Während die für den Kfz-Handel relevante Vertikal-GVO Nr. 330/2010 bereits im Jahr 2022 ausläuft, steht die Kfz-GVO Nr. 461/2010 noch bis 31. Mai 2023 in Geltung. Der Bewertungsbericht der Europäischen Kommission liegt seit dem 28. Mai 2021 vor und auch wenn der Bericht darauf besteht, der Entscheidung der Kommission in keiner Weise vorzugreifen, so lässt sich doch erkennen, dass man die gesetzten Ziele weitestgehend als erreicht sieht und die Notwendigkeit der Regelung grundsätzlich anerkennt. Im Ergebnis ist aktuell daher davon auszugehen, dass einer Verlängerung der Kfz-GVO über Mai2023 hinaus nichts im Wege stehen sollte.

Probleme bei technischen Informationen

Im Lichte der nationalen Rechtsprechung im Kartell-und Wettbewerbsrecht sind jedoch an so manch positiver Bewertung zumindest leise Zweifel angebracht. So führt die immer stärker werdende Technologisierung von Kraftfahrzeugen zweifelsfrei dazu, dass unabhängige Werkstätten im Wettbewerb mit Vertragswerkstätten gerade hinsichtlich technischer Informationen immer mehr ins Hintertreffen geraten. Die Kommission gesteht in diesem Bereich Schwierigkeiten, rechtzeitig Zugang zu den Vorleistungen für Instandhaltung und Wartung zu erhalten, sogar zu und meint, dass bei allem steigenden technischen Anspruch nicht ausgeschlossen werden kann, dass einige der Schwierigkeiten auf Beschränkungen auf dem Markt zurückzuführen sind.

Weiterhin qualitative Kriterien

Hinsichtlich des Wettbewerbs innerhalb des Netzes einer Marke erachtet die Kommission eine bloß qualitative und nicht quantitative Selektion weiterhin - und meines Erachtens zurecht -als das Maß aller Dinge. Erfüllt eine Werkstätte somit die selektiven Kriterien, ist mit ihr im Regelfall daher auf Verlangen auch ein Servicepartnervertrag abzuschließen. Da trotz dieser Systematik die Zahl der zugelassenen Werkstätten europaweit rückläufig war, bleibt auch dieses Ziel für die Kommission weiterhin relevant und wird sich daher wohl auch in einer Nachfolgeregelung finden und besteht daher -anders als bei den Vertragshändlerverträgen -aktuell kein Grund zur Besorgnis, dass es mitder Etablierung einer neuen Kfz-GVO für den Aftersalesmarkt zu einer Kündigungswelle bei Werkstättenverträgen kommen wird oder überhaupt kommen kann.

"Original"-Ersatzteile

Kritisch mit dem Erreichten zeigt sich die Kommission auch hinsichtlich eines geregelten Wettbewerbs im Zusammenhang mit dem Verkauf von "Original"-Ersatzteilen und Ersatzteilen alternativer Marken. Wenn schon die Frage, ob ein Ersatzteil nur dann "original" ist, wenn er vom Hersteller kommt oder zumindest nur von diesem vertrieben wird, rechtlich derart diffizil ist, dass sich sogar der Deutsche Bundesgerichtshof im Gewirr von OES und OEM-Qualifikationen verläuft, überrascht es nicht, dass die Kommission dieses Ziel nur als teilweise erreicht und weiterhin relevant einstuft.

Gesunder Wettbewerb

Zufrieden zeigt sich die Kommission bei der Frage, ob die Anbieter den durch die Gruppenfreistellung gewährten geschützten Bereich dazu genutzt haben, unabhängige wettbewerbsfördernde Verhaltensweisen von Vertragshändlern und zugelassenen Werkstätten durch verschiedene Formen von mittelbarem Druck und mittelbaren Drohungen zu verhindern, um wettbewerbswidrige Ergebnisse zu erzielen. Hier meint die Kommission, dass ein derartiger Druck nicht feststellbar wäre, weil gesunder Wettbewerb herrsche und konkrete Fallbeispiele auch von nationalen Wettbewerbsbehörden nicht angezeigt wurde. Somit stellt sich die Kommission die Frage, ob dieses Ziel überhaupt weiterhin von besonderer Relevanz wäre. Es steht daher zu befürchten, dass es in diesem Bereich zu Aufweichungen der Regelungen kommen könnte, und damit einhergehend der Druck auf die Werkstätten wieder erhöht und, um im Fachjargon zu bleiben, die Schraube weiter angezogen wird.

Herausforderung Fahrzeugdaten

Wesentlich erscheint mir in dem Zusammenhang insbesondere die immer mehr ausufernde Datenflut, die Herstellerüber die Fahrzeuge von ihren Endverbrauchern absaugen, auch den Fachwerkstätten in einem fairen Ausmaß zur Verfügung zu stellen, denn gerade sie werden oftmals mit datenschutzrechtlich bedenklichen Vertragsbestimmungen dazu verhalten, diese Daten für den Importeur zu sammeln. Ob und wie diesbezüglich jedoch eine rechtliche Gleichberechtigung zwischen freien und zugelassenen Werkstätten erreicht werden soll, wird eine der großen Herausforderungen der neuen Kfz-GVO werden.