Anhänger-Schwerpunkt, Teil 2: Wir plaudern ein wenig über die
erforderliche Ausrüstung des Zugfahrzeuges und stellen elektronische
Helferlein in den Vordergrund, die den Alltag des Anhängerfahrers
bequemer und sicherer gestalten.
Im ersten Teil unseres Anhänger-Schwerpunktes haben wir einen Blick
auf die technisch und rechtlich im Anhängerbetrieb zu beachtenden
Gewichtsgrenzen geworfen. Nach diesem eher trockenen
Paragraphenslalom geht es heute in die Praxis: Muss man eine
abnehmbare Anhängerkupplung entfernen, wenn kein Anhänger gezogen
wird? Wowird die Reißleine korrekt montiert? Und: Wie kann ich mit
Anhänger ohne Kopfschmerzen rückwärts fahren?
rückspiegel Wenn der Anhänger so breit ist, dass die Rückspiegel des
Zugfahrzeuges keine ausreichende Sicht auf nachfolgende Fahrzeuge
bieten, werden zusätzliche Spiegel erforderlich. Sie werden entweder
direkt am Spiegelgehäuse oder am Kotflügel montiert.
durchsichtiger Anhänger
Unter dem Titel "Transparent Trailer" arbeitet Land Rover an einem
Kamerasystem, das dem Lenker den Verkehrsraum hinter seinem Anhänger
anzeigt. Das kann vor allem bei großen Anhängern, die einen
gewaltigen toten Winkel erzeugen, hilfreich sein. Die gleiche Kamera
kann dann auch beim Rangieren den unmittelbaren Nahbereich hinter dem
Anhänger anzeigen. Ein Versuchsfahrzeug wurde 2015 präsentiert, ein
Serieneinsatz ist derzeit aber nicht absehbar.
Anhängerkupplung Abnehmbare Anhängerkupplungen sind obligat, wenn das
Kennzeichen des Zugfahrzeuges durch den Kugelhals teilweise verdeckt
wird. Wenn kein Anhänger gezogen wird, muss diese Anhängerkupplung
grundsätzlich entfernt werden. Davon abgesehen muss der Haken für
Fahrten in Österreich nicht demontiert werden, wenn kein Anhänger
gezogen wird. In Deutschland ist das Abnehmen des unbenützten Hakens
hingegen vorgeschrieben. Am Fahrzeug dauerhaft angebrachte, aber
ausklappbare Anhängerkupplungen werden entweder manuell oder mit
einem in die Kofferraumverkleidung integrierten Taster entriegelt.
Der Kupplungshals der Anhängerkupplung kann einfach mit dem Fuß
arretiert werden, wenn er nicht von selbst in der Endstellung
einrastet. Ein Tipp zur Pflege der Anhängerkupplung: Vor dem
Auftragen von frischem Fett sollte die Kugel gereinigt werden, damit
vorhandener Schmutz nicht wieSchmirgelpapier wirkt. Als
Reinigungsmittel eignen sich zum Beispiel Verdünnung oder Spiritus.
Besitzt der Anhänger einen Schlingerdämpfer, darf der Kopf hingegen
nicht gefettet werden!
nachträglicher kauf einer Anhängerkupplung Wenn an einem Fahrzeug
nachträglich eine Anhängerkupplung montiert werden soll, muss diese
nicht typisiert werden, wenn die Marke und Type der Kupplung ohnehin
bereits im Genehmigungsdokument eingetragen ist oder diese
Anhängerkupplung ein E-Prüfzeichen besitzt und für das jeweilige
Fahrzeug als geeignet erklärt wurde. Der entsprechende Nachweis muss
bei jeder Fahrt mitgeführt werden. Übrigens: An Fahrzeugen, die nach
dem 8. September 1999 typisiert wurden, dürfen ausschließlich
EG-genehmigte Anhängervorrichtungen montiert werden.
reißleine Der Hebel der Feststellbremse des Anhängers wird mit dem
Zugfahrzeug über ein Seil verbunden. Das Seil soll dabei möglichst
straff gespannt sein. Löst sich der Anhänger, wird durch das Seil die
Bremse angezogen. Anschließend reißt das Seil ab. Das Abreißseil wird
dazu in der vorgesehenen Öse (am Rahmen des Zugfahrzeuges oder am
Haken selbst) eingehängt. Das Reißseil mit einer Schlinge (eventuell
mehrfach) um den Zughaken zu wickeln, ist in Österreich nicht
verboten. In Deutschland wird das bei Fahrzeugen ohne Öse als
Notlösung toleriert. In den Niederlanden und der Schweiz ist das
explizit unzulässig.
fahrtenschreiber Wenn die Summe der höchsten zulässigen
Gesamtgewichte von Zugfahrzeug und Anhänger über 3.500 Kilogramm
liegt,
müssen gewerblich genutzte Nutzfahrzeuge einen digitalen
Fahrtenschreiber zur Aufzeichnungen der Fahrdaten eingebaut haben.
Der Fahrer ist verpflichtet, den Fahrtenschreiber bei allen
gewerblichen Fahrten zu verwenden und die zulässigen Lenk-und
Ruhezeiten penibel zu beachten! Während diese Bestimmung in
Österreich nur für Zugfahrzeuge mit Lkw-Typisierung (N1, N2, N3)
angewendet wird, fallen in Deutschland auch Kombis (M1) unter die
Ausrüstungs-und Verwendungspflicht.
navigationssystem Moderne Navigationssysteme können bei der
Routenwahl auch starke Steigungen, gefährliche Gefällestrecken oder
Höhenbeschränkungen berücksichtigen, wenn die entsprechenden
Informationen in den Kartendaten enthalten sind. Das gleiche gilt für
die erlaubte Höchstgeschwindigkeit, die für die Errechnung der
prognostizierten Fahrzeit von Bedeutung ist.
rückfahrkamera Zum Ankuppeln des Anhängers ist eine Rückfahrkamera
Gold wert - wenn sie entsprechend angebracht ist. (Bei der G-Klasse
von Mercedes zeigt das Bild am Monitor überraschenderweise nicht den
Haken, sondern das formatfüllende Reserverad.) Mitunter ist es sogar
möglich, statt der Einparkhilfslinien, die den Bewegungspfad des
Fahrzeugs abhängig von der Lenkradstellung symbolisieren, eine
einzelne Linie für den Kugelkopf der Anhängerkupplung auszuwählen.
luftfederung Ein höhenverstellbares Luftfahrwerk hilft beim Ankuppeln
des Anhängers -dennoch muss der Fahrer aussteigen, um die elektrische
Verbindung anzuschließen, das Reißseil einzuhängen und das Stützrad
hochzuziehen. Für das Anhängen vor Publikum ist es natürlich sehr
cool, wenn sich das Auto in die Höhe pumpt und die Anhängerkupplung
bereits schließt, während der Fahrer am Weg zum Wagenheck ist.
rangierassistent Das von vielen Gelegenheitsfahrern gefürchtete
Rangieren mit dem Anhänger wird durch moderne Assistenzsysteme
dramatisch erleichtert. Als erster Anbieter hat Volkswagen mit dem
2014 vorgestellten Passat eine supereinfach zu bedienende
Rangierhilfe vorgestellt. Der erweiterte Parklenk- Assistent kann
nicht nur das Auto ohne Lenkeingriff des Fahrers in Parklücken
bugsieren, er erkennt auch über die Rückfahrkamera die Stellung der
Anhängerdeichsel und errechnet die erforderlichen Lenkkorrekturen, um
(je nach Wunsch des nicht lenkenden Lenkers) gerade zurückzusetzen
oder verkehrt um eine Ecke zu schieben. Gesteuert wird der Anhänger
dabei über den Einstellknubbel der Außenspiegel, der wie ein Joystick
bewegt wird. Während der Fahrer bei handgeschalteten Modellen leicht
Gas geben muss, reicht es bei Fahrzeugen mit Automatikgetriebe, den
Fuß von der Bremse zu nehmen, damit sich das Gespann in Bewegung
setzt. Für das Bremsen bis zum Stillstand ist generell der Fahrer
verantwortlich. An seine Grenzen gerät das System, wenn der
Knickwinkel zu groß ist -dann hat aber auch ein geübter Pilot bereits
Schwierigkeiten, den Anhänger noch zielgerichtet zu steuern.
Mittlerweile ist der Trailer Assist auch für andere Modelle und
Marken des VW-Konzerns bestellbar. Der "Erweiterte Anhängerassistent"
des Land Rover Discovery (auch beim Range Rover Velar verfügbar)
übernimmt das richtige Lenken, um den Anhänger in die gewünschte
Position zu bringen. Nach der Eingabe der jeweiligen
Fahrzeugabmessungen errechnet die Elektronik die Fahrlinien und zeigt
sie auf dem Touchscreen am Armaturenbrett an. Dirigiert wird der
Anhänger über den Drehregler des Terrain-Response-2-Systems. Die
intelligente Steuerung des Systems warnt den Fahrer dabei rechtzeitig
und selbsttätig, sollte der gewünschte Lenkeinschlag zu stark
ausfallen oder eine knifflige Situation drohen.*)
gespannstabilisierung Bei jeder Fahrt regen Straßenunebenheiten,
Windböen oder Ausweichmanöver den Anhänger zum Pendeln an. Breite
Wohnwagen sind besonders gefährdet, da deren Räder gerne in den
seitlich versetzten Lkw-Spurrillen nachlaufen. Die Pendelschwingungen
klingen bei zunehmender Fahrgeschwindigkeit immer langsamer ab, ab
der kritischen
Geschwindigkeit -die jeweils von den Eigenschaften der Fahrzeuge, der
Ladung und anderen Bedingungen abhängt - gar nicht mehr. Diese
Pendelschwingungen machen das Gespann schließlich unbeherrschbar. Die
Anhänger-Antischleuder-Elektronik ist eine Softwareerweiterung im
ESP-Steuergerät, die bei praktisch allen Herstellern verfügbar ist.
Bei Mercedes wird das System zum Beispiel Trailer Stability Assist
(TSA) genannt. Die Querbewegungen des instabilen Anhängers übertragen
sich auf das Zugfahrzeug, das seinerseits zu schlingern beginnt. Der
Gierratensensor des Pkw bemerkt diese Bewegungen, das ESP-Steuergerät
nimmt daraufhin Gas weg und leitet eine Bremsung ein -die freilich
ziemlich komplexabläuft. Verzögert wird an allen vier Rädern und
zwar mit höchstens einem Drittel der vollen Bremskraft. Die
Entwickler wollen damit vermeiden, dass zum Beispiel ein soeben
überholter Lkw einem heftig bremsenden Pkw- Gespann ins Heck rauscht.
In Hinblick auf die Stabilität beginnt die Bremsung genau dann, wenn
der Anhänger bei seiner Pendelschwingung die "neutrale" Null-Lage
passiert. Die Querkräfte, die er auf das Zugfahrzeug schickt, gleicht
das ESP-Steuergerät aus, indem es den Vorderrädern wechselweise
unterschiedlich hohe Bremskräfte zuteilt. Wichtig ist, dass der
Fahrer bei auftretenden Pendelschwingungen das Lenkrad festhält und
nicht gegenlenkt - nur dann kann das System erkennen, dass die
Pendelbewegung unerwünscht ist. Wenn der Fahrer das Gespann hingegen
selbst durch ständiges Lenken aufschaukelt, wird die Elektronik nicht
wirksam, denn die Instabilität wird nicht durch den Anhänger, sondern
durch das Lenken des Fahrers verursacht.
video Speziell Reiter wünschen sich, auch während der Fahrt
überprüfen zu können, ob mit den Pferden alles in Ordnung ist.
Volkswagen "Cam-Connect" macht das möglich: Einige
Infotainmentsysteme können mit einer GoPro-Hero-4-Kamera gekoppelt
werden. Über die kostenlose Android-App "Car-Net Cam-Connect" lässt
sichdas Bild auf das Display im Wagen übertragen. Während der Fahrt
schickt die Software aus Sicherheitsgründen ein Standbild auf das
Display des Infotainmentsystems; es wird alle fünf Sekunden
aktualisiert. Sobald der Volkswagen steht oder mit
Schrittgeschwindigkeit (bis 5 km/h) fährt, ist die Übertragung eines
durchgehenden Videostreams möglich.
spurstabilisator ("schlingerdämpfer")
Ein mechanisch arbeitender Schlingerdämpfer presst die Deichsel des
Anhängers besonders fest auf den Kugelkopf. Damit hemmt er die
Drehbewegung des Anhängers um den Kupplungspunkt und dämpft so die
Pendelschwingungen des Anhängers. Der Kugelkopf darf in diesem Fall
nicht geschmiert werden!
Beleuchtungskontrolle Die Anhänger-Beleuchtungskontrolle*) von Land
Rover ermöglicht eine Kontrolle der Anhängerbeleuchtung ohne eine
zweite Person. Das System wird über den Touchscreen oder per
Knopfdruck im Kofferraum aktiviert und lässt die Lampen am Anhänger
aufleuchten, während man hinter dem Gespann steht. Die analoge Lösung
ist ähnlich einfach: Man zwicke ein Schneebeserl zwischen Bremspedal
und Fahrersitz ein - eine Lösung, die in Österreich freilich leichter
umsetzbar ist als in Arizona oder Kalifornien.
stützlastkontrolle Die Deichsellast des Anhängers soll die mögliche
Stützlast des Zugfahrzeuges möglichst erreichen, aber nicht
überschreiten. Die Stützlastkontrolle von Land Rover*) verhindert
eine Überladung. Die Stützlastkontrolle wird entweder über den
Touchscreen oder per Smartphone mitder App InControl Remote Premium
aktiviert. Die analoge Lösung besteht im Ankauf einer Federwaage im
Camping-Fachhandel -oder man verwendet einfach die Badezimmerwaage. «
*) Informationenüber die Anhänger-Assistenzsysteme des Land Rover
Discovery sind den ausführlichen Beschreibungen der Presseunterlagen
entnommen - ausprobieren konnten wir diese Systeme bisher noch nicht.