Dabei ist das Thema erst in den vergangenen Jahren durch die enorme Vielfalt der Motoren und den unterschiedlichen und vor allem hohen Anforderungen an die Schmierstoffe so relevant geworden. Es ist noch nicht so lange her, da hat es gereicht, als Werkstätte ein 10W-40 von einem (einigermaßen) renommierten Hersteller im Programm zu haben. Je besser die Marke, umso höher der Preis.   

Vielfalt nicht mehr überschaubar

Heute sind das Angebot und die Vielfalt in Wahrheit nicht mehr überschaubar, Oil-Finder zieren die Websites der Schmierstoffhersteller, um herauszufinden, welches Öl für welchen Motor wirklich passt. Auf den Dosen muss das Kleingedruckte gelesen werden. Vorbei die Zeiten, als der Fachmann beim Nachfüllen zum Kunden gesagt hat: „Ein besseres Öl kannst du immer draufleeren.“  Mit den Katalysatoren und später mit den Turbodiesel-Motoren ist es schwierig geworden, heute ist das Thema insgesamt tatsächlich sehr ­komplex.  Turbo, Intercooler, Dieselpartikel und SCR-System sind heute Standard. Immer kleinere Motoren mit immer weniger Öl müssen immer mehr leisten und dürfen immer weniger verbrauchen. Die Reibung im Motor ist mitentscheidend für den Verbrauch, die Emissionen und den CO2-Ausstoß. Und die Reduktion dieses CO2-Ausstoßes ist überlebenswichtig für die Automobilhersteller. Somit muss das Motoröl exakt auf die Anforderungen des Motors abgestimmt sein, Rückwärtskompatibilität gibt es nicht mehr. Hat man vor wenigen Jahren das heute sehr häufig verwendete 0W-20 als unrealistisch betrachtet, werden heute 0W-16 und OW-8 vorgestellt. 

Komplexität ändert das Business

Mit der Komplexität hat sich auch das Ölgeschäft geändert. Früher hat ein Motorenhersteller selbigen entwickelt und dann bekanntgegeben, welche Viskosität verwendet werden darf. Heute ist das Motoröl ein Konstruktionselement, die Schmierstoffhersteller (und/oder die Additivhersteller) werden eingeladen, mit dem Autohersteller das richtige Öl mit dem neuen Motor (bzw. Getriebe, …) zu ­entwickeln. Das Öl muss seinen Teil leisten. Erst einige Zeit nach der Markteinführung wird das Additivpaket quasi für alle freigegeben und die Ölhersteller können ihr Produkt auf Basis der vorgegebenen Formulierung entwickeln. Dann gibt es drei Varianten:

1.) Der Schmierstoffkonzern reicht das Produkt beim Autohersteller ein. Dort wird es getestet und – im positiven Fall – freigegeben. Der ­Autohersteller lässt sich Test und Freigabe natürlich bezahlen. Der Ölhersteller kann eine offizielle Freigabe dieses für den entsprechenden Motor auf dem Produkt kommunizieren. 

2.) Die Ölmarke entwickelt kein eigenes Produkt für diesen Motor, sondern kauft von einem anderen Hersteller zu. Lieferant und Käufer reichen gemeinsam beim Autohersteller – mit der schon vorhandenen Freigabe – eine weitere Freigabe für den neuen Produktnamen ein. Damit gibt es eine Freigabe unter anderem Namen.

3.) Der Ölhersteller ist überzeugt, dass sein Produkt den Anforderungen des Motorenherstellers entspricht, will sich aber eine Freigabe aus Kostengründen ersparen. Um der Werkstätte und dem Kunden Sicherheit zu geben, stellt er ein Garantieschreiben aus. Sollte aufgrund des Öls ein Schaden auftreten, übernimmt der ­Ölhersteller die Haftung.

4.) Der Ölhersteller lässt das Produkt nicht vom Fahrzeughersteller prüfen und erhält daher keine offizielle Freigabe. Die Kommunikation hinsichtlich des empfohlenen Einsatzes ist dabei sehr vielfältig. Für eventuelle Schäden, die durch die Verwendung von nicht freigegebenen Ölen entstehen, kann die ausführende Werkstatt haftbar gemacht werden. Spezifikationen wurden vom Automobilhersteller also nicht geprüft und nicht freigegeben. Dennoch können sie den Anforderungen entsprechen, hierzu ist aber das entsprechende Vertrauen zum Ölhersteller erforderlich. 

Marketingempfehlungen

Darüber hinaus gibt es auch die „Empfehlungen“ der Automobilhersteller. Hier ist natürlich davon auszugehen, dass diese Produkte eine entsprechende Freigabe haben. Dennoch ist klar, dass eine großzügige Marketingunterstützung der entsprechenden Ölfirma gezahlt wurde und (ähnlich wie durch die Kosten der Freigaben) die Autohersteller schöne Zusatzerträge erwirtschaften. Gegenüber anderen, vom Autokonzern freigegebenen Schmierstoffen, die in der Regel mit denselben Additivpaketen hergestellt wurden, unterscheidet sich das „offizielle“ Öl grundsätzlich nicht. Was „vom Automobilhersteller empfohlen“ wird, muss zudem nicht zwangsweise im Werk ­eingefüllt worden sein. •

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