A&W: Frau Prof. Enkel, Ihr Vorgänger gilt als Autopapst - werden Sie die erste Autopäpstin?

Prof. Dr. Ellen Enkel: Ich würde mich eher als Expertin für Mobilitätsinnovationen sehen, da meine Forschung in den technologischen wie nicht-technologischen Innovationen und den digitalen Geschäftsmodellen der Mobilitätsindustrie verankert ist.

Sie sind Innovationsexpertin: Wie innovativ ist die Automobilindustrie auf einer fiktiven Skala von 1 bis 5 im Vergleich zu Elektronik oder Medien?

Enkel: Die Innovativität eines Unternehmens hängt von der innovativen Nachfrage der Käufer ab. Wenn beispielsweise ein größerer Bedarf nach umweltfreundlichen Antrieben oder neuen Mobilitätskonzepten wie Carsharing und Auto-Abos entsteht, entwickeln die Unternehmen automatisch in die entsprechende Richtung. Da haben die Nutzer von Mobilitätskonzepten bislang wenig Druck gemacht.

Allgemein gefragt: Was kann die Automobilindustrie von anderen Branchen vorrangig lernen?

Enkel: Vor allem sind andere Branchen durch die sich veränderten Bedürfnisse der Kunden schon früher gezwungen worden, Produkte und Dienstleistungen zu erzeugen, die die Unternehmen nicht allein, sondern nur in Kooperation mit anderen Unternehmen, Startups oder Lieferanten erzeugen konnten. Die Automobilindustrie musste das in den vergangenen Jahrzehnten nicht und beginnt erst, mit anderen Partnern aus anderen Industrien wie aus der IT zu kooperieren, um zukunftsfähige Produkte zu entwickeln.

Was unterscheidet Ihre Schwerpunktsetzung an der Universität von jener Ihres Vorgängers?

Enkel: Ich bin sehr interdisziplinär und habe schon in meiner Ausbildung in viele Wissenschaften hineingeschnuppert. Innovationen gibt es in jeder Branche und Disziplin. Daher fällt es mir leicht, Potenziale aus anderen Industrien oder Innovationen zu erkennen und diese auf die Mobilitätsindustrien anzuwenden.

Bitte ein Beispiel ...

Enkel: Stellen Sie sich eine Mobilitäts-App vor, auf der Sie täglich individuell Vorschläge bekommen, mit welcher Kombination von Verkehrsmitteln Sie heute am besten von A nach B kommen. Um eine solche Vision zu realisieren, benötigen wir viele verschiedene Produkte (Autos, E-Bikes, Bahn etc.), die mit unterschiedlichen Ausstattungen zu unterschiedlichen Preisen an vielen Orten zur Verfügung stehen, sowie neue nutzenbasierte Abrechnungssysteme. Dies kann heute und zukünftig kein einzelnes Unternehmen leisten. Hier brauchen wir die Kooperationen und Innovativität vieler Unternehmen, Dienstleister und Start-ups unterschiedlicher Branchen. Ich versuche, an meinem Lehrstuhl mit meinen Kollegen und unseren Studierenden die Voraussetzungen, Rahmenbedingungen und Partner zur Realisierung dieser Vision zu erforschen und der Praxis zu helfen, diese in die Tat umzusetzen.

Wenn Sie mal nicht an der Uni sind und forschen - was zählt zu Ihren privaten Leidenschaften?

Enkel: Als Mutter von zwei Kindern steht für mich die Familie natürlich an erster Stelle. Wir lesen und reisen viel und genießen unsere Zeit zusammen.

Hatten Sie jemals das Gefühl, in der Automotive- Branche als Frau "benachteiligt" zu sein?

Enkel: Eigentlich nie. Durch meine Interdisziplinarität und technische Affinität war ich immer schon ein Exot und meine Meinung wurde geschätzt.

Haben Sie einen Tipp für Frauen, die in männerdominierten Bereichen Fuß fassen wollen?

Enkel: Expertise ist geschlechtsunabhängig. Wer in einem Fach gut ist, es leidenschaftlich vertritt und auch selbst Spaß darin hat, der wird sich immer durchsetzen. Obwohl dies für Frauen oft ein bisschen schwieriger ist.