FAMILIENAUTOS: Herr Professor Visser, braucht die Welt eine weitere Automarke?

Alain Visser: Nein. Deshalb haben wir auch nicht einfach eine neue Marke entwickelt, sondern ein neues Konzept. Anstatt mit dem Produkt zu beginnen, haben wir uns gefragt: Was wollen die Kunden eigentlich?

Was wollen die Kunden denn?

Sie wollen es einfach, vernetzt und mobil. Der Kunde von heute hat mit seinen Bedürfnissen und Ansprüchen mit dem Kunden vor 100 Jahren nichts mehr zu tun, nicht mal mit jenem vor zehn Jahren. Das Geschäftsmodell der Automobilindustrie ist allerdings seit 100 Jahren das Gleiche.

Bitte erklären Sie uns das

Dazu möchte ich ein wenig ausholen. Wir haben uns gefragt: Was sind die drei großen Trends weltweit, die für uns wichtig sind? Erstens "From Going to Being Connected with" - das heißt, das Mobilitätsbedürfnis ist noch immer da, aber das Konnektivitätsbedürfnis kommt dazu. Denken Sie nur daran, wiebesessen wir alle von unseren Handys sind! Zweitens "From Owning to Experiencing", also Erleben statt Besitzen, weg vom Materialismus hin zu Lebensqualität. In China beispielsweise, das noch vor fünf Jahren supermaterialistisch war, verschwinden die Prada-und Hermes-Megastores, weil die Menschenam Wochenende lieber gemeinsam essen gehen, joggen, also etwas unternehmen, anstatt zu shoppen. Gerade in dieser extremen Phase der Digitalisierung ist der Wunsch nach menschlichem Kontakt sehr groß, als eine Art Gegensteuerung. Drittens "From Observing to Engaging", die junge Generation engagiertsich mehr, anstatt nur zu beobachten, die haben ein Interesse an unserem Planeten. Weiters möchte ich eine interessante Studie erwähnen, von der Cambridge University, wo jedes Jahr die neuen Studenten gefragt werden: "Was sind die drei wichtigsten Dinge, die du in den nächsten 24 Monaten erreichen, kaufen, haben möchtest?"- Bis 2011 war das Auto immer auf Platz 1 oder 2. Seit 2012 ist es nicht einmal mehr unter den Top Ten!

Das sind unsere Kunden, die mobil und connected sein wollen. Es geht also nicht mehr darum, Autos zu verkaufen, sondern Mobilität

Was mit diversen Leasing-oder Carsharingmodellen bereits passiert

Zum Teil, ja, und Lynk&Co wird das Spotify der Automobilindustrie sein! Konnektivität wird für uns das Wichtigste sein, wir arbeiten daher mit drei großen Unternehmen in den USA, China und Europa zusammen: Microsoft, Alibaba, Ericsson. Unser Auto wird man nicht im klassischen Sinn kaufen. Auch beim Smartphone kauft man sozusagen einen Vertrag, der alles beinhaltet, und bekommtnach ein oder zwei Jahren ein neues Handy -unser Konzept wird ähnlich sein. Wir werden nur wenige Geschäfte und diese nicht in den sogenannten Automeilen haben, sondern mitten in den Städten, dort, wo die Kunden sind. Wir glauben allerdings, dass der Großteil der Käufe online passieren wird -und zwar sehr einfach: Es gibt eine One-Price-Strategie, kein Nachlass, das heißt innerhalb ganz Europa gleich. Und nun kommt einer meiner Lieblingspunkte. Was glauben Sie, wie viele Varianten man von einem herkömmlichen Auto, egal welches Modell, bauen kann, mit allen möglichen Farben, Optionen, Motorisierungen etc?

Hm, ehrlich gesagt, weiß ich es nicht.

Von einem durchschnittlichen Auto können Sie heute zwischen 500 Millionen und 5 Milliarden Varianten bauen! Wir hingegen werden genau acht haben -mit allem drin. Und da die Menschen heute auch bereit sind, ihre Wohnung zu sharen, warum nicht auch das Auto? Lynk&Co wird also einen Share-Button haben - Details der Funktionsweise folgen. Lynk&Co wird heuer noch in China gelauncht, nach Europa und in die USA kommt die Marke 2019, nur mit rein elektrischem oder Hybridantrieb. Und unsere Autos, das erste Modell heißt 01, werden zugestellt. Und wenn sie zum Service müssen, das in Niederlassungen von Volvo (gehört seit 2010 zur Geely Gruppe) stattfinden wird, werden sie abgeholt und wieder "nach Hause" geliefert.

Was wird der Lynk&Co 01 kosten?

Das steht noch nicht fest. Durch die wenigen Varianten und den Direktvertrieb sparen wir jedenfalls viele Kosten. Die Autos werden immer auf Lager sein. n