Wusste Bertha Benz, wie lang das Benzin im Fahrzeug ihres Mannes reichen würde oder sprachen ihre beiden Söhne schon 1888 von Reichweitenangst, als sie ihre Mutter von Mannheim nach Pforzheim begleiteten? War ihnen klar, wo die nächste Apotheke zu finden war, in der sie das nötige Benzin für die Weiterfahrt kaufen konnten?
Geht es um die Elektromobilität, fühlen wir uns manchmal ein wenig in der Zeit zurückversetzt. Genauso wenig, wie sich die Autofahrpionierin jemals hätte vorstellen können, dass sich in Zukunft so vieles um die damals neue Mobilitätsform dreht und schon bald ein dichtes Netz an Infrastruktur darum herum entsteht, können wir heute erfassen, wie schnell sich das Elektrokarussell tatsächlich drehen wird.
Die aktuelle Renaissance an Elektroautos startete zwischen 2003 (Umbauten & Kleinserien) und 2009 (Mitsubishi i-MiEV, erstes Großserienmodell). Bedenkt man, dass zwischen Bertas Tour und dem ersten „Tankstellen-Verzeichnis“ in Deutschland – es enthielt Kolonialwarenhändler, Fahrradhandlungen, Hotels etc., die Benzin bereithielten – über 20 Jahre vergingen und noch einmal fast zehn Jahre bis zur ersten echten Tankstelle, wird klar, dass wir heute nur raten können, was tatsächlich auf uns zukommt.
Autohersteller als Infrastruktur-Provider
Versprechungen gab und gibt es viele, die Batterietauschidee etwa. 2013 wurden entsprechende Stationen in Israel – die Distanzen und die Fahrzeugnutzung in dem Land sollten ideale Voraussetzungen bieten – stillgelegt. Heute weiß man, dass es sich bei dem Konzept um einen kaum finanzierbaren Irrweg handelte. In China nimmt man gerade wieder einen Anlauf in diese Richtung, aber diesmal kommen Fahrzeuge und Tauschstationen aus einer Hand, der von Nio, einem frisch an der New Yorker Börse notierten „globalen Unternehmen“.
Was fast wieder an Tesla erinnert, wo mit den Superchargern eine eigene Infrastruktur auf die Beine gestellt wurde. In Europa gibt es mittlerweile über 400 Standorte mit mehr als 3.200 Ladepunkten, die nur für Tesla-Piloten bestimmt sind. Batterien mit hohen Kapazitäten in den Modellen kommen dazu. Die kalifornische Marke kann dadurch auf eine durchwegs reisefreudige Klientel zählen, die das Wort Reichweitenangst eher vom Hörensagen als aus eigener Erfahrung kennt. Die Supercharger sind wieder ein gutes Beispiel, dass die Goodies von Heute schon Morgen nicht mehr gültig sein müssen. Tesla kaufen, hieß bis Anfang 2017 noch unbegrenzt gratis laden. Mittlerweile gibt es bloß ein Empfehlungsprogramm, bei dem der Empfehlende Prämien lukriert und der Empfohlene eine sechsmonatige, kostenlose Supercharger-Nutzung erhält.
Was machen die Besitzer von E-Autos aller anderen Marken? Auf die wachsende Lade-Infrastruktur bauen und auf eine Vereinheitlichung der Zahlvorgänge hoffen. Beim ersten Punkt gehört etwa Smatrics zu den Vorreitern. Das Joint Venture von OMV, Siemens und Verbund kann heute auf mehr als 435 Ladepunkte verweisen – fast die Hälfte davon sind Highspeed Ladepunkte mit Leistungen von 43 beziehungsweise 50 kW –, es gibt aber auch schon 350-kW-Lademöglichkeiten. Verstreut sind sie tatsächlich über ganz Österreich, vor allem natürlich entlang der Autobahnen und in Ballungszentren. Im Herbst 2018 wurde die Kooperation mit den ÖBB gestartet, um Pendlern mit Ladepunkten an Bahnhöfen die multimodale Mobilität zu erleichtern.
Was die Zahlvorgänge betrifft, wird es den Elektromobilisten ebenso immer einfacher gemacht. Immer neue App-Dienste versprechen die einfache und grenzenlose Nutzung der Infrastruktur, ohne überall angemeldet sein und dutzende Karten im Börsel haben zu müssen, wie es noch vor Jahren üblich war.
Neue Batterie-Ära
Während heute meist die klassische Lithium-Ionen-Batterie geladen wird, bereitet sich die Automobilindustrie längst auf die Ära danach vor: Mit Marktreife der Feststoffzelle wird der nächste große Sprung in der Batterietechnik erfolgen. Der japanische Chemiker Dr. Akira Yoshino, der mit seinem Patent für eine Lithium-Ionen Batterie 1985 den Weg für die heutigen Elektroautos bereitete, meinte in einem „AUTO BILD“-Interview, dass es noch zehn Jahre dauern wird, bis die Feststofftechnologie mit ihren Vorteilen gegenüber der Lithium-Ionen-Akkus großserienreif ist. Das Hitzeproblem fällt weg, der gleiche Platz kann für mehr Zellen verwendet werden, die Reichweite wird steigen. Zudem kann die Feststoffzelle deutlich schneller geladen werden.
Know-how aus Österreich
Mit speziellem Assembling und innovativem Thermomanagement hebt sich die leistungsfähige Batterietechnologie von Kreisel Electric schon heute von vielen Mitbewerbern ab. Die mit einer Spezialflüssigkeit umspülten Akku-Lösungen der oberösterreichischen Firma verhelfen unter anderem Sport- und Geländewagen, Transportern aber auch Schnellbooten und sogar Flugzeugen zu passender Performance.
Auch CEO Markus Kreisel rechnet etwa mit 2030 als Serienstart der Feststofftechnologie: „Auf jeden Fall gibt es sehr große Anstrengungen dazu, um die Technologie serienreif und auch leistbar zu gestalten“, äußert er sich auf unsere Anfrage. Auf die Entwicklung „Kosten pro kWh eines Batterie Packs“ angesprochen, meint Kreisel: „Heute liegt man für einen Serieneinsatz (über 10.000 Stück pro Jahr, durchschnittlich 60-kWh-Batterie) bei über 200 Euro pro kWh. Durch steigende Stückzahlen ist die Tendenz fallend. Grundsätzlich ist die Zelle ausschlaggebend für den Preis, heute gibt sich ein Verhältnis zwischen Zelle und Pack von 60:40.“ Mit hoch industrialisierten und effizienten Lösungen ließe sich der Pack-Anteil noch auf 20 Prozent minimieren, wobei hier Sicherheit und Skalierbarkeit eine wichtige Rolle spielen.
Die künftige Rolle der Firma, die seit 2014 – da stellten sie den Electric-Kart-Weltrekord auf – schon öfter für Aufsehen in der Autobranche gesorgt hat, sieht Kreisel so: „Wir stehen am Beginn der Elektrifizierung der Welt: E-Mobilität, vernetzte Energiekonzepte, stationäre Speichersysteme und Ladestationen. Kreisel wird als Solution Provider diese Transformation federführend mitgestalten, mit innovativen Produkten und nachhaltigen Lösungen. Wie zum Beispiel einer Schnellladestation mit integriertem Speicher, diese entlastet das Stromnetz und ermöglicht unter anderem sogar Wertschöpfung für den Besitzer.“