Es ist samstagfrühmorgens, als wir das Mariazeller Land betreten. Ausgestattet mit einem Dutzend Kameras, drei Fotografen und einem viel zu früh in die motorsportliche Pension geschickten Rallyefahrer, der uns in der Lage dazu scheint, die quattro-Philosophie artgerecht ins Bild zu rücken.

Es ist ein Mix aus unglaublicher Vorfreude und maximalem Respekt vor einem im konkreten Fall gut 175.000 Euro teuren Automobil. Wir wollen Drifts wie aus dem Bilderbuch sehen, die Massen an Tagestouristen begeistern und den Durchschnittsverbrauch in Sphären heben, der uns dazu zwingt, die nächsten Wochen mit der Bahn zu fahren, um den eigenen CO2-Haushalt wieder in Ordnung bringen zu können. Auf der anderen Seite sind Fehltritte strengstens untersagt. Nicht auszudenken, wie mühsam es wäre, eine zerstörte 21-Zoll-Felge zu rechtfertigen oder schlimmer noch, einer Komplettlackierung in Tarngrau (Daytona-Grau-Matt-Effekt um 5.964 Euro in der Aufpreisliste) oder gar unschuldig an der Seite stehenden Bäumen das Leben zu verkürzen.

Die durchgehende Schneefahrbahn sichert uns eine perfekte Basis für die Fotowünsche, der leichte Schneefall liefert die Sicherheit, dass sich daran auch in den nächsten Stunden nichts ändern wird. Natürlich hätten wir anstelle der 285/30er-Winterreifen lieber deutlich schmälere Rennspikes aufgezogen, doch auch das stand wenig überraschend nicht zur Diskussion. Stattdessen hat Audi das "Rundum Glücklich"-Carbon-Paket montiert, das nochmals hochwertigere Leder im Innenraum verbaut und mit Ausnahme des Alacantara-Dachhimmels und der Anhängerkupplung für fast jedes Extra einen Platz gefunden. Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen, ist, wie sehr uns die ebenfalls aufpreispflichtigen Keramik-Bremsen fehlen werden.

Maximaler Komfort also für maximale Freiheit, sind doch mit Ausnahme des ABS alle aktiven Sicherheitsfeatures deaktivierbar. An dieser Stelle sei nochmals eindringlich darauf hingewiesen, das ESP nur auf Rennstrecken mit viel Sturzraum zu deaktivieren, da die mehr als zwei Tonnen Technik nach einer mehr als nur kundigen Hand verlangen, wenn es auf einer schmalen Landesstraße quer statt geradeaus dahingeht. Um hier nicht falsch verstanden zu werden: Im Alltag steht der RS 6 für maximale Fahrsicherheit. Hätte nicht schon Kollege Roland R. Firtinger von den Kindern, die hinten bei Tempo 300 Mikado spielen (das betraf damals den Lotus Omega) geschrieben, dann wäre es jetzt an der Zeit, dies zu tun. In Fan-Kreisen auch gern der einzige Lamborghini mit echtem Kofferraum genannt, ist der RS 6 so alltagstauglich wie ein Golf, fast so bequem wie der große Bruder A8 und mit ein paar optischen Adaptionen (es gibt Kunden, die das so wollen) so unauffällig wie ein ganz normaler A6 Avant.

Am Rückweg lernen wir, dass eine glücklicherweise vom Schnee verschonte, aber ziemlich nasse Passage, die mit einem guten Auto mit knapp Tempo 100 zu schaffen ist, mit dem Audi auch mit Tempo 187 noch schadenfrei zu durchmessen ist. Vorbei am aktuellen Arbeitsplatz von Franz Wittmann in der niederösterreichischen Ramsau ist endlich Platz im Kopf, um den Erfolgslauf des quattro Revue passieren zu lassen.

Wir erinnern uns, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und in frei gewählter Reihenfolge, an den großartigen Werner Grissmann im Audi 80, an Dipl. Ing. Georg Fischer wahlweise im Coupé oder in der 200er-Limousine, an die Auftritte von Wilfried Wiedner im Urquattro und an Beppo Harrach im Audi S2. Unvergessen natürlich auch die zahlreichenErfolge in aller Welt von Rudi Stohl und wenn wir über unsere Grenzen hinausblicken auch an jene von Walter Röhrl, Michele Mouton, Stig Blomqvist, Hannu Mikkola und vielen anderen. Nach der quattro-Ära gab es nie wieder einen Rallye-Weltmeister mit einem zweiradgetriebenen Fahrzeug.

Vorsprung durch Technik gilt für Audi heute noch genauso wie damals. Ohne quattro hätten BMW und Mercedes-Benz niemals mit allradgetriebenen Pkw-Modellen in der Großserie begonnen, es hätte nie den SUV-Boom gegeben und schon gar nicht einen Katalog, der sich hinsichtlich der Berichterstattung ausschließlich auf Modelle mitvier angetriebenen Rädern konzentriert.

Schlussbesprechung im Gasthaus Schilling in der Laaben. Rundum zufriedene Gesichter am Mittagstisch. 20.588 Portionen serviert hier der Junior-Wirt für den Preis des RS6, der vor der Tür steht. Das erklärt auch, warum unsere RS 6-Ära bereits nach einer tollen Woche zu Ende geht.

AUDI RS 6 AVANT 4.0 TFSI QUATTRO TIPTRONIC

MOTOR Bi-Turbo-Ottomotor

Zylinder: 8

Hubraum: 3.993 cm3

Leistung: 412/560 kW/PS

Drehmoment: 700 Nm bei 1.750-5.500 U

KRAFTÜBERTRAGUNG Achtgang-Automatikgetriebe/permanenter Allradantrieb

FAHRZEUGAUFBAU selbsttragende Karosserie/5 Türen/5 Sitzplätze

FAHRWERK (VORDER-/HINTERACHSE) VA Fünflenkerachse, HA Trapezlenkerachse

BREMSEN innenbelüftete Scheiben

LENKUNG (ZAHNSTANGE) Zahnstange, servounterstützt

FELGEN/REIFEN 285/30 R21

ABMESSUNGEN; GEWICHTE

Länge/Breite/Höhe: 4.979/1.936/1.461 mm

Radstand: 2.915 mm

Kofferraumvolumen: 565-1.680 l

Leergewicht: 1.935 kg

zul. Gesamtgewicht: 2.565 kg

Anhängelast: 2.100 kg (gebremst)

FAHRLEISTUNGEN

0-100 km/h: 3,9s

V-max: 280 km/h

VERBRAUCH

Stadt/Land/gesamt: 13,9/7,5/9,8 l

Testverbrauch: 15 l Benzin

CO2-AUSSTOSS 229 g/km

PREIS E: ab 132.800,-inkl. NoVA&MwSt.

Testwagenpreis E: 175.622,-inkl. aller Abgaben