Es war im Sommer 1988, als mein Vater meinem Drängen nach mehr
Komfort und Leistung nachgab. Es war auch der Sommer, in dem der bis
dahin mein Geländewagen-Leben dominierende Lada Taiga öfter in der
Garage blieb, während der neue Jeep Cherokee kaum kalt wurde.
Es war
die 4,0-Liter-Version mit 170 PS, manuellem Schaltgetriebe und
zuschaltbarem Allradantrieb, die verriet, wie sportlich ein echter
Geländewagen sein konnte. Zwei Jahre später, da hatte ich dann schon
den Führerschein, zeigte mich ein Manta-Fahrer bei der Polizei an,
weil ich ihn beim Ampelstart in die Schranken gewiesen hatte. Er war
völlig im Recht gewesen, ich dank aktivierter Untersetzung aber
deutlich schneller.
Rückblickend stellt sich die Frage, wann wir es eigentlich akzeptiert
haben, dass ein Jeep Diesel tankt, Ausflüge ins Gelände mit
rauchender Kupplung spontan beendet oder einfach nur hässlich ist.
Gedieselt wird immer noch und das sogar bei der großen Mehrheit der
hierzulande verkauften Modelle,die anderen Kritikpunkte konnte Fiat
als neue Konzernmutter jedoch beseitigen.
Der neue Cherokee, deräußerlich völlig eigene Wege geht und sich im
Innenraum nur sehr zaghaft am großen Bruder anlehnt, ist so etwas wie
ein Neuanfang. Da sind Designer gezwungen, Dinge zu realisieren, die
vielleicht nicht jedem gefallen, einfach nur, um aus der Masse
herauszustechen. Mit den ersten Pressebildern hat sich Jeep auch
keinen Gefallen getan, Entwarnung gab es erst bei der offiziellen
Vorstellung am Genfer Automobilsalon. Die richtige Farbe und im
Idealfall die robuste Trailhawk-Ausstattung gewählt, sieht der
Cherokee richtig gut aus. Die für echte Offroad-Einsätze konzipierte
und mit einer nachoben gezogenen Frontpartie ausgestattete Version
wirkt dabei deutlich leichter als die ebenfalls lieferbaren
Longitude- und Limited-Versionen, die auch an der Front die
Wagenfarbe mehr oder weniger dick auftragen. Passend für den
Trailhawk auch die graue Lackierung, die durch allerlei Aufkleber
zusätzlichen Charme versprüht, auch wenn "Warn" nur am Auto
draufsteht aber nicht in Form einer Winde im Auto vertreten ist.
Optisch gelungen auch das grobe Yokohama-Profil, das auf Schotter und
Erde deutlich besser aufgehoben ist als auf der Straße.
Abhängig vom Einsatzzweck stehen für den neuen Cherokee 3 Motoren und
ebenso viele Allradtechniken zur Wahl. Das bietet sonst keine Marke
und gerade deswegen erscheint es auf den ersten Blick unverständlich,
warum das Offroad-Topmodell ausschließlich mit dem 272 PS starken
Benziner offeriert wird,würde sich doch auch der eine oder andere
Diesel-Fahrer (140 bzw. 170 PS) darüber freuen. Dazu gibt es mit
Ausnahme vom Einstiegsmodell immer das schon aus dem Range Rover
Evoque bekannte Neungangautomatikgetriebe, das den Verbrauch ebenso
spürbar reduziert wie das Temperament des Motors und auchhier vor
lauter Gängen den richtigen erst mit Verzögerung einlegt. Bei 272 PS
spielt das nur eine untergeordnete Rolle, die Dieselfahrer aber
werden es dann und wann spüren.
Den Tipp von Jeep-Offroad-Frontmann Rudi Kroker im Kopf, ist der
Sport-Modus jener, der den Charakter des Trailhawk am besten zur
Geltung bringt. Begleitet von einem feinen Fauchen sprintet der
Cherokee (auf Schotter mit ganz kurz durchdrehenden Vorderrädern)
los, drückt seinen Fahrer dabei spürbar in die für europäische
Verhältnisse immer noch recht weichen Ledersportsitze und legt dabei
die Gänge ziemlich rustikal nach. Autobahntempo auf sehr losem
Schotter macht da richtig Spaß, auch wenn sich Beppo Harrach eine
komplette Deaktivierungder Elektronik auf seiner Haus-und
Heimstrecke wünschen würde. Auf der anderen Seite muss man kein
Rallye-Staatsmeister sein, um den Trailhawk richtig fliegen zu
lassen.
Immer dann, wenn der Fotograf eine Auszeit fordert, damit sich die
Staubentwicklung reduzieren kann, bietet sich die Chance, in die
komplexe Welt der Anzeigen und Funktionen einzutauchen. Tasten auf
und hinter dem Lenkrad, dazu der große Touchscreen und die vielen
Untermenüs. Dieses Auto verlangt nach viel Zeit, um wirklich alle
vorhandenen Ressourcen zu entdecken. Hinsichtlich des Raumklimas
rangiert der Cherokee dabei auf einem für diese Klasse üblichen
Niveau, während beim Innenraumdesign europäische, amerikanische und
auch japanische Einflüsse auffallen, ohne dass dabei der Amerikaner
im Cherokee die Oberhand verliert. Schnell feststellen lässt sich,
dass alles, was sicherheitstechnisch relevant ist, den Weg an Bord
geschafft hat.
Auf Klassenniveau auch das Raumangebot auf allen 5 Plätzen und der
Kofferraum, der mindestens 591 Liter fasst. Bei umgeklappten
Rücksitzen stehen 1.267 Liter zur Verfügung. Aufhorchen lässt der
Cherokee beim Thema Anhängelast, für die die Amis sonst nicht so
berühmt sind. 2,2 Tonnen sind beim Benziner möglich, fast dreihundert
Kilogramm mehr beim starken Diesel.
Hinsichtlich der Geländekompetenz allen Mitbewerbern in diesem
Segment überlegen, bedarf es einer gewissen Übung, um das Gebotene
auch wirklich nutzen zu können. Von den 2 Tonnen Eigengewicht ist
beim Kraxeln jedenfalls nichts zu bemerken. Gut auch die
Böschungswinkel und die Bodenfreiheit mit echten 22 Zentimetern.
Einzig der Auspuff wirkt nicht ausreichend geschützt, das
Testprozedere hinterließ dennoch keine sichtbaren Spuren.
Nach ein paar Tagen Cherokee ist klar, dass Jeep die Idee, gegen die
deutschen SUV-Modelle vom Schlage eines BMW X3 oder eines Audi Q5
antreten zu wollen, gleich wieder vergessen sollte. Nicht weil er
schlechter, sondern weil er einfach anders ist. Er vereint einen
Schuss Amerika mit frischem Design und erstaunlich hoher
Geländetauglichkeit und macht im Alltag einfach sehr viel Spaß. Seine
Mitbewerber sind daher eher bei den Briten und den Japanern zu
suchen, wobei die Preisgestaltung gerade noch so in Ordnung geht.
Anfänglich die Frage gestellt, wann wir uns an Dieselmotoren in
Jeep-Modellen gewöhnt haben, darf hier angeführt werden, dass der
3,2-Liter-Sechszylinder deutlich sparsamer ist, als man dies
vielleicht erwarten würde. Im bewusst rauen Testalltag waren es
gerade mal 12 Liter, mit etwas Vorsicht gefahren sogar knapp weniger
als 11 Liter. Auch hier hat Jeep kräftig dazugelernt und liefert
damit einen guten Grund, den Trailhawk zu nehmen. Mehr Jeep wird sich
in dieser Klasse jedenfalls nicht finden lassen. (JMM)