Wildes Wasser, steiler Fels: Vom steinernen Hochtor hinunter zur
sprudelnden Enns trifft man ein Naturwunder nach dem anderen. Man
muss nur genau hinschauen - am besten geht das, während man durch den
einzigen Nationalpark der Steiermark wandert.
Lange muss man im Nationalpark Gesäuse nicht unterwegs gewesen sein,
um herauszufinden, worüber die Leute so reden. Immer sind es die
Berge, die im Mittelpunkt stehen. Und wer wohnt den Bergen am
nächsten? Klar: die Hüttenwirte! Gäbe es eine eigene Klatschzeitung
im Gesäuse, dann würden die Bewirter der insgesamt zehn Hüttendort
immer wieder porträtiert werden. Dort laufen alle Fäden zusammen,
dort treffen sich die Leute - Einheimische genauso wie Gäste. Und wie
lernt man die Hüttenwirte am schnellsten kennen? Natürlich, indem man
bei ihnen auf eine Nacht vorbeischaut. Und wer gleich das komplette
Programm möchte, der kann seine fitten Wadeln für die Hüttenwanderung
motivieren, denn die geht in sieben bis neun Tagen quer durch den im
Oktober 2002 gegründeten Nationalpark. Auf dieser Tour lässt man
tatsächlich nichts aus und kann am Ende mit Stolz sagen: "Ich kenne
das Gesäuse!"
Der wahre charakter
"Die Menschen im Gesäuse sind robust, hoabuachan (urig), gemütlich
und fleißig", erzählt man sich im Johnsbachtal beim Donnerwirt, an
dessen Gastgarten man im wahrsten Sinne des Wortes vorbeikommt, wenn
man das Bergsteigerdorf mit seinen Almen besucht und nicht zuletzt
den Aufstieg zur Hess-und Mödlingerhütte inAngriff nimmt. Ein
bisschen ist es hier wie in einem gallischen Dorf -so ganz kommen
Fremde dem Spirit der (Ur-)Einwohner nicht auf die Schliche. Hier
muss man sich erst beweisen. Das macht man am besten, indem man sich
die Wanderschuhe an die Füße schnürt und sich ganz und gar von der
Bergwelt verschlucken lässt.
Aller Anfang ist schwer, vor allem, weil es im Gesäuse keine
Schummlerei gibt. Wer die Berge sehen will, der muss sie sich
erarbeiten. Und das Schritt für Schritt, denn außer ein paar
Materialaufzügen, die nicht mal eine Hand voll machen, wurden keine
Lifte oder dergleichen in die Landschaft gebaut. Das Gesäuse ist ein
ungeschliffener Diamantund genau deswegen so anziehend und
bezaubernd. Doch das wird der Wanderer alles noch selbst
herausfinden. Zuerst heißt es, Meter machen: von Admont über die
Kaiserau auf die Klinke Hütte, um sich eine regionale Limo zu gönnen
-die Gesäuseperle. Eine Limonade, die sich der Geschmacksrichtungendes Berges bedient und von der Heidelbeer oder Apfel-Holunder wohl
die empfehlenswertesten sind. Der Tag klingt allerdings erst auf der
malerischen Mödlingerhütte aus - mit ihrem dunklen Holz und den
grün-weißen Fensterbalken. Ein wunderschönes Gefühl, den
vollbepackten Rucksack endlich in dieEcke stellen zu können und den
Knien ihre wohlverdiente Ruhe zu gönnen. Sogar duschen kann man sich
hier -ein wahrer Luxus am Berg!
Durch johnsbach durch
Und schon geht"s durch die steirischen Urwälder ins Tal. Immer wieder
versucht man, auf den Totholzbäumen vielleicht einen blauen Alpenbock
zu erspähen. In Johnsbach geht sogar Sightseeing, zumindest ein
bisschen. Und zwar am Bergsteigerfriedhof, der einem gleich ein
bisschen Angst macht. Denn hier wurde allen Menschen, die in den
Bergenverunglückt sind, ein Denkmal gesetzt. So weiß man sofort, wer
wo wann abgestürzt oder in Bergnot geraten ist. Johnsbach ist bekannt
für seine Wirte und das Waldfest, das alle Jahre wieder ein Fixpunkt
auf dem Kalender der Einheimischen und Gesäuse-Fans ist. Doch an
Party ist momentan nicht zudenken, heute soll noch die Hesshütte
erklommen werden. In dreieinhalb Stunden geschieht das vom Kölblwirt
aus - zuerst jammern die Beine etwas, denn es geht steil bergauf,
dann wird man mit wunderschönen Einblicken belohnt. Auf der Hesshütte
wartet Reini mit einem Schnaps. "Im Frühling komm ich mir immer vor
wie ein Murmeltier, das wieder raus muss," erzählt er demjenigen, der
lang genug am Tresen verweilt. Alternativ kann man sich in
sternenklaren Nächten auch warm einpacken, denn vom Gesäuse aus hat
man einen der schönsten Blicke in den Sternenhimmel -nirgendwo in
Europa ist es soklar und der Blick auf den Großen Bär und Konsorten
so ungetrübt.
Land vor unserer zeit
Um auf die Ennstalerhütte zu kommen, passiert man eine der
urtümlichsten und unberührtesten Orte im Gesäuse, den Sulzkarhund,
ein Bergrücken, der einen gleich an Filme wie "In einem Land vor
unserer Zeit" erinnert. Hier eingebettet ist die Sulzkaralm, eine
Alm, wie sie im Buche steht. Ein Schnaps geht dort einfachimmer und
lässt auch den Weg hinunter ins Tal vermeintlich kürzer erscheinen.
Dort überquert man die Enns -neben der Salza eine der zwei
Lebensadern des Gesäuses. Je nach Tagesverfassung kann sie blau, grün
oder braun sein. Wir haben Glück, denn sie glitzert in schönstem
Türkis. Im kleinen Örtchen Gstatterboden (40 Einwohner) startet der
wild bewachsene Weg hinauf auf die Ennstalerhütte -die älteste im
Gesäuse mit den jüngsten Wirtsleuten. Auf gelb-getupften Lichtungen
stapft man durch den Wald und die Vorfreude auf ein heftig-deftiges
Abendessen macht sich breit. Die Anstrengungenwerden - wie so oft im
Gesäuse - belohnt, denn von der gut gepflegten Ennstalerhütte hat man
einen Rundumblick -und wenn sich dann auch noch das Alpenglühen
einstellt, weiß man, warum man alle Strapazen auf sich nimmt. Man
möchte weitergehen, immer weiter, denn bereits jetzt gehört die
Hüttenwanderung zum Leben wie das Salz in der Kaspressknödelsuppe. «
Nationalpark Gesäuse
Anreise: Von Wien sind es etwa 2,5 Stunden ins Herz des
Nationalparks, aus Graz braucht man 1,5 Stunden und aus Salzburg zwei
Stunden mit dem Auto.
Übernachten: Beim Wandern schläft es sich am besten auf einer der
Hütten (Hesshütte, Ennstaler Hütte, Admonter Haus etc.), wer lieber
am Boden bleibt, der kann in Johnsbach beim Kölblwirt, im Gasthof zum
Donner oder beim Gasthof Ödsteinblick bleiben.
Sehenswürdigkeiten: In Johnsbach ist der Bergsteigerfriedhof gleich
am Ortsanfang ein Unikat, ansonsten ist es mehr die Natur, die
anzieht, etwa die Wasserlochklamm in Palfau oder die Nothklamm in
Gams. Die Hüttenwanderung verbindet alle Hütten des Gesäuses
miteinander. In sieben bis neun Tagen biegt man diese
abwechslungsreiche Tour runter -je nachdem, wie es um die Kondition
bestellt ist. Selbstverständlich lässt sich diese Wanderung auch in
kleine Bausteine aufsplitten und in mehreren Etappen bewältigen.
Einfachere Wanderwege gehen unter anderem vom Erlebniszentrum
Weidendom aus. Diese sind gut beschildert und führen zum Beispiel
entlang der Enns bis nach Gstatterboden oder dem Johnsbach. Schön und
einfach zu gehen ist etwa der Wasserfallweg in Hall nördlich von
Admont.
Für Regentage empfiehlt sich ein Besuch im Stift Admont, das mit
seiner Klosterbibliothek locker mit den Naturschönheiten der Region
mithalten kann.
Baden: Entweder man springt in die eiskalte, aber dafür smaragdgrüne
Salza, die übrigens auch Trinkwasserqualität hat, oder man erfrischt
sich in einem der vielen Freibäder, die in Admont, Weng, Hall, Gams
oder Hieflau liegen. Infos: www.gesaeuse.at