Es vergeht kaum ein Tag, wo nicht irgendeine Pressemeldung auftaucht,
die uns vorschwärmt, wie schnell es gehen wird, bis uns unsere Autos
den Stress des Fahrens abnehmen werden. Wir könnten uns dann
zumindest teilweise anderen Vergnügungen hingeben, denn unser
unsichtbarer Chauffeur beherrscht das Fahren besser als wir selbst.
Es folgt der Hinweis auf den Flugverkehr, wo den Piloten vieles an
Steuerungsaufgaben abgenommen wird. Bei so vielen positiven
Zukunftsaussichten regt sich in manchem kritischen Zeitgenossen der
Verdacht, dass da irgendwo ein Haken sein könnte. Hat man uns
Europäer deswegen als Versuchskaninchen auserkoren, weil man genau
weiß, was Produkthaftungin Amerika bedeutet?
Die technische Aufgabe scheint mittels Datenverarbeitungüber
Computer relativ leicht lösbar zu sein. Die Reaktionsschnelligkeit
menschlicher Schadensabwehrmechanismen wird bei Weitem übertroffen.
So sind es vor allem Notbremsassistenten, die wertvolle Zeit sparen
helfen und damit auch Unfallfolgen vermindern können. Unter normalen
Umständen wird kaum jemand auf ABS verzichten wollen. Auch komplexe
Regelvorgänge zur Verhinderung von Schleuderoder Kippvorgängen
profitieren vom Zeitvorteil. Dort, wo akute Sichtprobleme auftreten
wie bei Lkws oder bei Nachtfahrten, sind es vor allem schwächere
Verkehrsteilnehmer, die von speziellen Systemen aufBasis
herkömmlicher Optik, Infrarot oder Radar profitieren. Positiv zu
bewerten ist die gesetzliche Vorschrift von Reifendrucksensoren, da
schleichender Druckverlust nur selten bemerkt wird. Eine Maßnahme
gegen menschliche Vergesslichkeit sind automatische
Abblendvorrichtungen bis hin zur Ausblendung der den Gegenverkehr
blendenden Scheinwerferpartien.
Eher harmlose Anwendungsformen der Computerisierung sind Systeme,über deren Notwendigkeit sich bereits diskutieren lässt. Dazu zählen
Verkehrszeichenerkennungen, Einparkassistenten, Regensensoren bis hin
zu sensorgesteuerten Heckklappen. Ernster wird es bei der Diskussion
über Alkomaten oder Müdigkeitserkennungen mit einem Blockieren des
Fahrzeugs. In Fachkreisen unumstritten ist hingegen die Ausrüstung
von Fahrzeugen mit einer Art Blackbox, da damit nach
Unfallereignissen die wahren Ursachen erforscht und Gegenmaßnahmen
gesetzt werden könnten.
Als letzte Konsequenz fortschreitender Automatisierung soll das
Fahrzeug wenigstens streckenweise die Kontrolleüber den gesamten
Fahrvorgang übernehmen. Die Konstrukteure solcher Systeme glauben,
sämtliche Aspekte der Betriebssicherheit erfasst zu haben
(Naturkatastrophen, technische Gebrechen, hochgeschleuderte Steine
oder Schlamm auf optische Systeme). Letztendlich wird es auf eine
Diskussion der Schadenswahrscheinlichkeit hinauskommen.
Wie sollte nun der Gesetzgeber auf Einrichtungen reagieren, die dem
Fahrer das abnehmen, was er mit Erlangung seines Führerscheines auf
sich genommen hat. Mit Wahrscheinlichkeiten fangen Juristen nicht
viel an, solche Systeme müssen neben 100 Prozent Betriebssicherheit
die strikte Einhaltung sämtlicher verordneter Maßnahmen garantieren,
auch wenn diese manchmal der Vernunft widersprechen oder sogar Fehler
in der Auslegung gesetzlicher Bestimmungen vorkommen.
Nichtsdestotrotz kann die Verantwortung nur beim Lenker bleiben.
Als ein durch die Ausbildung als Physiker geprägter und mit Vertrauen
an die menschliche Vernunft ausgestatteter junger Mann war es früher
für mich klar, dass Risiko als mathematische Größe berechenbar ist
und auch gefährliche Technologien wie die Atomkraft mit
Verantwortungsbewusstsein beherrschbar sind. Im Lauf der Zeit ist mir
der Glaube an menschliche Vernunft und die Richtigkeit von
Wahrscheinlichkeitsabschätzungen zwar immer mehr abhanden gekommen,
was aber die Bedeutung der Verantwortung nicht schmälert.
Es bleibt eine durch nichts veränderbare Tatsache, dass die Teilnahme
am Straßenverkehr mit hoher Verantwortung verbunden ist und wir die
Hilfsmittel der Technik so verstehen sollten, dass sie uns beim
Bewältigen menschlicher Schwächen helfen. Die Verantwortung werden
sie uns nicht abnehmen, zunächst einmal werden wir Verkehr und
Automatik überwachen müssen. Stress ade -bitte warten.