Die möglicherweise davon abweichenden Ansichten des Peugeot-Managements müssen unerörtert bleiben, da die Öffentlichkeit bei der Vernehmung der von Peugeot nominierten Zeugen auf Antrag von Peugeot zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen ausgeschlossen wurde. Andernfalls hätten wir selbstverständlich auch diesen Argumenten ausreichenden Platz geboten.

Ein Dauerbrenner bei der Auseinandersetzung mit den Händlern scheinen die Kundenzufriedenheitsumfragen zu sein. Wobei die Grundidee derartiger Qualitätskontrollen von allen von Gericht vernommenen Händlern begrüßt wird; "bloß" bei der Umsetzung hapert es. Kein Verständnis gibt es dafür, dass die einseitig von Peugeot gestalteten Überprüfungen zu massiven Kürzungen der Qualitätsprämie führen.

Vorweg müssen mindestens 60 Prozent verwertbarer E-Mail-Adressen abgeliefert werden. "Wenn das grundsätzlich erfüllt ist, muss man weitere 89 Prozent sehr zufriedene Kunden aufweisen, die einen weiterempfehlen, um eine Prämie zu erhalten." Dieser Wert ist aus Sicht des Händlerverbandsobmanns Bernhard Kalcher im Normalfall nicht zu schaffen. "Wir müssen die Kunden auf Knien anflehen, die Fragebögen auszufüllen." In Kalchers Einzugsgebiet waren bei 400 Neuwagenverkäufen 40 bis 50 Antworten zu erreichen: aktuelle Zustimmungsrate 95,7 Prozent.

Nach den Erfahrungen des Zeugen Markus Figl aus Neulengbach werden solche Befragungen von Kunden als Belästigung empfunden. "Wenn einer unzufrieden ist, teilt er das durchaus mit. Zufriedene Kunden werden nicht unbedingt eine Befragung ausfüllen." Es sei überaus schwierig, "den Kunden diese Bewertungen näher zu bringen". So liegt bei ihm der Rücklauf bei Neuwagenkunden bei 10 bis 15 Prozent, im Werkstattbereich unter 5 Prozent.

Keine direkten finanziellen Auswirkungen haben die Befragungen der Werkstattkunden. "Da antworten meist nur unzufriedene Kunden -und das anonym." Doch das nützt dem Betrieb nichts: "Ich kann das nicht mit den Mitarbeitern besprechen; damit sind auch keine Verbesserungen möglich", kritisiert Kalcher. Seine Forderung bei Gericht lautete daher: "Umfragen dürfen weder prämien- noch margenrelevant sein; und es muss von Peugeot offengelegt werden, welches Fahrzeug das betrifft." Da es sich bei diesen Befragungen um die Kunden der jeweiligen Peugeot-Händler handelt, kann Peugeot diese Anonymität auch nicht mit "Datenschutz" begründen.

Entzug des Händlervertrages droht

Doch auch ohne direkte finanzielle Auswirkungen schlagen sich schlechte Kundenbewertungen im sogenannten "360 Grad scoring" nieder. Es handelt sich dabei um eine Händler-Rangliste zur Bewertung des Gesamtbetriebes. Wer bei dieser Skala am unteren Ende landet, dem kann laut Peugeot-Vorgaben der Entzug des Händlervertrages drohen.

Mysteriös geht es auch bei den "Mystery Shoppern" zu. Wer da beim Verkauf nicht ganz genau alle Peugeot-Vorgaben erfüllt, fällt unter die Prämiengrenze von 225 Euro pro Neuwagen. Ihm wird diese Qualitätsprämie für drei Monate gestrichen. "Wenn ein Betreuer von einem echten Kunden besetzt ist, kann er nicht gleichzeitig den Mystery Shopper betreuen", ärgert sich Kalcher. Sollte dann gerade kein Testwagen zum Vorführen verfügbar sein, kann der Betrieb nicht die erforderlichen 825 Punkte erreichen. Schmunzeln mussten die Richter über den Fall, den Walter Mayer aus Gießhübl berichtete. Ein unangemeldet im Geschäft auftauchender Kunde wollte ein Modell kaufen, das es neu gar nicht mehr gab. Worauf ihn der Verkäufer aufmerksam machte. Als der Unbelehrbare mit diesem dann auch noch eine Probefahrt machen wollte, musste er bedauernd weggeschickt werden. Worauf Mayers Verkäufer für diesen Testkauf nur etwas über 700 Punkte bekam.

Wer unter 825 Punkten bleibt, kann auf eigene Kosten einen weiteren Test "nachkaufen". Wer dann wieder nicht die erforderlichen Punkte erreicht, hat Pech. "Wie wirkt sich das aus?", wollte das Gericht von Mayer wissen. "Da habe ich für ein Quartal rund 35.000 Euro zurückzahlen müssen", bekam das Gericht dank Mayers trockenem Kommentar einen lebensnahen Einblick in den Geschäftsalltag eines Peugeot-Händlers.

Probefahrt, auch wenn sie die Kunden nicht wollen?

Die Folge: Die Verkäufer drängen den Kunden eine Probefahrt auf, auch wenn diese gar keine wollen. Und zwar aus Angst vor negativen Mystery-Bewertungen. "Das sollte für die Händler planbar sein - mit Fahrzeugreservierungen wie bei normalen Kunden", verlangt Kalcher für seine Markenkollegen vor Gericht. "Und die Feedback-Besprechungen sollten gleich erfolgen, nicht erst 14 Tage später, wenn keiner mehr das Verkaufsgespräch rekonstruieren kann."

Bei Peugeot stoßen die Händlerwünsche auf taube Ohren. "Der Verband hat derzeit keine Verhandlungsmacht mehr", sagt Kalcher. Peugeot möchte laut Kalchers Einschätzungen mit einer kleineren Gruppe größerer Händler am Verband vorbei operieren. "Das ist eine geschäftliche Entscheidung, die in ganz Europa sogehandhabt wird."

Die Erfahrungen scheinen ihm recht zu geben. Etwa, wenn eine Kundin ihren Peugeot-Händler am Telefon beschimpft, dass er ein Betrüger sei. Der sie mit einem Rabatt von 13,5 Prozent über den Tisch zu ziehen versuche. Sie habe knapp danach von einem Verkäufer von Peugeot Wien völlig unaufgefordert einen "Fuhrparkrabatt" von 18,5 Prozent angeboten bekommen. Naheliegend, dass der frustrierte Händler diese Kundin nie mehr zu Gesicht bekommen hat. Dem Händler wäre bei diesem Geschäft eine Restspanne von 2,7 Prozent verblieben.

Da stellte sich für das Gericht die Frage, wie sich Peugeot Wien da einen Rabatt von 18,5 Prozent leisten kann. Kalcher bekam dazu jedenfalls die Auskunft, es handle sich um eine zweimal im Jahr stattfindende Telefonaktion, die nicht nur für die Wiener Peugeot-Tochter, sondern auch für andere Händler offen sei."Das wurde uns aber nie mitgeteilt", verweist er in diesem Zusammenhang auch auf das von Peugeot installierte Order-System, in das alle Händler ihre Kundenofferte einzuspeisen haben.

Freie Händler werden unter Druck gesetzt

Was Peugeot einen recht guten Überblick über die Konkurrenzsituation zwischen den einzelnen Händlern verschafft. Womit der Importeur das Netz der freien "Peugeot"-Händler mit eigenen Offerten massiv unter Druck setzen kann.

Für Peugeot Wien und ihre Niederlassung in Linz scheinen derartige Rabatte kein Problem zu sein. So verwies Kalcher auf den im Firmenbuch aufscheinenden Ergebnisausgleichsvertrag. Wie AUTO & Wirtschaft bereits im Dezember 2011 berichtete, wurden in der Bilanz 2009 Verluste der Vertriebstochter in Höhe von 4 Millionen Euro "ausgeglichen". Darüber hinaus wurde die splendide Tochter noch mit einer Strukturstütze von 600.000 Euro gesponsert.

Ein Geschäftsmodell, das auch das Interesse der Bundeswettbewerbsbehörde als Amtspartei in diesem Kartellverfahren geweckt hat. Die Antworten, die Peugeot dazu vor Gericht parat hat, entziehen sich der Berichterstattung. Denn für die Einvernahme der Peugeot-Mitarbeiter hat Peugeot vorsorglich den Ausschluss der Öffentlichkeit beantragt.

Teil 1 zum Thema: Prozessrisiko

Teil 2 zum Thema: Der Prozess geht weiter