Mit diesem Thema wurde das österreichische Kartellgericht in einem Musterprozess gegen Peugeot Austria konfrontiert. Dessen (erstinstanzliche) Entscheidung sorgte europaweit für Aufregung. Noch hofft Peugeot, dass der Oberste Gerichtshof dieses kartellrechtliche "Urteil" aufhebt oder abändert. Die Pariser Zentrale sieht derzeit daher keinen Anlass, Strategie oder Geschäftspraktiken zu ändern.

Das Machtgefälle zwischen den Kfz-Produzenten einerseits und ihren jeweiligen Händlern und Werkstätten anderseits, das in diesem Peugeot-Prozess wettbewerbsrechtlich zu beurteilen war, gibt es auch bei anderen Marken. Dies besonders seit der Abschaffung der branchenspezifischen Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung. Die hat mit ihren Schutzbestimmungen zu einer besseren Balance zwischen der Macht der Produzenten und der Ohnmacht der kartellrechtlich gebundenen Vertriebspartner gesorgt.

Steter Stein des Anstoßes sind dabei die sogenannten "Kundenzufriedenheitsumfragen". Ursprünglich als neutrales Instrument der Marktforschung eingeführt, dienten sie grundsätzlich dazu, einzelnen Betrieben ihre Schwachstellen aufzuzeigen. Sie zeigten aber auch die Schwächen der Hersteller, denn viele Negativbeurteilungen fußen auf Konstruktions- und Produktionsmängeln der Vertragsware, an deren Thematisierung die Autolieferanten kaum Interesse zeigen.

"Eher eine Bedrängung der Kunden"

Fernab jeder Kooperation wurden diese Umfragen mit dem Bonisystem gekoppelt. "Mit einer reellen Erhebung der Kundenzufriedenheit hat das nichts mehr zu tun - es ist eher eine Bedrängung der Kunden", beurteilt das Kartellgericht die Peugeot-Praxis.

Massive Kritik musste Peugeot für sein System der Garantieabwicklung einstecken. Das beginnt bei den Vorgabezeiten, die sich am "best performer" orientieren. Im Ergebnis wird die flotteste Abwicklung einer Garantiearbeit als Maßstab für die Vorgabewerte für alle Werkstätten herangezogen. Was sich naturgemäß für andere Werkstätten als zu kurz erweist.

Einen weiteren Minuspunkt bekommt Peugeot für den unzureichenden Ausgleich des mit der Ersatzteilbeschaffung verbundenen Aufwands. Europaweit werden den Partnern dafür nur 4 Prozent Aufschlag auf den Einkaufspreis gewährt. Dies im Vergleich mit einer für Normalreparaturen anfallenden Marge von 32 bis 33 Prozent. Und auch dieser Betrag ist zusätzlich mit 135 Euro pro Garantiefall gedeckelt. Damit sollen der administrative Aufwand, die Reinigung und Verpackung der eingetauschten Ersatzteile und die 90-tägige Lagerung dieser Teile abgegolten werden.

Generell zulässig sind Garantie-Audits. "Das zwingt die Werkstätten zu sehr genauen Arbeiten", urteilt das Gericht. Beim System der damit verbundenen Rückbelastungen ist Peugeot jedoch über das Erlaubte hinausgegangen. In der milderen Variante - etwa bei kleineren Formfehlern wie etwa das Fehlen einer Kundenunterschrift am Garantieauftrag - sind die dafür verhängten Rückbelastungen mit 3.000 Euro gedeckelt und betreffen nur die tatsächlich beanstandeten Garantiefälle. Bei groben "Vergehen" - etwa der Rückdatierung von Garantieanträgen - erfolgt eine (ungedeckelte) Hochrechnung auf eine ganze Abrechnungsperiode. Unabhängig davon, wie viele "fehlerhafte" Garantieabrechnungen die Werkstätte zu verantworten hat. "Auf diese Weise tragen letztlich die Händler im Wege der Rückbelastung einen erheblichen Teil der Kosten der Garantieprüfung, obwohl diese im überwiegenden Interesse von Peugeot liegen", fasst das Gericht dieses System zusammen.

Letztlich wird den Werkstätten bei Garantieabrechnungen ihr "normaler" Stundensatz um 12 Prozent gekürzt. In Kombination mit knapp bemessenen Richtzeiten und unzureichender Ersatzteilvergütung führt dies nach Einschätzung des Gerichts zu einer Unterdeckung von 5 bis 10 Prozent je Garantiefall. Unabhängig vom konkreten Ausmaß kommt das Gericht zum Ergebnis, dass "in der Gesamtschau davon auszugehen war, dass die geleistete Vergütung nicht 100 Prozent der geleisteten Arbeiten abdeckt, sondern nur 90 bis 95 Prozent."

Viel Geld mit dem Verkauf von Testgeräten

Ein gutes Zusatzgeschäft scheint für den PSA-Konzern der Verkauf von Testgeräten zu sein. Je drei produktive Mitarbeiter ist ein derartiges Gerät verpflichtend vorgesehen. Dieses kostet 7.120 Euro und wird in 36 Monatsraten in Rechnung gestellt. Nach Ablauf dieser Ratenfrist ist bereits wieder ein neues Gerät - wieder zu diesem Preis - als Ersatz fällig. Ein stolzer Preis, den Peugeot mit der im Werkstattbetrieb erforderlichen besonderen "Robustheit" rechtfertigt. Was so ein Gerät vergleichsweise am freien Markt kosten würde, konnte im Verfahren nicht eruiert werden.

Zu diesen Hardwarekosten kommt noch die Software hinzu. Die umfasst das Diagnoseprogramm, den Teilekatalog einschließlich technischer Dokumentation und Reparaturanleitung sowie das Kundenservicemanagement. Dieses Paket kostet eine Jahresgebühr von 2.832 Euro je zwei produktive Mitarbeiter und steigt je nach Beschäftigtenzahl bis zu 7.500 Euro.

Wie viel dürfen Schulungen kosten?

Weiters gibt es noch die jährliche Schulungspauschale von 5.000 Euro je Betrieb. Dies unabhängig von der jeweiligen konkreten Inanspruchnahme des Schulungsangebotes - das allerdings auch entsprechende Produkt- und Verkäuferschulungen umfasst. Wobei dieser Ausgabeposten auch die Kosten für das "Mystery Shopping" und "Mystery Leads" abdeckt.

Mystery Leads sind Anfragen an Händler um Probefahrten etc., wobei nicht Kunden, sondern eine von Peugeot beauftragte Drittfirma beim Händler per E-Mail anfragt und vorgibt, ein Kunde zu sein. Sie kontrolliert, ob in der vorgegebenen Zeit eine Antwort des Händlers erfolgt. Mystery Shopping im Neuwagenbereich kostet Peugeot 210 Euro und im Kundendienstbereich 300 Euro. Das Gericht kam zum Ergebnis, sowohl nach EU-Wettbewerbsrecht als auch nach dem österreichischen Kartellrecht für eine entsprechende Missbrauchsaufsicht zuständig zu sein. Es hatte daher zu beurteilen, welche Maßnahmen und Regeln aus dieser Sicht noch zulässig sind - und welche als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung zu bewerten sind. Aufgrund der ausreichenden Beweislage hat das Gericht Peugeot aufgetragen, im Werkstattbereich einige konkrete Missbrauchsfälle abzustellen.

Ausbeutungsmissbrauch

Ausbeutungsmissbrauch im Sinne des Kartellgerichts liegt vor, wenn Einkaufsbedingungen erzwungen werden, die sich nur aus der Ausbeutung machtbedingter Verhaltensspielräume erklären lassen und zu einem Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung führen. Grundsätzlich sind Geschäftsbedingungen bei offenbarer Unbilligkeit unangemessen. Dabei darf die Abwägung der Interessen nicht auf die Beurteilung einer einzelnen Geschäftsbedingung beschränkt werden. Es kann eine solche Klausel auch durch andere günstige Vertragsbestandteile kompensiert werden. "Bei der Beurteilung ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, welche die Interessen der Parteien und das Ziel der Erhaltung des Wettbewerbs miteinbezieht", erläutert das Gericht seine Entscheidung. Im konkreten Fall kam Peugeot im Werkstattbereich recht glimpflich davon:

  • Missbräuchlich ist die Peugeot-Praxis der Garantieabwicklung und der dafür vorgegebenen Bedingungen sowie das aufwändige Kontrollsystem, "das diese Arbeiten wirtschaftlich unrentabel macht".
  • Weiters die Abwicklung von Garantie- und Gewährleistungsarbeiten zu nicht kostendeckenden Stundensätzen,
  • die nicht kostendeckende Refundierung bei Ersatzteilen,
  • die Überwälzung der Mystery-Shopping- und Mystery-Leads-Kosten, wobei eine Schulungspauschale ohne Bedarfsberücksichtigung zulässig ist.

 

Als wettbewerbsrechtlich zulässig erwiesen sich weiters

  • die recht hohen Kosten für Test- und Diagnosegeräte, da keine Vergleichskosten dargelegt wurden,
  • die Jahresgebühr für den Zugang zur technischen Dokumentation,
  • die allgemeine Forderung nach Konditionen und Geschäftsbedingungen, die sich bei einem wirksamen Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit am Markt ergeben würden.
  • Weiters konnte nicht bewiesen werden, dass ein wirtschaftlicher Druck ausgeübt wird, möglichst wenige Garantiefälle zu bearbeiten.