AUTOInformation: Herr Schirak, Sie waren von 1967 bis 2020 in unterschiedlichsten Funktionen in der Wirtschaftskammer Niederösterreich und in der Wirtschaftskammer bundesweit aktiv. Damit sind Sie der "längstdienende" Wirtschaftskammer-Vertreter bisher: Wie ist Ihre Bilanz?

Josef Schirak: Die Kammer hat sich gewandelt, aber leider nicht in die Richtung, die ich gern gesehen hätte. Denn das derzeitige Präsidium geht völlig andere Wege. Ich hatte zu meiner Zeit als Bundesgremialobmann (1990-1997, Anm.) nie ein Problem, die Interessen meiner Sparte zu vertreten. Wir waren frei, bis zum Minister zu gehen, und ich musste nicht fragen, ob ich darf oder nicht. Es war sinnvoll, dass die einzelnen Branchen mit dem Ministerium direkt ihre Probleme diskutieren konnten, ohne das Präsidium der Wirtschaftskammer damit zu belasten. In ausschließlich branchenspezifischen Problemstellungen braucht es keine Bevormundung durch die jeweilige Kammerspitze: Diese sollte sich zweckmäßigerweise um tragbare Rahmenbedingungen für die Arbeit ihrer Mitglieder und deren Branchenvertreter bemühen.

Jetzt ist das nicht mehr der Fall?
Schirak: Jetzt höre ich, dass der jeweilige Bundesgremialobmann beim Präsidium fragen muss, ob er seine Branchenangelegenheit direkt ans Ministerium herantragen kann. Das kann es nicht sein! Wenn niemand solche Sachen direkt ansprechen darf, sondern nur über das Präsidium der Kammer, dann ist das sinnlos. Ich bedaure, dass in der Wirtschaftskammer derzeit sichtlich Parteiinteressen Vorrang vor Brancheninteressen haben. Ich bin daher sehr froh, dass es den VÖK (Verband österreichischer Kraftfahrzeugbetriebe) gibt, der für die Verbände der einzelnen Markenhändler als Sprachrohr auftritt. Nachdem die Wirtschaftskammer Teil der Sozialpartnerschaft ist, ist es sehr wichtig, dass die jeweiligen Branchenbelange von ihren jeweiligen Gremien, Innungen etc. direkt mit den Ministerien in Richtung Gesetzgebung ausverhandelt werden können. Trotzdem bin ich dafür, dass man den VÖK zu einer schlagkräftigen Truppe aufsteuert.

Ein Negativbeispiel war im Vorjahr die überfallsartige Ankündigung der NoVA auf leichte Nutzfahrzeuge?

Schirak: Niemals hätte eine Kammerspitze früher eine Zustimmung gegeben, ohne mit der Fachgruppe dies vorher abzusprechen. Bei der Einführung der NoVA auf leichte Nutzfahrzeuge geht es ja nicht nur um die Interessen des Kfz-Bereiches, sondern um die Interessen der gesamten gewerblichen Wirtschaft über alle Sparten und Branchen hinweg. Firmen aus dem Ausland, die natürlich keine NoVA zahlen, können durch niedrigere Fuhrparkkosten noch günstiger anbieten, als dies bisher schon der Fall ist. Derzeit gibt es keine sinnvolle Alternative im Bereich der Elektrofahrzeuge, was leichte Nutzfahrzeuge betrifft. Somit bedeutet dies eine Schädigung der gesamten österreichischen Wirtschaft. 

Stefan Hutschinski: Es gibt durch diese Einführung ja auch keinen ökologischen Lenkungseffekt, wie dies die Regierung gerne hätte. Denn die alten Autos werden dadurch sogar länger weitergefahren und auch die Modelle mit alternativen Antriebsarten fehlen in diesem Segment derzeit noch komplett.

Herr Hutschinski, können Sie die Kritik von Herrn Schirak verstehen?
Hutschinski: Ich will das unterstreichen: Zum Beispiel habe ich bereits die Erfahrung gemacht, dass durchaus angriffig formulierte Presseerklärungen von der Presseabteilung der Wirtschaftskammer umgeschrieben wurden. Das ist Message Control. Die Art, wie das vor sich geht, können wir als Interessenvertreter nicht goutieren. Die sogenannte Unternehmerpartei hätte einer NoVA auf Nutzfahrzeuge nie zustimmen dürfen: Wenn man wenigstens miteinander geredet hätte, hätte es eine Lösung mit Gewinnern auf beiden Seiten gegeben. Die Gewerbetreibenden sind meist Ur-ÖVP-Wähler. Wozu gibt es eine Wirtschaftskammer, wenn diese ihrer ursprünglich angedachten Funktion nicht nachkommen kann? Dies führt alles ad absurdum. Zum Glück haben wir auch den VÖK: Als Branchenvertreter der Einzelhändler kann er alles sagen. Drum ist dieses Thema noch nicht gegessen.

Schirak: Ich würde mich stark machen an deiner Stelle.

Hutschinski: Wenn so etwas einmal durchgeht, glauben sie, dass sie auch zukünftig mit uns "Schlitten fahren" können. Das muss die Kammerspitze umgehend thematisieren und sich klar positionieren.

Schirak: Die Kammerspitze könnte ja auch sagen: Branchenbelange sollten direkt mit der Gesetzgebung ausverhandelt werden, und natürlich kann die Kammerspitze dies im Hintergrund unterstützen, wie es bei Leitl (früherer WKO-Präsident, Anm.) war.

Welche Themen sind für Sie als neuer Einzelhandelssprecher wichtig?
Hutschinski: Momentan ist natürlich die Pandemie brisant. Viele haben Angst, dass ihre Firmen durch die Folgen von Covid-19 unter die Räder kommen. Liegt der Umsatzrückgang "nur" unter 30 Prozent, ist man bei den Ausgleichszahlungen ja nicht dabei: Das ist ein Problem, weil der durchschnittliche Ertrag nur bei 1,5 Prozent liegt. Vor allem am Ende der Steuerstundungen, könnte es bei kleinen und mittleren Betrieben eng werden. Hier müssen uns die Länder rechtzeitig berichten, wenn das der Fall sein sollte, sodass man hier helfen kann.

Was ist das vordringlichste Thema für die kommenden Monate?
Hutschinski: Man muss die Regierung darauf drängen, dass der Rahmen, bei dem die bereits bestellten Nutzfahrzeuge zugelassen werden dürfen, über den 1. November hinaus verlängert wird, weil es europaweit Lieferprobleme gibt. Da gibt es auch einen Schulterschluss mit den Importeuren, wie bei vielen Themen, denn gegen die autofeindliche Politik der Regierung muss die gesamte Branche vereint auftreten.

Auch gegen das schlechte Image der Autofahrer muss man arbeiten, oder?
Hutschinski: Warum ist der Autofahrer immer der Buhmann der Nation? Wir sind nicht die Umweltsünder Nummer 1, doch sieht man in den Berichten des ORF über das Klima immer nur Autos -aber keine Fabriken, keine Schiffe und keine Flugzeuge. Wir waren lange ruhig, aber jetzt ist die Zeit, wo unsere Branche hier laut werden muss.

Man hört, dass in Deutschland Markenverbände Klagen gegen die Hersteller vorbereiten?
Schirak: Man muss die Frage klären, ob die Händlerverbände auch in Österreich ein Klagsrecht haben, wie das in vielen Fällen in anderen Ländern möglich ist. Und wenn ja, sollten wir raschest abklären, welche Rechtschancen sich daraus vor allem im Bereich des VÖK als Markenverband ergeben.
Hutschinski: Das ist eine wichtige Frage: Darum werden wir uns in den kommenden Wochen kümmern.


Das komplette Interview ist in der "AUTO- Information" Nr. 2571 vom 28. Mai erschienen. In der AUTO Information finden Sie jede Woche ein Exklusivinterview sowie die Top-Meldungen aus der Branche. Bestellen Sie ein Testabo gleich hier oder kontaktieren Sie Info-Lady Uschi Ernst per Mail bzw. telefonisch +43 664 822 22 24