ei aller Perfektion, die Volkswagen an den Tag legt, hat es beim sportlichsten Golf ziemlich lang gedauert, bis er so geworden ist, wie er eigentlich immer sein hätte sollen. Anfangs nur laut und durstig, dafür aber kaum schneller als ein normaler GTI, gelang es erst der sechsten Golf-Generation, dank des nun eingesetzten Vierzylinder-Motors sich dem "R" und damit dem alphabetischen Abstand zum "G" würdig zu erweisen. Für die aktuell gültige siebente Golf-Generation hat Volkswagen noch einmal 30 zusätzliche Pferdestärken dazugepackt und auch beim Feinschliff deutlich mehr Sorgfalt walten lassen, als man dies vielleicht erwartet hätte.

Schon der erste Ausflug auf Schnee und Eis, hier in Kombination mit 205er-Reifen auf 17-Zoll-Felgen, hat verraten, dass sich dieser Golf aktiver fahren lässt als all seine Vorgänger. Die Trauer um die abhandengekommene Handbremse erst einmal verarbeitet und dafür das jetzt vollständig deaktivierbare ESP als kleine Entschädigung angenommen, tanzt der Golf R auf rutschigem Belag erstmals wie ein Mitsubishi EVO. Der Haldex-Fortschritt ist dabei ebenso zu erfahren, wie die beim 7er unterdrückte Tendenz, ständig zu untersteuern. Ein leichter Schwenker reicht und schon geht es quer ums Eck. Besonders gut gelingt das mit dem manuellen Sechsganggetriebe an Bord, das nur bei sehr sportlicher Fahrweise das DSG in die Schranken weisen kann, einfach deswegen, weil es niemals selbsttätig raufschaltet.

Davon, dass sich bei gar zu wild drehenden Rädern die Traktionskontrolle immer einmischt, ist auf Asphalt nichts zu bemerken, egal, wie viel Mühe man sich auch gibt, die von der Glatteis-Drifterei bekannte Minimal-Einschränkung zu aktivieren. Die optionalen 19-Zöller verbeißen sich in den Asphalt, als wären sie für den Wettbewerb bestimmt. Das tun sie auch auf Strecken, die von Bodenwellen und halbherzigen Ausbesserungen geprägt sind, zu finden beispielsweise am Ochssattel, dort wo Niederösterreich ganz langsam einen steirischen Anstrich bekommt. Auf perfektem Belag, wie ihn die Anreise zum Ochssattel fallweise bereithält, wirkt auch der neue R ein wenig zu weich abgestimmt, da wird das Heck bei voller Nutzung des Bremspotenzials schon Mal recht leicht und nur wer in solchen Situationen beherzt das Gaspedal durchdrückt, bleibt auf der Ideallinie, weniger geübte und davon etwas überraschte Fahrer verlassen sich alternativ auf das ESP. Blöd nur, wenn es zuvor deaktiviert wurde. Erkennen lässt sich unter guten Voraussetzungen, dass auch der vermutlich beste Fuhrparkbetreuer des Landes, Herr Pichl bei Porsche Wiener Neustadt, manchmal etwas übersieht. Mitte Juni waren immer noch die Winterreifen im System hinterlegt, ein etwas aufdringlicher Ton, der bei Tempo 200 aktiv wird, informiert darüber. Schön, dass er auch recht bald wieder aufhört.

An die Zeiten der Indianer erinnert der neue R fallweise mit nicht weiter bedenklichen Rauchzeichen. Soviel zur Idee, den Ochssattel zügig zu durchfahren, um dann in der Kalten Kuchl die wohlverdiente Jause einzunehmen. Da gilt es, erst eine Auslaufrunde für die wirklich ausgezeichneten Bremsen zu fahren und trotzdem ist man immer noch schneller am Wirtshaustisch als jene, die den Berg ganz legal passiert haben. Rasen lässt essich mit dem Golf bei Tag und bei Nacht gleichermaßen gut, dem serienmäßigen Xenon-Licht sei es gedankt.

Die im Zulassungsschein angeführten 300 PS sind dabei für das Image des aktuell schnellsten Golf unheimlich wichtig. Sie ersparen weitere Fragen am Wirtshaustisch und verraten jedem Sheriff, der es wissen will, dass hier nicht heimlich getunt wurde. Trotzdem oder gerade deswegen kann sich das Presseauto vom Verdacht des leichten Dopings nicht lösen. Gefühlt und verglichen mit ähnlichen Autos dürfte die Serienstreuung hier gut 10 Prozent mehr Leistung bereitstellen, wodurch sich auch der gefühlt sehr geringe Abstand zum Mercedes-Benz A45 AMG erklärt, den der Golf hinsichtlich der Getriebeabstufung und der Traktionauf welligem Belag sogar schlagen kann.

Bei all dieser wohlwollend zur Kenntnis genommenen neuen Sportlichkeit ist auch der R auf Wunsch einfach nur ein Golf. Da passt die Ergonomie genauso wie die verwendeten Materialien und das Platzangebot im Innenraum. Keine Schwächen auch bei der Sicherheitsausstattung oder bei der Nutzbarkeit des Kofferraums. Wer eine Diva sucht, die dann und wann einfach macht, was sie will, ist hier falsch. Die ist in Wolfsburg einfach nicht zu haben, zumal der R auch seinen Flüssigkeitskonsum merklich eingeschränkt hat. 18,2 Liter Durchschnittsverbrauch lassen sich nur dann erzielen, wenn es anderswo deutlich teurer wäre, seine Hormone in den Griff zu bekommen. Ganz entspannt in den etwas zu breit geratenen Sportsitzen (Recaro serviert Volkswagen gern gegen Aufpreis) lehnend, lässt sich sogar eine 8 vor dem Komma einfahren,mit 10 bis 11 Litern ist auch der Rest der Zeit zu schaffen. Das Gebotene betrachtend, darf der Golf R sogar als wirtschaftlich bezeichnet werden. Sowohl die 48.280 Euro Basispreis als auch die 53.451 Euro für den Testwagen sind aber nur dann wirklich günstig, wenn als Alternativen für so viel Fahrspaß die auf den vorangegangen Seiten gezeigten Modelle Audi RS Q3 oder Mercedes-Benz A45 AMG zum Vergleich herangezogen werden.

VW GOLF R

MOTOR Turbobenziner

Zylinder: 4

Hubraum: 1.984 cm3

Leistung: 221/300 kW/PS

Drehmoment: 380 Nm bei 1.800-5.500 U

KRAFTÜBERTRAGUNG permanenter Allradantrieb/Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe

FAHRZEUGAUFBAU selbsttragende Karosserie/5 Türen/5 Sitze

FAHRWERK (VORDER-/HINTERACHSE) Einzelradaufhängung; VA: McPherson, Vierlenker-HA

BREMSEN ABS/ESP/Scheibenbremsen/vorn innenbelüftet

LENKUNG (ZAHNSTANGE) servounterstützt

FELGEN/REIFEN 235/35 R 19

ABMESSUNGEN; GEWICHTE

Länge/Breite/Höhe: 4.276/1.790/1.436 mm

Radstand: 2.632 mm

Kofferraumvolumen: 1.495 l

Leergewicht: 2.215 kg

zul. Gesamtgewicht: keine kg

Anhängelast: keine

FAHRLEISTUNGEN

0-100 km/h: 4,9s

V-max: 250 km/h

VERBRAUCH

Stadt/Land/gesamt: 8,8/5,9/6,9 l

Testverbrauch: 10,2 l Benzin

CO2-AUSSTOSS 159 g/km

PREIS E: ab 48.280,-inkl. NoVA&MwSt.

Testwagenpreis E: 53.451,-inkl. aller Abgaben