Den Grundstein für dieses Zusatzgeschäft haben die Versicherungen selbst gelegt. Ihre Schadensabteilungen bekommen von den Kfz-Sachverständigen alle zur kompletten Beurteilung des gesamten Schadensfalles erforderlichen Daten, die meist mithilfe der Reparaturkalkulations- Programme von Audatex erstellt werden.

Die von GTL-Data unter Dr. Richard Nathschläger entwickelte Gutachtensmanagementsoftware Kfz5, mit der die Mehrheit aller SV-Gutachter arbeitet, wird nur ihnen und den Versicherungen zur Verfügung gestellt. Und die hat verschiedene - von Haus aus vorgegebene -Ausgabemöglichkeiten. Mittels Web-Service stehen den Kfz5-Nutzern neben der Kalkulation der Wertminderung nach der Verbands-, Salzburger-oder Freitag-Pfeffer-Formel die Damage-History mit allen gespeicherten Vorschäden, eine Online-Honorarberechnung und das Restwertcenter zur Einbringung von Totalschäden zusätzlich zur Verfügung.

Keine Infosüber Fahrzeugwert oder Restwert Die Werkstätten bekommen von diesem Informationsmenü nur einen kleinen Happen zu Gesicht. Sie erhalten über die Internet-Schadensportale NEXA, Top-Report, QuickCheck von Eurotax oder per E-Mail nur eine knappe Mitteilung über Reparaturkosten und Reparaturdauer. Sie bekommen keinen Fahrzeugwert, keinen Restwert und keine Infos über Vorschäden. Überdies ist ihnen die Weitergabe dieser dürftigen Informationen -selbst an ihre Kunden -unter der Androhung rechtlicher Schritte untersagt.

Der durch einen Unfall geschädigte Werkstattkunde bekommt daher üblicherweise keinen Einblick in das vom Kfz-SV erstellte Schadensgutachten. Das bleibt beim Schadensreferenten des Unfallgegners -der es ja auch in Auftrag gegeben und bezahlt hat -unter Verschluss. Weder die Werkstätte noch der Kunde kennt die rechtlich relevante Grenze der Reparaturzulässigkeit und der Reparaturtunlichkeit. Die kennt nur die zahlungspflichtige Haftpflichtversicherung des Schädigers. Bei kalkulierten Reparaturkosten in Höhe von 80 Prozent des Zeitwertes (des Unfallautos vor dem Schaden) schreibt die Versicherung häufig dem uninformierten Unfallopfer die lakonische Mitteilung "Grenzfall Totalschaden".

Das Auto kommt somit ungefragt und ohne Zustimmung des Geschädigten in die von Audatex für die Versicherungen gemanagte Restwertbörse. Dank eines hohen Börse-Restwertes und eines häufig niedrigen Zeitwertes bekommt dieser dann ein Abschlagsangebot, das er -mangels Kenntnis der tatsächlichen Werte -mehr oder minder akzeptiert. Weder die Werkstatt noch der Kunde können die ermittelten Werte überprüfen. "Damit werden den Werkstätten die durchaus reparierbaren Fahrzeuge weggeschleppt", kommentiert Bundesinnungsmeister Komm.-Rat Fritz Nagl diese Versicherungspraxis.

Geschädigten trifft Beweislast Hier kann die Werkstätte jedoch einhaken. Denn die Versicherung drängt den Geschädigten zwar zum Verkauf des Wracks, stellt ihm jedoch keine vom Gesetz geforderte Abfallprüfung zur Verfügung. Was vor allem dann von Relevanz ist, wenn der Bestbieter der Restwertbörsekein "Berechtigter" im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes ist. Nach § 24 AWG dürfen jedoch nur diese Wracks kaufen, wenn die Reparaturkosten den Zeitwert übermäßig übersteigen. Und den Geschädigten trifft beim Verkauf des Wracks die Beweislast, dass ein von der Versicherung in die Wrack-Börse eingebrachtes Fahrzeug kein "Abfall" ist.

Die Versicherung hat dank des Kfz5-Programmes diese Information. Sie könnte daher auch ein entsprechendes Gutachten ausstellen, dass es sich bei dem in die Wrackbörse eingestellten Totalschaden um keinen "Abfall" handelt. Was die Voraussetzung dafür ist, dass der Geschädigte dieses Wrack legal einem Käufer aushändigen darf, der kein Berechtigter im Sinne des §24 AWG ist. Die Versicherungen weigern sich jedoch häufig, derartige Gutachten aus der Hand zu geben. Offiziell gibt es dafür keine Begründung -vorgeschoben werden jedenfalls Haftungsfragen.

Auf die Rechtslage aufmerksam machen Damit der Kunde nun das Fahrzeug legal dem Wrackhändler ausfolgen kann, sollte die Werkstatt den Kunden auf diese Rechtslage aufmerksam machen und über die Vorschriften des AWG aufklären. Da sie nun von Haus aus den Kunden über die Vorschriften des AWG aufzuklären hat, sollte sie ihm auch die Durchführung einer "Abfallprüfung" offerieren.

Den Auftrag für die Abfallprüfung an die Werkstätte hat der Kunde zu erteilen. Jeder Meisterbetrieb ist dazu auch befugt. Die Kosten dieser Überprüfung hat beim Haftpflichtschaden die Versicherung zu bezahlen - obwohl sie der Kunde in Auftrag gegeben hat. Schon deshalb, da die Versicherung ihre "eigene" Überprüfung dem Kunden nicht ausgehändigt hat. Und dieser nach dem AWG verpflichtet war, sich über die "latente Abfalleigenschaft" seines "Wracks" zu informieren. Vor allem, wenn die Versicherung von sich aus das Unfallfahrzeug in die Wrackbörse eingebracht hat. Was aber vielfach -zur trickreichenMinimierung der Schadensablöse -schon bei 80 Prozent des Zeitwertes der Fall ist. Es ist rechtlich überdies auch ein notwendiger Gutachtensaufwand, damit der Geschädigte sein "Wrack" überhaupt an einen Unberechtigten aushändigen darf.

Im Rahmen einer derartigen Abfallprüfung ist die Verkehrs-und Betriebssicherheit nach §57a KFG zu überprüfen, das Fahrzeug ist zu bewerten, die Reparaturkosten sind zu kalkulieren. Bei einer derartigen Überprüfung kann sich herausstellen, dass die Tunlichkeitsgrenze von 110 Prozent gar nicht überschritten wird. Der Kunde hat daher die Möglichkeit, sein "Wrack" bei der Werkstätte reparieren zu lassen. Oder dass mithilfe von günstigeren Ident-oder Gebrauchtteilen die Tunlichkeitsgrenze weiter zugunsten des Geschädigten verschoben wird (Zeitwertreparatur).

Lösung im Autopreisspiegel Ein entsprechendes Abfall-Prüf-Tool ist Teil des "Autopreisspiegels" - und dieser kostet in der derzeit laufenden Sonderaktion im 448 Euro pro Jahr. Da sind bereits die Gebrauchtwagenbewertung, ein Tool zur Berechnung der merkantilen Wertminderung und der NOVA und Ähnliches inkludiert. Die Preise für eine derartige Abfallprüfung pendeln zwischen 200 und 300 Euro. Mit zwei bis drei Abfallprüfungen oder einem einzigen mit einer derartigen Berechnung vor der Wrackbörse geretteten "Wrack" hat sich die Jahreslizenz bereits amortisiert. Die "latente" Abfalleigenschaft eines Wracks hindert den Kunden jedoch nicht, das Wrack zu sich nach Hause zu nehmen. Erst mit der Übergabe an einen Dritten wird es zum "Abfall" - worüber sich der Kunde dank der Aufklärung durch die Werkstätte letztlich im Sinne des Umweltschutzes im Klaren sein sollte.