A&W: Warum finden sich in modernen E-Fahrzeugen wieder vermehrt Trommelbremsen?
Vincenzo Di Caro: Elektroautos nutzen zum Bremsen häufiger ihren E-Motor als Generator (Rekuperation), sodass die Radbremsen seltener zum Einsatz kommen und anfälliger für Rost sind. Aus diesem Grund setzt beispielsweise Volkswagen beim ID.3 und ID.4 an der Hinterachse auf die Trommelbremse, die übrigens ab Werk mit unseren Reibbelägen bestückt werden. Sie ist nicht nur kostengünstiger als die Scheibenbremse, sondern die Kapselung bietet besseren Schutz vor Umwelteinflüssen und hält Bremsstaub-Emissionen zurück. Weitere Pluspunkte sind niedrigeres Gewicht und geringere Restreibmomente. Dadurch wird der Rollwiderstand weiter vermindert, was sich positiv auf die Reichweite auswirkt.
Ist der Trend zur Scheibenbremse auch bei kleineren Fahrzeugen jetzt vorbei?
Di Caro: Vorbei nicht, aber es ist eine Trendwende. Trommelbremsen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten in vielen Fahrzeuganwendungen bewährt. Trotzdem gab es in den letzten Jahren einen Trend zu Scheibenbremsen, auch bei Kompaktfahrzeugen. Doch die Trommelbremse kommt zurück, insbesondere in der Mittelklasse. Wir gehen davon aus, dass weitere Hersteller dem Beispiel von Volkswagen folgen werden, da für E-Autos aufgrund der Rekuperation und der begrenzten Höchstgeschwindigkeit die niedrigere thermische Belastbarkeit eher eine untergeordnete Rolle spielt.
Ist die Trommelbremse auch bei hochmotorisierten und schwereren Fahrzeugen denkbar?
Di Caro: Wir sind überzeugt, dass die Trommelbremse auch bei größeren und schwereren Fahrzeugen, also nicht nur in der Kompaktklasse, in Verbindung mit der Generatorbremse eingesetzt werden kann. Denn die Trommelbremse liefert durchaus gute Verzögerungswerte – eine angemessene Dimensionierung vorausgesetzt. Ihr Nachteil liegt in der Hitzeabführung. Daher wird sie für starkmotorisierte E-Modelle, die durch die größeren Batterien auch ein höheres Gewicht haben – wie der Porsche Taycan – keine Alternative sein.
Wie sieht die Lebensdauer der Trommelbremse im Vergleich zur Scheibenbremse aus?
Di Caro: Die Trommelbremsen, die im VW ID.3 und ID.4 in Serie verbaut werden, sind dank neuer Materialien prinzipiell auf die Lebensdauer des Fahrzeugs ausgelegt. Möglicherweise ist zukünftig nicht mehr der Verschleiß, sondern das Alter der Bremsenkomponenten entscheidend für einen Austausch. Im Prinzip stehen die gleichen Wartungsarbeiten an wie bisher auch. Im Rahmen dieser sollte der Bremsstaub, der sich in der Trommelbremse sammelt, fachgerecht entfernt und umweltgerecht entsorgt werden.