat ich Ende der 1980er-Jahre die Zeitschriftenlandschaft. Indes musste Lederers Informationssolist Auer unabwendbar seinem Alter Tribut zollen. Sein investigativ verortetes Beiwagerl Gerhard Hertenberger war hauptberuflich an die Wiener Tageszeitung "Der Standard" gebunden, und somit war mein Weg hin zu Lederers Medienwelt geebnet.

Die damals etablierte Kammerzeitung "Kfz-Wirtschaft" war in ihrem Erscheinungsbild linientreu, kammerfreundlich. Also gründete Lederer gemeinsam mit Bertelsmann unter Federführung von ORF-Journalist und Fachbuchautor Franz Robert Billisich die "AutoService", und plötzlich war Leben in der heimischen Fachmedienszene. Billisichs plötzlicher Tod mischte jedoch die Karten wieder neu, und ich bekam meine nächste Chance.

Stimmt's oder stimmt's nicht? 
Mit einer Mischung aus Geschäfts-und Schreiblust, gepaart mit einer Portion Chuzpe, prägte sich die charakteristische Beigabe "Lustig. Lästig. Listig" in der Branche ein. Wohl meine verwegene Übersetzung journalistisch interpretierbarer Wahrheit. Lederer war das recht. Seine Definition von Wahrheitsfindung war so einfach wie genial: Stimmt es oder nicht! Daran zerbrach jeder interessenorientierte Versuch, wahrheitsgetreue Berichterstattung zu unterlaufen. Nach dem Verkauf von Lederers Lebenswerk, der Eurotax Fahrzeugbewertung zur Jahrtausendwende, befanden sich plötzlich der wöchentliche INFO- Dienst und das Monatsmagazin AutoService in fremden Händen. Die neuen Eigentümer wussten mit diesem komplexen Insiderjournalismus wenig anzufangen. Ich bekam von Lederer ein Startkapital, und mit dem Erwerb aller Verlagsrechte von Familie Rockenbauer stampfte ich mit den damals besten zurVerfügung gestandenen Leuten die "A&W neu" aus dem Boden. Mit für manche fast schon brutal offener Berichterstattung machte der A&W Verlag weitüber die Grenzen Furore. In der Schweiz ging das Konzept ebenso rasch auf. Zu insistieren war Redaktionsprogramm. Die Hinzunahme der Autobild-Rechte in Österreich und in der Schweiz öffnete Fenster in die B2C-Welt, aber auch Spezialmagazine wie FLOTTE&Wirtschaft, electric wow etc. weiteten den Aktionsradius aus.

Das abrupte Ableben von Helmuth H. Lederer während des Genfer Automobilsalons 2014 war seinem Team Auftrag, noch engagierter weiterzumachen. Online-Plattformen schlugen Türen zu neuen Geschäftsmodellen auf und schufen so mehr Unabhängigkeit von äußeren Einflüssen. Was 2008 die Finanzkrise war, ist aktuell die Corona-Pandemie und der politische Gegenwind gegenüber der Automobilität. Die individuelle Mobilität genießt die Anerkennung in der Bevölkerung. In diesem volatilen Szenario ist das meinungsstarke A&W-Team zum wichtigen Bestandteil der Automobilwirtschaft geworden.

Keine Angst vor der Wahrheit
Darin eine Wahrheit zu erkennen ist schwierig. Ich habe mich dieser immer nur annähern können. Angst vor der Wahrheit hatte und habe ich nicht, auch wenn diese in der Gesellschaft und in der Politik heiß umkämpft ist. Wahrheitsstreben ist von Wünschbarkeiten gekennzeichnet, und die habe ich im Alltag oft zu spüren bekommen. Meine Biografie verlief in der Frage der Wahrheitmeist unter dem Betrachtungswinkel, wie sie sein sollte, und nicht, wie sie ist. Und wenn ich vom Gegenteil überzeugt wurde, habe ich die Meinung auch geändert. Auch wenn ich an die Wahrheit nie ganz hergekommen bin, was im Übrigen auch den ganz großen Schreibern dieser Welt kaum gelungen ist,so durfte man beim A&W-Macher trotzdem das Gefühl gehabt haben, solchen Momenten nachgespürt zu haben. Von Stefan Binder, der meinem Tun im Verlag Jahrzehnte "ausgeliefert" gewesen ist, und seinem daraus geformten schlagkräftigen Team sind von mir die Weichen für eine authentische Berichterstattung des familiengeführten Verlages gestellt worden. Die Informationsgerechtigkeit fortzuführen ist nunmehr die Aufgabe meiner Nachfolger und Nachfolgerinnen. Das ist wahr! 45