AUTO-Information: Alle Autohersteller leiden im Moment unter den Lieferengpässen bei Halbleitern. Wie geht es Seat und Cupra?
Wayne Griffiths: Der Chip-Mangel hat uns schwerer getroffen, als wir zu Jahresbeginn erwartet haben: Im 1. Quartal haben wir das noch flexibel innerhalb der Baureihen gemanagt, aber Ende des 1. Halbjahres hat es uns richtig getroffen, sodass im Juli ein Teil der Produktion ausgefallen ist.

Was unterscheidet Seat von den anderen Marken im VW-Konzern?
Griffiths: Wir haben die jüngste Kundschaft, unsere Käufer sind im Schnitt um 10 Jahre jünger als im Gesamtdurchschnitt und auch im VW-Konzern. Die Hälfte unserer Kunden sind Eroberungskunden. Wir sind auch längst weg vom günstigen Image. Vor allem in Österreich und Deutschland sind wir eine sehr begehrliche Marke geworden.

In Österreich hat Seat den höchsten Marktanteil außerhalb Spaniens: Was schätzen Sie an der Vertriebsorganisation?
Griffiths: Österreich und seine Vertriebsorganisation sind eine Benchmark in vielerlei Hinsicht. Jedes Mal, wenn ich hier bin, sehe ich viele Seat auf den Straßen. Und es sind nicht die günstigen Fahrzeuge, sondern auch viele sehr gut ausgestattete. Seat hat sich in Österreich sehr gut etabliert und eine hohe Begehrlichkeit sowie eine starke Kundenloyalität aufgebaut.

Welche Ziele haben Sie sich vor einem Jahr, als Sie CEO wurden, vorgenommen?
Griffiths: Es sind zwei wichtige Dinge: Erstens soll unsere Fabrik in Martorell möglichst rasch auch zu einer Fabrik werden, wo E-Autos hergestellt werden. Aber sie werden hier nicht nur hergestellt, sondern auch entwickelt. Die zweite Aufgabe ist, die neue Marke Cupra zu etablieren.

Wie wollen Sie die Elektrifizierung schaffen?
Griffiths: Wir wollen die Fabrik in Martorell bis 2025 auf E-Autos umstellen. Um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen, müssen 60 bis 70 Prozent unserer Autos bis 2030 elektrifiziert sein, also mit Plug-in-Hybrid oder vollelektrisch. Dafür müssen wir die E-Mobilität in die breite Masse bringen.

Derzeit plant man im VW-Konzern ein kleines Elektroauto. Was können Sie dazu sagen?
Griffiths: Dieses Fahrzeug auf Basis des MEB (Modularer E-Antriebs-Baukasten des VW-Konzerns, Anm.) soll unterhalb des Cupra Born und des VW ID.3 angesiedelt sein, also das Segment von Seat Arona und Ibiza abdecken. Die Plattform gibt es bereits; die Umsetzung auf ein kleinesModell ist nun unsere Arbeit. Die Reichweite soll je nach Batterie zwischen 300 und 500 Kilometern liegen. Unser Ziel ist, dass man ab 2025 bis zu 500.000 Stück pro Jahr in Martorell baut. Das angepeilte Segment ist groß, und mit diesem Volumen würden wir einen guten Start machen.

Wie will man erreichen, dass auch junge Kunden, die Fahrzeuge in diesem Segment oft kaufen, sich die E-Autos leisten können?
Griffiths: Unser Ziel ist es, wirtschaftliche und leistbare E-Autos zu bauen. Diese sind etwa vier Meter lang und sollen zwischen 20.000 und 25.000 Euro kosten. Es ist eine große Herausforderung, die wir aber gerne angehen. Man darf den Schritt nicht hinauszögern. Europa braucht einen Hersteller, der das schafft, sonst werden es andere machen, und zwar ganz schnell. Wir reden ja auch nicht von den 20-Jährigen, die unsere E-Autos kaufen, sondern eher von jenen zwischen 30 und 40.

Werden Verbrenner bald das Preisniveau von Elektroautos erreichen?
Griffiths: Spätestens ab dem Jahr 2025, also ab der geplanten Einführung der EU7-Norm, wird es kippen, denn diese ist aus heutiger Sicht ohne Hybridisierung nicht abbildbar. Dann werden E-Autos attraktiver, da es teurer wird, einen Verbrenner zu fahren. Weiters wird es davon abhängen, wie sich die Batteriepreise und die Technologien entwickeln. Dazu kommt noch, dass sie vielleicht in manchen Städten nicht mehr ins Zentrum fahren dürfen.

Wie geht es mit der Marke Cupra weiter?
Griffiths: Als wir vor drei Jahren begonnen haben, haben viele gelächelt und an eine Marketing- Nummer gedacht. Doch jetzt läuft alles schneller, als wir selbst erwartet haben: Heuer haben wir mit Cupra bereits eine Milliarde Euro Umsatz im 1. Halbjahr gemacht. Die Marke hat einen Nerv bzw. einen Zeitgeist getroffen. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für neue Marken, nämlich der Umbruch zur Elektrifizierung. Junge Kunden wollen neue Sachen, und auch im asiatisch-pazifischen Raum wollen wir mit Cupra erfolgreich sein. Darum planen wir mit Cupra nächstes Jahr einen Markteintritt in Australien. Da können wir mit Cupra gut reüssieren, weil die Marke nichtauf Vergangenheit aufgebaut ist.

Wie soll künftig die Aufteilung zwischen Seat und Cupra erfolgen?
Griffiths: Elektroautos sollen zuerst unter der Marke Cupra verkauft werden. Unser Traumauto, das vollelektrische SUV Tavascan, wird Realität. Die beiden Marken ergänzen sich, sollen sich nicht substituieren. Das Cupra-Geschäft soll also on top zu Seat kommen. Solange wir neue Kunden erreichen, ist es für das Unternehmen und den Konzern gut. Die beiden Marken sind keine Konkurrenten: Was für Seat gut ist, ist auch gut für Cupra -und umgekehrt. In der EU sind wir mit Seat bei einem Marktanteil von mehr als 3 Prozent, in Deutschland bei über 4 Prozent, in Österreich mit 7,3 Prozent bei Seat und 0,6 Prozent bei Cupra noch deutlich höher. Cupra sollte auf 20 Prozent des globalen Seat-Volumens kommen -zusätzlich.

Cupra startet mit dem Agentursystem bei Elektroautos: Wird das auf alle anderen Fahrzeuge ausgerollt?
Griffiths: Die Händler freuen sich darauf, weil es nicht mehr deren Kapital ist und weil wir die Nachlässe transparenter machen. Dadurch ersparen sich die Kunden den Stress beim Verhandeln, weil der Nachbar eventuell mehr Rabatt bekommen hat. Der Händler hat im Agentursystem mehr Ruhe im Geschäft, kann sich aufdas Produkt und die Beratung konzentrieren und besser kalkulieren. Die Einführung eines Agentursystems sollte dazu führen, dass die Margen höher werden.

Ist ein reiner Online-Handel für Seat und Cupra auch eine Option?
Griffiths: Aus aktueller Sicht nicht. Wenn ein Kunde 20.000,30.000 oder 40.000 Euro investiert, wird er das nicht rein online machen.

Noch einmal zurück zum Agentursystem bei den E-Autos von Cupra: Für die Marke Seat ist das aber nicht geplant, oder?
Griffiths: Nein, wir wollen das bestehende Modell nicht umstellen. Das wäre zu komplex. Obwohl das heutige System seit Jahren überholt ist. Als Sohn eines Autohändlers weiß ich ganz genau, was der Wert eines unabhängigen Unternehmers ist. Ich war im Kärnten-Urlaub auch im Autohaus Igerc in Bleiburg: Der ist Marktführer, das ist sein Betrieb. Solche unabhängigenUnternehmer werden immer eine starke Rolle spielen. Jene Hersteller, die das nicht haben wie Tesla, haben einen Nachteil. Unser Vorteil ist die Marktabdeckung.