Die Live-Daten aus den Fahrzeugen reichen von Standortdaten über technischen Zustand des Fahrzeugs bis hin zu Daten, die Rückschlüsse auf die Fahrweise zulassen. Bis zu 7.000 Datensätze werden in einem modernen Auto mitprotokolliert.„Wie schnell man gefahren ist, mit welcher Drehzahl, wie oft ESP eingegriffen hat, wie viele Personen im Fahrzeug sitzen, die Sitzposition, welche Musik gehört wird, wie oft Türen oder Heckklappe geöffnet wurden, die Nutzung der Scheibenwaschanlage, die Gurt- und Lichtverwendung etc.“, warnen die europäischen Mobilitätsclubs vor den zahlreichen Anwendungs- und Missbrauchsmöglichkeiten. Die FIA hat deshalb heuer die Kampagne „My Car My Data“ ins Leben gerufen.
„Herrschaftswissen“ oder freier Zugang?
Aber auch Vertretungen der freien Werkstätten und des Independent Aftermarket sind längst in der Sache engagiert. Denn für sie ist der Zugang zu den Live-Daten überlebenswichtig. Befürchtet wird, dass die Hersteller mit Live-Daten die Fahrzeugbesitzer in ihr eigenes Werkstättennetz routen und die Freien damit ausschließen.
Dagegen formiert sich Widerstand. Im Herbst 2019 haben zahlreiche Verbände – darunter die FIGIEFA (Verband der Teilehändler), die CECRA (Fahrzeughändler-Verband), die FIA, aber auch Versicherungs- und Leasingverbände – neuerlich ein Manifest für „Fairen Wettbewerb in digitalisierten Märkten“ herausgegeben.
Darin fordert die Verbändeallianz Gesetze auf europäischer Ebene, die gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen. Konkret sollen alle Dienstleister gleiche Fähigkeiten zur Nutzung von bidirektionaler Kommunikation mit dem Fahrzeughalter erhalten, um Dienstleistungen anbieten zu können. Der Zugang auf die Live-Daten müsse direkt, unabhängig und nicht überwacht möglich sein, dazu sei eine bordeigene, vom Hersteller unabhängige sichere Kommunikationsplattform nötig. „Der Umfang und die Qualität der Daten müssen mindestens dem entsprechen, was dem Hersteller zur Verfügung steht“, heißt es in dem Dokument.
Die Fahrzeughersteller schlagen hingegen eine als „Extended Vehicle“ bekannte Lösung vor, bei der sich Drittanbieter Daten von einem herstellereigenen Server holen dürfen.
Das kritisieren die Verbände: „Nur ein begrenzter Teil der bordeigenen Fahrzeugdaten wäre für unabhängige Unternehmen zugänglich. ‚Extended Vehicle‘ erlaubt den Fahrzeugherstellern eine vollständige Kontrolle über das Fahrzeug, seine Daten und Funktionen.“
Der Ball liegt jetzt bei der gerade frisch inaugurierten EU-Kommission.
Neue Geschäftsfelder
Schon spitzen eingesessene und neue Unternehmen auf gute Geschäfte mit der Datenflut. Die Möglichkeiten der Telematik sind teilweise verblüffend. So kann man anhand der Beschleunigungsdaten z. B. das Epizentrum eines Erdbebens bestimmen oder – weniger exotisch, dafür umso praktischer – eine schnelle Schadenskalkulation nach einer Kollision durchführen, wie ein Unternehmen namens Geotab auf dem Carmunication-Kongress im Sommer demonstrierte.
Dort wurde auch referiert, dass nicht nur Recheneinheiten im Auto Daten erheben und interpretieren, sondern auch Chips, die in einzelnen Teilen – Fahrwerkskomponenten, Bremsbelägen oder Reifen – integriert sind. Mit den so gewonnenen Informationen ließe sich z. B. die Produktion von Ersatzteilen intelligent steuern.
Carmunication ist ein Verein, der den Datenzugang sozusagen als Grundrecht für den Autobesitzer einfordert. Mitglieder sind Unternehmen, welche aus den Daten Geschäftsmodelle entwickeln und anbieten. Ein anderes Konzept verfolgt Caruso Dataplace als kommerzieller Datenmarktplatz.