Dennoch ist es dem VW-Konzern bisher gelungen, ein höchstgerichtliches Grundsatzurteil zu vermeiden. Das liegt auch daran, dass es in Europa keine Sammelklagen gibt und jede Schadenersatzforderung von jedem Gericht individuell zu prüfen ist. Wobei diese schon bisher zu den unterschiedlichsten Ergebnissen gelangt sind.
Beim OLG Stuttgart ging es um einen Passat, einen Amarok und einen Eos aus den Jahren 2013 und 2015. Alle waren mit der sogenannten Umschalt-Software "ausgerüstet", mit der am Prüfstand ein geringerer Stickoxidausstoß erzielt wird. Die Landgerichte Ellwangen und Heilbronn gaben den Klagen statt, die dritte wurde vom Landgericht Rottweil abgewiesen. Alle drei Klagen landeten beim Berufungsgericht. Dieses vertritt die Meinung, dass VW den Käufern einen Schaden in Form eines nachteiligen Vertragsabschlusses zugefügt habe. Dies gelte nicht nur beim Neuwagenkauf, sondern auch bei Käufern, die ihr Auto gebraucht erworben hätten.
VW habe "mit krimineller Energie die staatlichen Behörden systematisch getäuscht". Damit wurden diese zur Ausstellung scheinbar rechtsgültiger Zulassungsbescheinigungen veranlasst. So habe sich der Hersteller aus wirtschaftlichen Erwägungen über die Belange des Umweltschutzes hinweggesetzt. Daher haben die Käufer Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs abzüglich einer Nutzungsentschädigung.
Ähnlich sah es bei einem 2013 gebraucht gekauften VW Touran aus. Der Kaufpreis von 16.700 Euro wurde teilweise mit Kredit finanziert. Geklagt wurde wegen "sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung". Das OLG Karlsruhe ermöglichte dem Käufer die Rückabwicklung des Kaufs. Auf den von VW zurückzuzahlenden Kaufpreis musste er sich 9.728 Euro für eine Nutzung von 117.000 km anrechnen lassen.
Dies war zuletzt auch die Rechtsansicht des OLG Schleswig-Holstein. In dem Fall wurde 2013 von einem VW-Vertragshändler ein neuer Touran um 30.000 Euro gekauft. Anfang 2014 ausgeliefert, forderte der Käufer bereits im Herbst 2015 die Mängelbehebung -und wurde von VW vertröstet. Als er dann im Dezember 2016 vom Vertrag zurücktrat, verweigerte VW die Fahrzeugrücknahme, bot lediglich das Aufspielen einer neuen Software an. Als ihm die Zulassungsbehörde mitteilte, dass ihm sonst die Zulassung entzogen wird, ließ er im Juli 2018 diese Software installieren und klagte VW auf Rückzahlung des Kaufpreises.
Aus der Klageabweisung des LG Lübeck wurde beim OLG eine volle Klagestattgebung. Obwohl der Mangelbehebungsaufwand unter 5 Prozent liegt, sei von keinem "unerheblichen Mangel" auszugehen. Auch wenn der Rücktrittsgrund durch die neue Software nachträglich behoben wurde, beeinträchtige dies den durch Rücktritt entstandenen Rechtsanspruch auf Rückabwicklung nicht. Dies insbesondere, da dem Käufer andernfalls die sofortige Stilllegung des Fahrzeugs gedroht habe. Für die seit Kauf gefahrenen 130.516 km wurde ein Nutzungswertersatz von knapp 16.000 Euro festgelegt.
"Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung"
Das Oberlandesgericht Celle hatte ebenfalls eine erstinstanzliche Klageabweisung zu beurteilen. Es konnte sich bei der Klagestattgebung bereits auf eine "Hinweisverfügung" vom Jänner 2019 stützen (VIII ZR 225/17). Die vom Diesel-Skandal betroffenen Käufer haben wegen "vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung" bereits generell einen Schadenersatzanspruch. "Durch die nachträgliche Installation eines Software-Updates werde der dem Käufer entstandene Schaden nicht kompensiert."
Das Oberlandesgericht Frankfurt bekräftigte im Urteil 13 U 156/19 vom 6.11.2019 diesen generellen Schadenersatzanspruch. Es stellte jedoch klar, dass VW nicht für jene Käufe haftet, die erst im Sommer 2016 getätigt wurden. Für diese gebe es keinen "Zurechnungszusammenhang."
60.000 Euro zurückgefordert
Im Sinne von Mercedes war zuletzt auch ein anderes Urteil des OLG Frankfurt (6 U 118/18). Da wurde für einen Mercedes Vito 114 CDI der Kaufpreis von knapp 60.000 Euro zurückgefordert. Dies mit der Begründung eines die Abgaswerte manipulierenden "Thermofensters". Das LG hatte dem Kläger recht gegeben. Das OLG kam jedoch zur Auffassung, dass keine "vorsätzliche sittenwidrige Schädigung" vorliege. Das Bundesamt habe diesen Fahrzeugtyp nicht zurückgerufen. Diese Abschalteinrichtung sei sowohl auf dem Prüfstand als auch auf der Straße aktiv. Aus der Sicht des Motorschutzes sei dies möglicherweise erforderlich. Die Existenz eines Thermofensters allein rechtfertige noch nicht die Annahme eines von Mercedes zu verantwortenden Schädigungsvorsatzes.