Der Direktvertrieb der Autohersteller, in den USA strikt verboten, nimmt in Europa immer gravierendere Ausmaße an. Bei manchen Marken läuft nur mehr ein Drittel der Verkäufe über reguläre Vertriebskanäle. Für Dr. Christian Genzow ist dies wettbewerbsrechtlich eine äußerst bedenkliche Entwicklung. Er präsentierte deshalb bei der Mitte September in Frankfurt abgehaltenen Bundestagung des Zentralverbands Deutsches Kfz-Gewerbe (ZDK) einen Vorschlag, um den Neuwagenhandel auf neue Beine zu stellen.

Fixe Prozentsätze statt Margendruck

Aktuell sind die Händler einerseits wie Marionetten an die Vorgaben ihrer Konzernzentralen gebunden. Andererseits sehen sie sich immer häufiger damit konfrontiert, dass die Endverbraucher im Direktvertrieb bessere Konditionen erhalten als regulär bei ihren Lieferanten einkaufende Markenbetriebe. Angesichts dessenist es sinnlos, das Trugbild eines unabhängigen Autohandels weiter aufrecht zu erhalten.

Genzow zog daraus die Konsequenzen: Er schlägt vor, den Neuwagenvertrieb über ein "Kommissionsagentursystem" abzuwickeln. Ein Fahrzeug stünde somit bis zu seinem Verkauf zu einem vom Hersteller festgelegten und im gesamten Netz einheitlichen Preis in dessen Eigentum, was angesichts des Wegfalls eines vertikalen Vertriebssystems keine wettbewerbsrechtlich verbotene Preisbildung darstellen würde. Die "Kommissionäre" sollen für ihre Fahrzeugvermittlung einen fixen Prozentsatz des Verkaufspreises erhalten -etwa 2 Prozent, wie dies derzeit auch zwischen A-und B-Händlern als Spannendifferenz üblich ist. Das Autohaus würde bei einemsolchen Kommissionsgeschäft zwar weiterhin das Risiko tragen, dass ein Kunde in Zahlungsschwierigkeiten gerät, doch ließe sich dies mit einem weiteren Prozent des Neuwagenpreises abgelten.

Vorteile für Händler und Kunden...

Aus Händlersicht hat das Kommissionsagentursystem den Vorteil, dass sich der Nutzen des Neuwagengeschäftes für jeden Markenbetrieb einfach und klar kalkulieren lässt. Lagerrisiko und Lagerdruck fallen weg. Auch die Lagerentwertung durch verbilligte Sondermodelle, die der Hersteller den regulären Angeboten nachschiebt, entfällt. Der Kampf um Käufer verlagert sich von "Intrabrand" auf "Interbrand", weil nicht mehr die erzielbaren Rabatte, sondern die tatsächlichen Preise verglichen werden. Der Händler verliert zwar die Freiheit der Preisgestaltung -aber die hatte er faktisch schon bisher nicht.

Die mühsame und unerfreuliche Rabattfeilscherei hat somit ein Ende. Ein angemessener Preis muss nicht erst erkämpft werden, denn jeder Kunde bekommt den gleichen, vom Hersteller im scharfen Wettbewerb mit seiner Konkurrenz festgelegten Preis. Das liegt durchaus im Interesse des Konsumentenschutzes.

...sowie für Importeure

Ein solides undüberschaubares Preisgefüge liegt auch im Interesse der Hersteller, die bei ihrem gegenwärtigen Marketing stets das Risiko unerlaubter Preisbindungen eingehen. So kämpft die spanische Anwältin Marta Caicoya derzeit in einem Kartellverfahren, das von den Wettbewerbshütern in Madrid gegen GeneralMotors und 20 Opel-Händler wegen unerlaubter "Preispflege" eingeleitet wurde. Auch die Vertriebsbindungen der anderen Hersteller stehen unter Beobachtung. Dieses Vorbild könnte bei den Wettbewerbsbehörden weiterer Länder Schule machen.

Das Kommissionsagentursystem hätte den Vorteil, dass die österreichischen Kfz-Importeure ihre Autos über ihre Kommissionäre landesweit zum gleichen Preis verkaufen könnten, ohne das Risiko unerlaubter Preisbindungen einzugehen. Es gibt dabei kein Ausscheren einzelner Händler, die justament doch noch über die Rabattschieneoperieren wollen. Da sie nicht eigene Autos, sondern fremde Autos in Kommission anbieten, sind ihnen bei dieser Kommissionsware ganz legal die Hände gebunden.

Geteilte Meinungen

Wie reagiert die Branche auf das neue Vertriebsmodell?"Zweifellos würde das Kommissionsagentursystem gerade für Klein-und Mittelbetriebe Vorteile im Hinblick auf die Sicherstellung eines marktgerechten Preises bieten" meint Komm.-Rat Mag. Dr. Gustav Oberwallner, stellvertretender Bundesgremialobmann des österreichischen Fahrzeughandels. Im Gegensatz zu den bislang vereinzelt angewandten Agentursystemen wäre es für Markenbetriebe weiterhin möglich, "im eigenen Namen" zu fakturieren. Allerdings würden die bisherigen Händler "einen sehr wesentlichen Teil ihrer unternehmerischen Kompetenz im Interesse der Marke und der Werterhaltung abgeben."

Dr. Alexander Martinowsky, Vorstand der Wiesenthal-Gruppe, will die guten Absichten von Genzow nicht in Abrede stellen. Allerdings hat der europäische Mercedes-Händlersprecher Bedenken bezüglich der praktischen Umsetzbarkeit: "Der größte Stolperstein auf dem Weg zu profitablen Händlern ist die Überproduktion der Hersteller, die zwangsläufig zulasten der Renditen geht." In Deutschland, wo im (ansonsten aus Agenten bestehenden) Daimler-Netz noch vereinzelt Kommissionsagenturen tätig seien, hätten diese mit "genau den gleichen Problemen wie alle anderen Händler" zu kämpfen.

Keine Hilfe aus Brüssel

Für Genzow ist das neue Vertriebsmodell die Antwort auf die Abschaffung der bisherigen Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung. Die Durchsetzung einer Alternative, wie etwa eine von Brüssel verordnete Einschränkung des Direktvertriebes der Hersteller, ist aus seiner Sicht nicht realistisch. Daher sollten die Autobauer den Neuwagenhandel gleich "komplett" in die Hand nehmen. Für die eine oder andere Marke könnte dies ein Anreiz sein, mit niedrigen Preisen zu werben, was wiederum jene Hersteller unter Zugzwang bringen würde, die sich (noch) nicht für das Kommissionsagentursystem entschieden haben. Genzow sieht in seinem Modell jedenfalls "den einzigen Weg, um die Rabattschlacht zu beenden".

Kein Patentrezept

Ganz würde der Wettbewerb zwischen Markenkollegen freilich nicht zu Grabe getragen werden. Dafür sorgt schon die Rücknahme der Gebrauchten beim Neuwagengeschäft. Mit überhöhten Eintauschpreisen könnten sich die Händler weiterhin gegenseitig Geschäfte abjagen. Und noch ein Faktor bleibt in den formaljuristisch bestechenden Ausführungen von Genzow unberücksichtigt: Längst wird der Wettbewerb unter den Fahrzeugherstellern nicht nur über Neuwagen, sondern auch über Kurzzulassungen, Jungwagen, "Direktionsfahrzeuge" und ähnliche Pseudo-Gebrauchte abgewickelt. Derartige Vertriebsschienen, mit deren Dumpingpreisen kein einziges Neuwagenangebot mithalten kann, kommen im Kommissionsagentursystem schlicht nicht vor.