Es ist ein gewohntes Prozedere. Um halb fünf läutet der Wecker, eine Stunde später fährt der CAT (City Airport Train für alle Nicht-Wiener) und eine weitere Stunde später wird bereits abgehoben. Wer das schafft, ist um 9.00 Uhr bereits in Frankfurt und eine Stunde später in Wächtersbach. Wächtersbach? Ein Ort im Nirgendwo, der inunserem Fall auch nur als Orientierungshilfe dient, den Weiherhof und damit den heutigen Ausgangspunkt für die Präsentation der VW-Allradmodelle aus der Nutzfahrzeugschiene zu finden. Das gelingt dank wissendem Chauffeur problemlos.

Während andere Marken stets schon im Vorfeld dafür sorgen, dass an den Pressetagen ausschließlich eigene Produkte zu sehen sind, mussten hier die heimischen Land-Rover-, Toyota-und Mitsubishi-Modelle nicht weichen. Das mag daran liegen, dass hier wirklich viel Platz vorhanden ist oder auch daran,dass Volkswagen sehr gut weiß, welche Sonderstellung die Marke hier einnimmt. Drei Nutzfahrzeugbaureihen mit Allradantrieb in der 3,5-Tonnen-Klasse kann aktuell kein anderer Hersteller bieten und wenn das Mercedes-Benz demnächst doch gelingt, wird Volkswagen mit dem neuen Crafter bereits vier Baureihen bieten können. Die Hoffnung, einen allradgetriebenen Crafter als Überraschungsgast in die Hände zu bekommen, wird am Weiherhof nicht erfüllt, vielleicht auch, weil Ende März die Produktion noch nicht angelaufen ist und das gute Ding erst nach der Erscheinung des ALLRADKATALOGs in den Handel kommt. Macht aber nichts. VW hat nicht nur die bekannten Modelle Caddy, T6 und Amarok herbeigeholt, sondern auch diverse Sondermodelle und das Sortiment dauerhaft erweiternde Modelle parat. So offeriert man uns den Caddy als 35-Jahre-Sonderedition mit viel Zubehör, das es hier besonders günstigim Paket gibt, den T6 als wunderschöne Panamericana-Version, die auch schon beim Vorgänger sehr beliebt war, und den Amarok Pickup mit 204 PS, manueller Sechsgangschaltung und Untersetzung. In erster Linie geht es aber heute ums Fahren. Nicht im Extremgelände, sondern im Forst, und davon wird hier wirklich viel geboten. Mehr als 500 Kilometer befestigte Waldwege stehen hier zur Verfügung, ein paar wenige davon werden wir heute befahren.

Den Anfang macht der Caddy. Sein Allrad macht ihn zwar nicht zum Geländewagen, eigentlich nicht einmal zum SUV, aber für schlammige Forststraßen ist er bestens vorbereitet. Bis zu der Stelle, an der wir dem Gegenverkehr ausweichen müssen, wären wir vermutlich auch mit der Frontantriebsvariante gekommen, die schlammige Wiese mit zwei Rädern zu befahren und sieanschließend aus eigener Kraft wieder zu verlassen, wäre allerdings nicht möglich gewesen. Die 4Motion-Version zeigt sich von solchen Vorkommnissen unbeeindruckt, um nur ein paar Meter weiter auch auf der zwischenzeitig stark ansteigenden Forststraße durch die gebotene Traktion zu begeistern. Wer jetzt noch daran denkt, dass die Mehrheit aller gewerblich eingesetzten Caddy-Modelle stets einen gut gefüllten Laderaum vorweisen kann und dann und wann auch mal mit Anhänger unterwegs ist, denkt keine Sekunde mehr darüber nach, warum hierzulande knapp ein Drittel aller ausgelieferten Caddy-Modelle die Allradoption an Bord hat.

Noch deutlich höher fällt der 4Motion-Anteil beim T6 aus. Verantwortlich dafür ist nicht nur das Plus an Größe gegenüber dem Caddy, sondern auch die Tatsache, dass der T6, von ein paar wenigen Basis-Kastenwagenmodellen einmal abgesehen, in einer anderen Preisliga spielt. In der Praxis geht es bei den für die Personenbeförderung konzipierten Modellen bei rund 50.000 Euro los. Wer auf eine überkomplette Ausstattung und die Topmotorisierung Wert legt, kann auch 100.000 Euro für das dann zugegebenermaßen schon recht individuelle T6-Modell ausgeben. Unbeeindruckt vom Preis zeigen sich die Allwettereigenschaften des VW Bus. Auch wenn sich die zu befahrenden Wege nicht gänzlich mit jenen des Caddy gleichen, so sind die Basiseigenschaften doch als recht ähnlich einzustufen. Im echten Gelände hat auch ein serienmäßiger T6 nichts verloren. Ein Weg, der große Lacken, aufgeweichte Wiesen und losenSchotter an steilen Stellen bereithält, kann einen T6 aber nicht stoppen, und das reicht für die allermeisten Anwender dann auch schon.

Serienmäßig geländegängig präsentiert sich auch rund um Wächtersbach der Amarok Pickup. Neuerdings nur noch mit einem wunderbaren V6-Dieselmotor angeboten (siehe auch den Fahrbericht in diesem ALLRADKATALOG), steht hier erstmals auch eine Alternative zum Topmodell bereit. Mit 204 PS ausgerüstet, büßt er gegenüber der Topversion gerade einmal 20 Pferdestärken ein. Sein echter Vorteil aber liegt darin, dass er über einen manuell zuschaltbaren Allradantrieb und ein Untersetzungsgetriebe verfügt. Die Option des sperrbaren Hinterachsdifferenzials teilt er sich mit dem Topmodell. Zu verzichtengilt es allerdings auf die großartige Achtgangautomatik, die hier einem manuellen Sechsganggetriebe weicht, das stets die Basis für die Modelle mit zuschaltbarem Allradantrieb bildet. Angesichts der Drehmomentmassen, die der Amarok bereithält, bringt einen schon die Automatikversion fast überall hin, auch ohne Untersetzung. Auf der heutigen Testroute findet sich jedenfalls keine Stelle, die dem Amarok seine Grenzen aufzeigen würde. Den Unterschied zwischen weiterkommen und steckenbleiben machen hier ausschließlich die Reifen. Nur dort, wo es extrem steil bergauf und bergab geht und ständig schwere Lasten transportiert oder gezogen werden, kann die Version mit Schaltgetriebe einen leichten Vorteil für sich verbuchen. Zusätzlich stellt sie auch die bessere Basis für all jene dar, die aus dem Amarok ein extrem geländetaugliches Modell machen wollen, auch weil dann in der Regel deutlich größere Räder dazugehören. Geht es hingegen um den besten Preis, so sollten sich Amarok-Interessenten noch bis in den Spätsommer gedulden, dann kommt auch die ausschließlich mit Schaltgetriebe lieferbare Einstiegsversion mit 163 PS in den Handel. Der V6 gehört aber auch hier zur Serienausstattung. Das kann man gar nicht oft genug betonen.

Das hier beschriebene Angebot deckt vermutlich 95 Prozent der Kundenwünsche ab, die an Volkswagen herangetragen werden. Sie alle sind die Allradtechnik betreffend serienmäßig verfügbar, wodurch sich der Allradaufpreis in erfreulich engen Grenzen hält. Dennoch ist es nicht der Stil von Volkswagen, Kunden, die stets ein wenig mehr wollen, vor den Kopf zu stoßen.Ganz im Gegenteil. Sonderwünsche in kleinen oder auch in großen Mengen erfüllen die Wolfsburger dank der engen Kooperation mit einer Handvoll Spezialisten. Vertrieben über das ganz normale Händlernetz werden die in erster Linie zweckmäßigen Adaptionen von Firmen wie Seikel geliefert. Basierend auf einer jahrzehntelangen Zusammenarbeit ist hier ein Vertrauen entstanden, von dem nicht nur Volkswagen und Seikel, sondern in aller erster Linie der Kunde profitiert. Ein perfektes Beispiel dafür liefert der für rund 2.500 Euro (exkl. MwSt) umgebaute Caddy. Dank anderer Reifen und neuer Fahrwerkkomponenten rund eine Handvoll Zentimeter höher als das Serienpendant verfügt der Seikel-Caddy über einen zusätzlichen Unterbodenschutz und stabile Schutzrohre an den Seitenschwellern. Auf die kann man zwar nicht draufsteigen, dafür aber gefahrlos darauf aufsitzen. Ein solcherart gerüsteterCaddy taugt auch für die Nutzung auf derben Waldwegen, sogar dann, wenn seine Zuladungsreserven gänzlich ausgeschöpft werden. Die Testfahrt (mit Firmenchef Peter Seikel am Beifahrersitz) offenbart zudem einen weiter verbesserten Fahrkomfort, sowohl auf als auch neben der Straße. Eine mehr als nur überzeugende Vorstellung, die die Seikel-Adaptionen hier auf einem Terrain liefern, das ein Seriencaddy niemals unbeschadet befahren könnte. Auf Wunsch macht Seikel auch den T6 richtig geländetauglich. Das Angebot reicht hier von ähnlichen Modifikationen wie beim Caddy über einen verkürztenersten Gang und eine mechanische Hinterachsdifferenzialsperre bis hin zu einem Umbau auf Portalachsen. Auch wenn der Amarok noch nicht so wie Peter Seikel auf vierzig erfolgreiche Jahre im Motorsport (unter anderem Paris-Dakar und Le Mans) zurückblicken kann, wird dieser auf Wunsch zum extrem belastbaren Renntransporter umgebaut. Man kann zudem davon ausgehen, dass Seikel längst an Offroad-Modifikationen für den neuen Crafter arbeitet und diese zum gegebenen Zeitpunkt auch präsentieren wird.

Längst sitze ich wieder im Shuttle zurück zum Flughafen. Im Kopf ein mehr als nur gelungener Eindruck, den die Volkswagen-Nutzfahrzeugpalette heute hinterlassen hat. Ein paar Stunden haben gereicht, um Bekanntes zu erfahren und viel Neues kennenzulernen, wobei ganz subjektiv betrachtet, der Seikel-Caddy den stärksten Eindruck hinterlassen hat. Auch weil hier ein grundvernünftiges Auto solide modifiziert wurde, um künftig noch universeller einsetzbar zu sein. Allein dafür hat sich das frühe Aufstehen heute schon ausgezahlt. «