future mobility: Wasserstoff und Brennstoffzelle sind ja seit vielen Jahren ein Klassiker in der Diskussion um alternative Antriebe. Warum ist Ihrer Meinung nach gerade jetzt das Wasserstoffzeitalter gekommen?
Dipl.-Ing. Dr. techn. Alexander Trattner (lacht): Mit „Klassiker“ liegen Sie ganz richtig. Am Anfang war der Wasserstoff, nämlich kurz nach dem Urknall. Die Brennstoffzelle ist in etwa genauso alt wie die Verbrennungskraftmaschine, sie wurde 1838 von Christian Friedrich Schönbein und seinem Kollegen William Grove „erfunden“. Heute steigt der Druck, nachhaltige Technologien zu bringen, nicht zuletzt durch politische Forderungen, die CO2-Emissionen zu reduzieren.
Warum hat es so lange gedauert?
Es hieß bei den großen Herstellern ja immer: „In 5 Jahren ist es so weit.“ Heute sagen das nur noch die deutschen Hersteller, Hyundai, Honda, Toyota haben serienreife Fahrzeuge auf der Straße. Natürlich wollen die Hersteller mit der bestehenden Technologie Gewinne machen, freiwillig stellt keiner um. Aber der gesellschaftliche Druck steigt. Und auch, wenn es nicht breit kommuniziert wird: Es gibt keinen großen Hersteller, der derzeit nicht an Brennstoffzellen-Fahrzeugen forscht.
Sind die nicht vorhandenen Tankstellen nicht ein großes Hemmnis für den Erfolg der Technologie?
Insgesamt wäre die Wasserstoff-Infrastruktur im Vollausbau günstiger als die Infrastruktur für batterieelektrische Fahrzeuge. Die Anlieferung zur Tankstelle kann in unterschiedlichen Konzepten erfolgen, der Mix wird auch vom Hochskalierungsszenario abhängen.
Wir denken in der ersten Stufe auch nicht an den Pkw. Bus und Schwerverkehr sind deutlich besser geeignet für die Markteinführung. Hyundai bringt 1.000 Brennstoffzellen-Lkws nach Europa, in China und Japan wird mit Hochdruck an Wasserstoffflotten gearbeitet. Für große Flotten über 100 Fahrzeuge ist es sogar denkbar, den Wasserstoff selbst vor Ort zu erzeugen. Die Technologie der PEM-Elektrolyse hat sich so stark verbessert, dass sie relativ kostengünstig verfügbar ist.
Wie sieht es denn mit dem Wirkungsgrad der Wasserstoffherstellung aus?
Bei großen Anlagen erreicht man derzeit Wirkungsgrade bis zu 80 Prozent. Dazu muss man sagen, dass der Energieverlust hauptsächlich als Wärme anfällt, die man ja zum Beispiel auch für Heizzwecke nutzen könnte.
Wichtig ist auch, dass die Wasserstoffelektrolyse der Schlüssel zur dezentralen Speicherung von überschüssigem Öko-Strom sein kann – das sind existierende Kapazitäten, die derzeit wegen der Marktsituation nicht genutzt werden. Interessant ist auch, dass man Wasserstoff ins Erdgasnetz einspeisen und so speichern kann – Nebeneffekt ist, dass das Erdgas dadurch „grün“ wird.
Apropos speichern – man hört immer noch, dass der Wasserstoff sich im Tank verflüchtigt – was ist da dran?
Das ist eine Legende, bei der unterschiedliche Technologien vermischt werden. Das Problem des Verflüchtigens trat beim Speichern von Flüssigwasserstoff bei tiefen Temperaturen auf. In modernen Brennstoffzellen-Fahrzeugen wird gasförmiger Wasserstoff unter hohem Druck gespeichert – 700 bar im Pkw, 350 bar im Lkw oder Bus. Diese Drucktanks sind technisch vollkommen dicht. Dadurch kann man auch sagen, dass die Technologie genauso sicher ist wie z. B. ein Benzin- oder Dieseltank.
Welche Umwelteffekte sind gesamtgesellschaftlich durch den Einsatz von Wasserstoff drin?
Wie wir – mit den Kollegen Manfred Klell und Helmut Eichlseder in unserem Buch „Wasserstoff in der Fahrzeugtechnik“ dargestellt haben, ist es durchaus technisch möglich, das Energiesystem rein CO2-frei zu bedienen. Natürlich brauchen wir dazu den Ausbau der erneuerbaren Energieproduktion von derzeit ca. einem Drittel auf 80 bis 90 Prozent im Jahr 2050. Dazu ist es auch nötig, die Wasserstoffproduktion auf „grün“ – also durch Elektrolyse von Wasser anstatt wie bisher aus fossilen Quellen – umzustellen, was in der Industrie derzeit zunehmend passiert. Auch dort ist das CO2-Einsparungspotenzial enorm, etwa bei der Reduktion von Metallen. Auch als Energie für Haushalte ist die Brennstoffzelle denkbar – wenn sie sich am Transportsektor und in der Industrie etabliert hat.
Sind Autos mit Brennstoffzelle ökologisch sinnvoller als batterieelektrische Fahrzeuge?
Wenn man den gesamten Lebenszyklus betrachtet, ist für die Batterieproduktion ein hoher Rohstoff- und Energieeinsatz nötig, außerdem ist sie alles andere als CO2-arm. Brennstoffzellen lassen sich sehr einfach produzieren und enthalten nur geringe Mengen seltener Erden. Von der Nutzung her ist in Sachen „Zero Emission“ das Elektroauto ideal für Stadtfahrzeuge, sobald höhere Zuladungen und Reichweiten verlangt werden, kommt die Brennstoffzelle zum Einsatz.
Im Video sehen Sie den Abschlussvortrag des früheren HyCentA-CEO, Assoc.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Manfred Klell: