Dürfen Werkstätten ihren Kunden einen Preisnachlass auf den
Selbstbehalt gewähren? Oder steht dieser der Versicherung zu?
Die Schadenssteuerung gehört zum Alltag der Kfz-Versicherer
-zumindest wenn sie diese selbst machen. Was passiert, wenn eine
Werkstätte zu dieser Verkaufshilfe greift? Darf sie bei einer
Kaskoreparatur dem Kunden den Selbstbehalt "schenken"? Oder einen
derartigen "Rabatt" bewerben? Eine heikle Frage, sobald Werkstätten
mit derartigen Rabattwünschen ihrer Kunden konfrontiert sind.
Aufsehen erregte zuletzt die Carglass Austria GmbH mit ihrer Werbung,
Kaskoversicherten bei Steinschlag ihre Windschutzscheibe kostenlos zu
reparieren und somit auf den Kaskoselbstbehalt zu verzichten.
"Außerdem geben wir eine lebenslange Garantie auf die Haltbarkeit der
Reparatur und die Dichtigkeit der Scheibe bei Neueinbau", bewarb
Carglass ihren Service auf der Homepage.
50 Prozent Nachlass auf den Selbstbehalt
Mit einerähnlichen Werbung kam ein deutscher Konkurrent vor einigen
Jahren mit den Konsumentenschützern in Konflikt: Ein Autoglaserer
verteilte Gutscheine, mit denen Kaskogeschädigten beim Austausch von
Windschutz- oder Heckscheiben 50 Prozent Nachlass auf den
Selbstbehalt (bei 150 Euro) und ein kostenloses Ersatzauto für die
Dauer der Reparatur offeriert wurde. Dies qualifizierte die Zentrale
zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs als irreführende Werbung und
klagte die Firma auf Unterlassung.
Die rechtfertigte sich damit, dass sie sich gegenüber verschiedenen
Versicherern durch Rahmenverträge verpflichtet hat, nur bestimmte
-für Versicherungen kulante -Preise in Rechnung zu stellen. Im
Gegenzug hätten sich die Versicherer damit einverstanden erklärt,
dass sie ihren Kunden deren Selbstbehalt zur Hälfte erstatten. "Die
Gutscheine seien ausschließlich in Agenturen von Versicherern
hinterlegt worden, mit denen entsprechende Vereinbarungen bestanden
hätten." Somit fuße diese Aktion auf legitimen Absprachen mit den
leistungspflichtigen Kaskoversicherern.
Das Landgericht Essen sah die Sache anders. Die Gutscheine seien auch
Personen zugänglich gewesen, die ihre Fahrzeuge anderswo versichert
hatten. "Ein Wettbewerber, der auf das Wettbewerbsgeschehen
betrügerisch einwirke, begehe damit einen Wettbewerbsverstoß", heißt
es. Daher sei das Verschweigen des Rabattes ein Betrug zulasten des
Versicherers. "Dieser sei ein geschützterMarktteilnehmer, weil er
wegen der Besonderheiten der Kaskoversicherung hinsichtlich der
Preisgestaltung in die Rolle des Kunden rücke." Die Gutscheine seien
zwar durch Vertragswerkstätten der Beklagten verteilt worden, "diese
habe sich aber durch das Inverkehrbringen des Gutscheins an dem
Betrugbeteiligt". Ein entsprechender Rabatt stehe nämlich
grundsätzlich der Versicherung und nicht dem Kaskokunden zu.
"Dieser wird jedoch durch die Werbung verlockt, die Interessen der
Versicherer im Blick auf den eigenen Vorteil nicht hinreichend zu
wahren."
Welche Preisnachlässe sind erlaubt?
Der Bundesgerichtshof sah diese Sache differenzierter. Die
Voraussetzungen für einen "Betrug" seien nicht vorgelegen. "Das
Werben mit Preisnachlässen ist wettbewerbsrechtlich grundsätzlich
zulässig. Entsprechende Angebote unterliegen jedoch einer
Missbrauchskontrolle." Ein beworbener Preisnachlass sei dann
wettbewerbswidrig, "wenn von der Vergünstigung eine derart starke
Anziehungskraft ausgeht, dass die Rationalität der
Nachfrageentscheidung beim Verbraucher vollständig in den Hintergrund
tritt". Das sei bei den versprochenen 75 Euro der Fall; die Aktion
sei wettbewerbswidrig gewesen.
"Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob für ein solches
Geschäftsmodell mittels eines Gutscheines oder in anderer Form
geworben wird." Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen,
dass "einzelne Versicherer selbst einen derartigen Erlass einer
Selbstbeteiligung anböten, wenn die Reparatur in einer von ihnen
empfohlenen Werkstätte durchgeführt wird". Bei denen handle es sich
um eine legitime Vertragsgestaltung.
Ausösterreichischer Sicht bedeutet dies, dass Werkstätten berechtigt
sind, ihren Kunden einen Nachlass auf den Selbstbehalt zu gewähren.
Diese wären aufgrund des § 62 Versicherungsvertragsgesetz
verpflichtet, diesen Rabatt im Rahmen der "Schadensminderungspflicht"
ihrer Kasko abzutreten. Ob sie das tun, ist deren Entscheidung. Den
Werkstätten ist es jedoch verboten, mit derartigen Rabatten zu
werben. Außer sie machen gleichzeitig klar, mit welchen
Versicherungen derartige Absprachen vereinbart wurden. Was den
Werbewert allerdings stark beeinträchtigen würde.