Die diesjährige 17. Shanghaier Autoshow auf dem neuen Hongqiaoer
kleeblattförmigen Expo-Gelände war Ende April eine Show der
Superlative: 1.400 Fahrzeuge, 113 Weltpremieren, fast 160 New Energy
Vehicles (Batterieund Hybrid), 65 Konzeptvorstellungen und 44
Asienpremieren forderten vom Besucher solides Stehvermögen und eine
gute Kondition.
Schon an den ersten beiden Pressetagen war infolge strenger
Sicherheitskontrollen stundenweise Blockabfertigung auf engstem Raum
angesagt, bei dem so manche Bügelfalte k. o. ging. Nach vier
Messetagen, zig Tuchfühlungen mit Motorhauben, Fahrzeugtüren und
Cockpit- Haptik-Tests steht es fest: Chinesische Autobauer wie Geely
und SAIC sind auf Augenhöhe mit westlichen Marken im
Mittelstandsegment und führend in der Elektromobilität. Eigentlich
nichts Neues, denn im Reich der Mitte wurden voriges Jahr 328.864
Elektro-und Hybrid-Autos verkauft; im 1. Quartal 2017 schon 49.619
NEVs (+23 Prozent).
Rote Lampe bei deutschen Herstellern
In den Chef-Etagen deutscher Autobauer, die einen Großteil ihres
Konzernumsatzes in China erwirtschaften, brennt inzwischen die rote
Warnleuchte. Aus "Angst" vor ungewünschtem EV-Technologietransfer
nach China haben die Deutschen in China kein einziges Elektroauto
entwickelt und produziert (Ausnahme: Daimler-BYD Joint Venture,
Modell Denza, allerdings ohne kommerziellen Erfolg). Mit weniger als
500 verkauften NEVs des Daimler C350e und BMW 530 Le erkämpften die
beiden Autobauer 2016 einen Marktanteil von 0,15 Prozent; heuer waren
es bisher sogar nur 0,05 Prozent. In den ersten drei Monaten hat BYD
9.000 NEVs, Geely ca. 8.000 NEVs und die staatliche SAIC-Gruppe schon
6.000 Batterie-und Hybridautos absetzen können.
Doch es wird eng: Ab 2018/19 müssen auch deutsche Hersteller ca. 8
Prozent des Absatzes mit New Energy Vehicles erzielen. Autobauern,
die diese Vorgabe nicht erfüllen, droht im Worst-Case-Szenario eine
Fertigungsobergrenze bzw. Importbeschränkung.
Konzeptstudien, mehr vorläufig nicht
Während chinesische Marken wie SAIC, BYD, BAIC, JAC, GAIC auf der
diesjährigen Autoshow inzwischen schon die zweite Generation an NEVs
vorgestellt haben und neue chinesische EV-Marken wie NIO, Hybrid
Kinetics, Qiantu Auto, Changjiang EV ins Rampenlicht drängen,
debütieren die deutschen Herstellermit Designstudien, gepaart mit
vollmundigen Ankündigungen wie die Vorstellung der neuen Audi e-tron
Sportback Konzeptstudie.
Zwei E-Motoren mit 320 kW im e-tron Sportback, gepaart mit dem
Feeling von Autonomem Fahren, beeindruckten die Besucher. Audi
verspricht seinen chinesischen Käufern, dass sie in einigen Jahren
viel Status erwerben können -sofern diese dann nicht schon mit einem
chinesischen elektrischen Super-Sportler von BAIC (Arcfox 7), dem
Qiantu Qiche K50 oder Tesla Model 3 unterwegs sind.
Die Volkswagen-Gruppe blickte mangels lokal produzierter und
produzierbarer NEV-Modelle noch weiter in die Zukunft. Jochen
Heizmann, Vorstand der Volkswagen AG für China, machte die
chinesische Kundschaft mit dem vollautomatischen Fahren im Cedric
vertraut: Level-5 autonomes Autofahren mit dem Roboter-Fahrzeug im
Manga-Look ohne Lenkrad, aber dafür mit viel künstlicher Intelligenz.
Ein kurzer Klick auf den Butler-Stick und schon schnurrt das
Wägelchen heran, bittet Platz zu nehmen und fragt nach dem Ziel -
schöne neue Shanghaier Autowelt.
VW will mit neuem chinesischem Partner fertigen
Heizmann kündigte weiters insgesamt 30 neue Batterieautos bis 2025 an
und lobte überdies die neue EV-Fertigungspartnerschaft in China mit
JAC Motors, die noch von den chinesischen Behörden genehmigt werden
muss.
Die JAC-Gruppe - ursprünglich aus dem Nutzfahrzeugbereich kommend
-produziert seit einigen Jahren billige Kleinwagen. Im 1. Quartal
2017 brach der SUV-Absatz von JAC mangels wettbewerbsfähiger Modelle
um 50 Prozent ein, das Limousinen-Geschäft ging um 22 Prozent zurück.
Die BEV-Division von JAC verkaufte 1.300 Kompakt-BEV, die durch grobe
Mängel im Karosserie-Design westliche Autofahrer abschreckt. VW will
bis 2020 mit dem chinesischen Partner 400.000 Elektro-und
Hybrid-Autos bauen und verkaufen.
Audi hat in Nordchina mit dem JV-Partner FAW eine langfristige
EV-Kooperation im Premiumsegment und arbeitet an der Entwicklung
einer umfassenden Elektromobilitäts-Strategie, die Mobilitätsdienste
wie Carsharing und automobile Internet-Dienste umfassen wird. Der
Ingolstädter Autobauer plant die Lokalisierung von rund fünf Audi
e-tron-Modellen in China. Seit Jänner soll der Audi A6L e-tron in
Changchun schon vom Band laufen, so eine Presseaussendung jüngst. In
der aktuellen CAAM-Produktions- und Absatzstatistik für Q1/2017 wurde
der Sport-Hybrid aber noch nicht gesichtet.
Die China-Version des A6L e-tron ist ein Plug-in- Hybrid mit 180 kW
Systemleistung und soll im Schnitt nur noch 2,2 Liter Kraftstoff
brauchen. Die Langversion des Audi A6 ist als hocheffizienter
Parallelhybrid konzipiert -seine beiden Antriebe liegen direkt
hintereinander. Rein elektrisch und lokal emissionsfrei legt der Audi
A6 L e-tron 2.0 TFSI 50 Kilometer zurück. Damit entspricht er der
chinesischen Definition eines NEV. Seine Gesamtreichweite beträgt 880
Kilometer.
Chinesische Lokalmatadore
Der Startschuss zum Einstieg deutscher Marken im NEV-Premiumsegment
ist also auf der diesjährigen Autoshow in Shanghai erfolgt. Im
unteren NEV- und SUV-Segment sind die chinesischen Hersteller
inzwischen die Lokalmatadore und arbeiten sich in der Gunst der
Käufer in die Mittelklasse vor.
Bleibt zu hoffen, dass chinesische Autobauer wie Geely mit Lync&Co,
SAIC mit dem neuen Roewe i6PHEV bzw. dem MG Emotion PHEV sowie GWM
mit der neuen Premiummarke WEI die deutschen Autobauer nicht auch
noch in der gehobenen Mittelklasse bzw. im Premiumsegment in
absehbarer Zeit angreifen werden.