future mobility: Vor welchen Herausforderungen steht die Autoindustrie – vor allem was Antriebe betrifft?
Univ.-Prof. Dr. Bernhard Geringer: Die wesentliche Vorgabe ist die CO2-Reduktion, die im Rahmen des Pariser Klimaschutzabkommens beschlossen wurde und auch auf der europäischen Ebene entsprechende Folgen hatte. Auf gesetzlicher Ebene gilt momentan die Vorgabe einer Absenkung auf 95 g CO2/100 km bis 2021 für die Pkw-Flotten des jeweiligen Herstellers. Es gibt aber bereits Diskussionen über eine weitere Reduzierung um 35 oder gar 40 Prozent, womit wir dann auf etwa 60 g wären. Das bedeutet für die Zukunft, dass der Mix eines Herstellers an Antrieben auf diese Vorgaben hin entwickelt werden muss – für Hersteller, die diese Vorgaben nicht erfüllen, wird es bei der Vermarktung schwierig werden, weil sehr hohe Strafsteuern drohen. Anzumerken ist hierbei aber, dass in dieser europäischen Regel nur Strom oder Wasserstoff mit null CO2 gerechnet werden, regenerierbare Kraftstoffe wie E-Fuels jedoch nicht, was an sich ungerecht ist.
Emissionen sind nicht gleich Emissionen – werden in öffentlichen Diskussionen nicht oft alle Schadstoffe in einen Topf geworfen beziehungsweise deren Auswirkungen vermengt?
Mir ist wichtig, das Thema Schadstoffe und Treibhausgase klar zu trennen, beide Themen werden in öffentlichen Diskussionen immer wieder vermischt. Wesentlich für eine mögliche erwartete Klimaänderung in Form der Erderwärmung sind das CO2 bzw. andere Treibhausgase wie etwa Lachgas oder Methangas. Die Vorgabe aus Paris setzt sich zum Ziel, CO2 zu reduzieren, wobei das grundsätzlich für den Menschen nicht giftig ist, ihm aber indirekt durch den Klimawandel schaden könnte. Toxische Stoffe sind hingegen das Kohlenmonoxid (CO), die Kohlenwasserstoffe (HC), die Stickoxide (NOx) und der Feinstaub, genauer gesagt Partikel (PM). Diese 4 schädlichen Emissionen sind, beginnend in den 70er-Jahren, zwischenzeitlich in den verschiedenen Euroemissionsstufen in Europa für Pkws und Nutzfahrzeuge beschränkt und auch massiv verringert worden – oft bis auf wenige Prozente vom Ausgangswert. Bei diesen Werten zählt nicht der Flottendurchschnitt – ein Auto kann schlechter sein als andere – sondern es gibt Grenzwerte. Erfüllt also das Fahrzeug die Vorgaben nicht, darf es gar nicht fahren, wird also nicht typisiert oder auch später vom Markt genommen (sprich Kennzeichen abgenommen).
Wie lässt sich das Treibhausgas CO2 bei Fahrzeugantrieben verringern?
Unser „Feind“ ist das CO2, ein globales Gas, weil es sich sehr schnell verteilt. Jeder auf diesem Planeten, der CO2 aus fossilen Quellen (wie Kohle, Öl oder Gas) emittiert, trägt dazu bei, dass sich der Wert in der Atmosphäre erhöht. Alle Emittenten – nicht nur der Verkehr und auch nicht wo der fährt – tragen dazu bei. Die Vorgaben, die wir jetzt haben – das 95-g-Ziel, das etwa 4 l Kraftstoff/100 km entspricht – ist mit normalen Fahrzeugen auf Basis fossiler Primärenergie so nicht erreichbar. Wenn es auf 60 g CO2/km geht, entspricht das 2,5 Litern, dies wäre nur mit extrem leichten, kleinen Fahrzeugen – also 400 bis 500 kg schweren 2- oder 3-Sitzern, erreichbar, also Fahrzeuge, die wahrscheinlich nur wenige kaufen würden. Bei einem Auto erwartet man eine gewisse Größe. Was wir also unter einem Mittelklasse-Pkw verstehen, kann mit einem normalen Antrieb definitiv nicht mehr betrieben werden. Da müssen wir also an weiteren Schrauben drehen. Solche wären: Hybride und grüne Kraftstoffe, erzeugt aus regenerierbaren Quellen wie Biomasse, Sonne und Wind oder Wasserkraft.
Spielt der Diesel künftig bei der Verringerung des CO2-Ausstoßes bei Fahrzeugen eine Rolle?
Der Diesel wird eine entscheidende Rolle spielen. Denn er ist die Verbrennungskraftmaschine mit dem besten Wirkungsgrad, die Verbrauchswerte sind um 15 bis 20 Prozent geringer gegenüber einem Benziner und damit, wenn man das auf den Kraftstoff umrechnet, bei CO2 und bei gleicher Leistung mindestens 15 Prozent besser. Sagt man, dass der Diesel nicht mehr en vogue sei, erkauft man sich damit aber gleichzeitig sofort einen beachtlichen CO2-Nachteil, den man dann anders kompensieren muss. Das derzeitige Dieselbashing betrifft vor allem die Schadstoffe, die er emittiert. Wichtig ist, ihm eine passende Abgasbehandlung angedeihen zu lassen. Das ist technisch aufwendiger und teurer, diese Technik ist aber seit 2 bis 3 Jahren in Großserie auch beim Pkw vorhanden. Den Dieselpartikelfilter gibt es ja schon länger. Das bedeutet – und das wird auch von staatlichen Stellen wie dem Umweltbundesamt bestätigt – dass wir den Schadstoffausstoß mit der Stufe Euro 6 d im Griff haben. In Österreich sind wir insofern in einer positiven Situation, da es ein klares Bekenntnis gegen Fahrverbote gibt. Der Benzinmotor ist in den Herstellkosten grundsätzlich günstiger. Zukünftig sind noch einige Maßnahmen, die eine CO2 -Reduktion zwischen 10 und 15 Prozent bringen könnten, möglich, zum Beispiel variable Ventilsteuerung, variable Verdichtung und weitere Variabilitäten. Wobei der Benziner, was den Wirkungsgrad betrifft, noch ein höheres Verbesserungspotenzial hat als der Diesel. Reicht das alles nicht, bleibt als nächste Schiene nur die Hybridisierung, beginnend mit dem Mild Hybrid mit 48 Volt Netz; damit kann man den Verbrenner bis zu 15–20 kW unterstützen, aber noch nicht rein elektrisch fahren. Wir gehen davon aus, dass im Pkw-Bereich bei Benzinern nur mehr dieser Antrieb vorherrschen wird, auch bei Diesel werden mehr solche Mild-Hybrid-Systeme eingesetzt werden, was beim CO2 einem Verbesserungspotenzial von 12 bis 15 Prozent im gemischten Fahrbetrieb (mit viel Stop-and-go) entspricht. Für schwerere Fahrzeuge werden entweder Full-Hybrid- oder Plug-in-Hybrid-Systeme mit einer rein elektrischen Reichweite derzeit bis zu
80 km zum Einsatz kommen.
Sind die CO2-Ziele eigentlich überhaupt erreichbar?
Grundsätzlich sind die CO2 -Ziele mit technologischen Maßnahmen erreichbar, sie bedeuten aber Aufwendungen, weil damit eine Änderung am Antriebssystem einhergeht. Diese muss auch bezahlt werden, einerseits für die Fahrzeuge, andererseits für die dafür notwendige Errichtung der Infrastruktur wie Ladestellen, Wasserstoff- oder Erdgastankstellen. Wenn wir wollen, was die Politik vorgegeben hat, darf man nicht nur A, sondern muss auch B sagen, dann kann das umgesetzt werden. Aus meiner Sicht sind CO2-Verringerung und die Schonung der Ressourcen sinnvoll und notwendig. Ob es sinnvoll ist, nur auf Elektrofahrzeuge zu setzen und nicht genauso auf das Thema synthetische Kraftstoffe und die Wasserstofftechnologie, bezweifle ich. Aus meiner Sicht ist das Forcieren des Elektroautos falsch, denn es muss am ganzen Pfad – Stichwort „Well to Wheel“ – von der Herstellung der Energie über Fahrzeugherstellung bis zur Entsorgung in die Ökobilanz eingerechnet werden, und da ist das Elektrofahrzeug nur manchmal, aber bei Weitem nicht immer, je nachdem, welche Randbedingungen es gibt, besser. Es ist also ein Mittel zum Ziel, aber sicher nicht das alleinige. Weshalb ich eine ganzheitliche Systembetrachtung für die sinnvollste Vorgehensweise halte. Diese muss dann auch umgesetzt werden.