Ziemlich genau vor einem Jahr, im Juli 2020, startete Volkswagen inÖsterreich in eine neue Ära: Gleichzeitig mit Öffnung der Orderbücher für den neuen ID.3 begann die Zeit des Agenturvertrags. "Dieser wurde mit 100-prozentiger Zustimmung der Vertriebspartner umgesetzt", sagte VW-Markenleiter Mag. Thomas Herndl wenige Wochen später bei der Präsentation des kompakten E-Autos: "Nun erproben wir dieses neue Vertriebsmodell, und es sieht bisher sehr gut aus."

Das hat sich offenbar bis heute nicht geändert -und daher zieht Stefan Hutschinski, Obmann des Vereins Österreichischer VW Audi Seat Skoda Betriebe (VASS), eine durchaus positive Bilanz: "Wir haben bei unseren Mitgliedern eine Umfrage durchgeführt, ob wir das Agentursystem, das mit VW für ein Jahr als Versuch vereinbart wurde, weiterführen sollen." Dabei hätten 80 Prozent der Händler gesagt: "Gefällt uns, wir haben sogar mehr Geld verdient." Denn der Händler (bzw. in diesem Fall der Agent) erhält pro verkauftem ID.3 (und seit wenigen Wochen auch ID.4) eine fixe Provision.

Für alle Kunden der gleiche Preis
Allerdings, so Hutschinski, sei das eine Momentaufnahme: "Wir wissen nicht, was die Zukunft bringen wird." Das Modell, wonach es bei den E-Autos einen fixen Preis gebe, sei jedenfalls gut: Der Kunde müsse keine Preise mehr vergleichen, was in Zeiten des Internets von Autohaus zu Autohaus ja sehr transparent sei. "Bei den E-Autos kann man als Händler maximal beim Zubehör etwas machen oder beim Eintauschpreis für den Gebrauchtwagen." Hier werde vom Importeur kaufmännisch sehr vernünftig vorgegangen, urteilt der VASS-Obmann: "Und auch die Kunden haben das akzeptiert." Starten könne man ein derartiges System ja nur bei Einführung einer völlig neuen Technologie wie den E-Autos, heißt es im VW-Netz. "Beim Golf", so Hutschinski, "wäre der Kunde sehr verwirrt, wenn er plötzlich keinenRabatt mehr bekommt." Doch beim VASS nennt man noch ein anderes, weit wichtigeres Argument für das Agentursystem: "Weil der Kunde keine Preise mehr vergleichen muss, kauft er sein E-Auto dort, wo er jahrelang gut betreut ist, also im Ort."

Echte oder unechte Agentur?
Übrigens: Das in Österreich praktizierte Modell ist keine echte, sondern eine unechte Agentur. Der Unterschied? Bei der echten trägt der Hersteller das volle Risiko, bei der unechten treffen manche Aspekte die Händler/Agenten: "Die Vorführwagen machen wir selbst, die Autos in der Auslage zahltder Hersteller", so Hutschinski. Dafür bezahle VW nicht nur eine Auslieferungspauschale, sondern auch die Ausbildung für die Verkäufer und auch die CI, wenn sich für die E-Mobilität etwas ändere.

Eine gewisse Skepsis ist natürlich angebracht: Was ist, wenn der derzeitige Hype um die Einführung der E-Autos vorbei ist? Was passiert, wenn die vom jeweiligen Händler gekauften Vorführmodelle plötzlich weniger wert sind, weil der Importeur eine Aktion "fährt"?

Offenbar will der VW-Konzern nun alle Volumenmarken beim Verkauf von E-Autos auf dieses System umstellen. So ist mittlerweile fix, dass einähnliches Modell ab 2023 auch bei der Premiummarke Audi eingeführt wird -aber ebenfalls nur bei den E- Autos. Hutschinski dazu: "Wir begrüßen das prinzipiell, obwohl wir ja noch keine Rahmenbedingungen kennen, etwa was die Höhe der Vermittlungsprovisionen betrifft." Bei Cupra läuft es beim Verkauf des neuen E-Autos Born ab Herbst auf ähnliche Weise ab.

Und Skoda? "Die Diskussion im Konzern wird ständig geführt, ob alle Marken und alle Länder in ein Agentursystem einbezogen werden sollen", sagt Max Egger, Chef des österreichischen Importeurs. Doch bei Skoda sei man noch in einem frühen Stadium der Debatte: "Vielleicht wird es zwischen 2023 und 2025 sein, und in der Zwischenzeit sammeln andere die Erfahrungen."