Was haben die Deutschen, was wir nicht haben? Eine korrekte
Abwicklung von Unfallschäden, bei der die Geschädigten und nicht die
Kfz-Versicherungen das Sagen haben!
Wo die Unterschiede liegen und weshalb es diese gibt, analysierte für
AUTO&Wirtschaft der deutsche Rechtsanwalt Elmar Fuchs. Der ist
"nebenbei" Geschäftsführer des BVSK, des mit 3.000 SV größten
Kfz-Sachverständigenverbandes Deutschlands.
Die Rechtslage beider Länder ist durchaus vergleichbar. Der
Geschädigte hat bei einem Haftpflichtschaden Anspruch auf eine
komplette Schadensabgeltung. Und er ist laut Gesetz Herr der
Schadensabwicklung. Er bestimmt weitgehend, wie und welcher Form der
Schaden liquidiert wird. Zumindest in Deutschland. Nicht so in
Österreich.
Der Schädiger bestimmt
Hier wendet sich das Unfallopfer an die Versicherung des Schädigers.
Und macht damit den Bock zum Gärtner. Diese veranlasst die weiteren
Schritte. In erster Linie ist dies die Schadensbegutachtung. Bei der
somit der Schädiger bestimmt, ob und in welcher Form eine
Kfz-Reparatur infrage kommt. Dass dabei nicht immer die Interessen
des Geschädigten, sonderndie der Kfz-Versicherung im Vordergrund
stehen, ist naheliegend.
Der deutsche Autofahrer hat die Wahl
"InÖsterreich neigt man eher dazu, Dinge im Konsens zu lösen, in
Deutschland bevorzugt man da den Klagsweg", führte für Fuchs dieser
fundamentale Unterschied bei der Schadensbearbeitung bei uns "quasi
zu einer Monopolsituation der Versicherungen". Mit einem für die
Versicherungen erfreulichen Ergebnis: In Deutschland landen 3,5
Prozent aller Schadensfälle bei Gericht, in Österreich sind es
lediglich 0,5. Für den deutschen Autofahrer ist es
selbstverständlich, dass der ihm zugefügte Kfz-Schaden von einem
Sachverständigen seiner Wahl beurteilt wird. 60 Prozent aller
Gutachten werden dabei durch die Kfz-Werkstätten vermittelt. Wobei
diese Gutachten auch von den Schädigern akzeptiert werden müssen.
"Dies ist ein vernünftiges Druckmittel", kann der Geschädigte auf
Basis eines derartigen Gutachtens von der gegnerischen Versicherung
auch den entsprechenden Geldersatz verlangen. Allerdings müssen diese
seit einigen Jahren dabei auf die Erstattung der Mehrwertsteuer
verzichten. Da 50 Prozent aller Schadensfälle"fiktiv" abgerechnet
werden, können sich die Versicherungen bei jährlichen Kfz-Schäden von
20 Milliarden Euro mit dieser Neuerung pro Jahr 400 Millionen
ersparen.
Unabhängiger Kfz-Sachverständiger
InÖsterreich wehren sich die Versicherungen gegen die Zuziehung
unabhängiger Gutachter. In Deutschland haben die Gerichte einer
derartigen Praxis einen Riegel vorgeschoben. "Zur Erreichung der
Waffengleichheit ist der Geschädigte berechtigt, einen Dienstleister
beizuziehen." So müssen die Versicherungen auch die damit verbundenen
Kosten unabhängiger Kfz-Sachverständiger akzeptieren.
Diese sind bei ihrer Arbeit auch keinem Preisdiktat der
Versicherungen ausgesetzt. Diese zahlen "ihren" Sachverständigen
durchschnittlich nur 200 Euro pro Gutachten, bei Gutachten
unabhängiger SV müssen sie jedoch -gestaffelt je nach Schadenshöhe
-mit bis zu 1.500 Euro rechnen. 80 Prozent aller SV-Gutachten
entfallen dabei auf Haftpflichtschäden mit einem Jahresvolumen von
12,5 Milliarden Euro und mit durchschnittlichen Reparaturkosten von
3.480 Euro. Billiger kommen die Versicherungen bei Kaskoschäden
davon: Bei der Vollkasko liegen die durchschnittlichen
Reparaturkosten bei 1.496 Euro, bei der Teilkasko bloß bei 734 Euro.
Die damit verbundenen privaten Gutachten belasten die Versicherungen
etwamit je 600 Euro.
Totalschaden-Reparatur bis 130 Prozent des Zeitwertes
Signifikant ist auch die unterschiedliche Beurteilung eines
"Totalschadens". Voraussetzung für einen Reparaturanspruch ist, dass
ein Fahrzeug nach fachgerechter Reparatur weiter benutzt werden kann.
In Deutschland wird dabei das Interesse des Geschädigten höher
bewertet als bei uns. Dort kann bis zu 130 Prozent des Zeitwertes
repariert werden. In Österreich hat schon vor Jahrzehnten der Oberste
Gerichtshof diese Grenze bei 110 Prozent einzementiert.
Unberücksichtigt bleibt dabei, dass mit immer aufwendigeren
Elektroniksystemen diese Schwelle schon viel früher erreicht wird als
einst.
Darüber hinaus steht dem deutschen Geschädigten mit dem
Leihwagenanspruch ein wirksames Druckmittel zur Verfügung: Je länger
der Schädiger die Schadensabwicklung verzögert, desto höher klettern
die Leihwagenkosten. Mit der Erfindung eines "Spalttarifs" gelang es
jedoch den österreichischen Versicherungen, diesen
Schadenersatzanspruch faktisch zu eliminieren und so dieser
Kostenfalle zu entgehen. Wodurch es für sie auch keine Veranlassung
gibt, die Qualität der Schadensbearbeitung zu verbessern.
Glaubt man den heimischen Assekuranzen, liegen all diese Unterschiede
im Interesse der "Versichertengemeinschaft". Sie dienen der
Schadenssenkung. Dadurch würden Österreichs Autofahrer von
niedrigeren Versicherungsprämien profitieren. Eine Argumentation, der
erst kürzlich die Hofräte des Obersten Gerichtshofes auf den Leim
gegangen sind.
Keine grenzüberschreitenden Versicherungsvergleiche
Tatsächlich gelang es den Versicherungen, das heimische
Versicherungsgeschäft völlig vom Ausland abzukoppeln. "Es gibt keine
grenzüberschreitenden Versicherungsvergleiche." Doch dies wäre aus
Sicht von Ivo Radulovsky, Chef von www.versichern24.at, für
Konsumentenschützer eine lohnende Aufgabe. Auch der Test des VKI im
"Konsument"(5/2014) hat sich darauf beschränkt, lokale Angebote von
Autohäusern zu vergleichen. Und die Prämienvergleiche und
Prämienangebote der Internetportale sind da ebenfalls bloß auf die
lokalen Märkte zugeschnitten. (KNÖ)