Beim jüngsten Treffen der EDL-Händleranwälte (European Distribution Lawyers) in Istanbul stellte sich heraus, dass Österreichs Händler mit dem KraSchG (Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz) die von der EU-Kommission verordnete Abschaffung des bisherigen Kfz-Kartellrechtes noch am besten gemeistert haben.In den meisten anderen Ländern gab es für die in der Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung GVO 1400/2002 verankerten Schutzbestimmungen keinerlei Ersatz. Seit Mitte 2013 haben sich daher die Rahmenbedingungen rapid verschlechtert, Resignation beherrscht die Szene.
Hersteller arbeiten mit vielen Mitteln
Oft sind es gar nicht so augenscheinliche Maßnahmen, mit denen die Hersteller den Kfz-Betrieben die Luft zum Atmen nehmen. Etwa durch einen verstärkten Fokus auf die in den Vertragsbeilagen versteckten "finanziellen Standards". Viele Betriebe -vor allem in Südeuropa -sind durch die Finanzkrise in die roten Zahlen gerutscht. Die Zielvorgaben und Bonifikationssysteme der Hersteller haben verhindert, dass diese ihre Verluste zwischenzeitig wieder ausgleichen konnten.
Das hat zur Folge, dass sie die Netzplaner der Hersteller als "Wackelkandidaten" einstufen. Sie kommen auf die Liste jener "Partner", auf die der Konzern im Zweifel leicht verzichten kann. So verweist der Madrider Anwalt Dr. Alfred Briganty etwa auf eine neue Strategie des VW-Konzerns: Gebiete finanziell schwächerer Händler werden anderen -größeren und stärkeren -Betrieben zugeschlagen. Oder sie werden -in attraktiven Ballungsgebieten -ganz einfach vom Konzern mit eigenen Filialen selbst besetzt.
In beiden Fällen wird der angestammte Händler ins Out gedrängt. Auch für Servicebetriebe werden hohe finanzielle Standards gefordert - obwohl es aus der Sicht des Lieferantenrisikos dazu überhaupt keine Veranlassung gibt. "Mit diesem Trick werden 30 Prozent der Servicepartner eliminiert", verweist Briganty darauf, dass mit dieser Netzausdünnung das rückläufige Servicegeschäft der restlichen Partner ausgeglichen werden soll. Wobei der Hersteller entscheidet, wer überleben darf -und wer nicht.
"Kein Platz für unternehmerischen Spielraum"
"Vertragsfreiheit geht vor Wettbewerbsrecht" skizziert der holländische Anwalt Dr. Peter Lodestijn die derzeitige Tendenz der Wettbewerbshüter: Solange der Hersteller nicht offenkundig ruinöse Vorschriften erlässt, so lange hat er bei der Gängelung seiner Partner freie Hand. "Das hat sich zum Franchise-Hardcore entwickelt." Daher gebe es für einen eigenenunternehmerischen Spielraum eines Händlers keinen Platz mehr.
Ein Musterbeispiel ist auch, wie General Motors europaweit das Ende von Chevrolet abgewickelt hat -vor allem in jenen Ländern, in denen es seit 2013 bereits die Koppelung von Service-und Händlervertrag gegeben hat. Durch die Kündigung des Vertrages mussten die Chevrolet-Partner mit Jahresende 2015 daher auch den Verlust des Werkstättengeschäftes befürchten.
Angesichts dieser Drohung sahen sie es als das kleinereÜbel, mit einem kleinen finanziellen Trostpflaster -600 Euro Ausgleichszahlung für jeden 2013 ausgelieferten Neuwagen -per Juni 2014 einvernehmlich den Chevrolet-Händlervertrag vorzeitig zu beenden.
Zur Freude von GM gab es in ganz Europa nirgends einen Chevrolet-Händlerverband. Diese Agenden wurden von den Opel-Händlerverbänden mitbetreut. Mit der Folge, dass jene Opel-Händler, die sich gegen die Annahme des Chevrolet-Ausgleichs stark gemacht hatten, in manchen Ländern mit der Drohung der Kündigung des Opel-Vertrages aus weiteren Verhandlungen ausgeladen wurden. Wobei auch die Einschaltung eines Anwaltes zum sofortigen Abbruch von Verhandlungen führte.
Einige Händler waren mit dem Deal zufrieden. Vor allem jene, die von Chevrolet den Abbau ihres Neuwagenlagers mit Rabatten von 60 Prozent (und mehr) versüßt bekamen. Allerdings waren diese "Zuckerln" nur einigen großen GM-Partnern zugedacht, die den Verlust von Chevrolet durch verstärkte Opel-Aktivitäten ausgleichen konnten. So war es für den deutschen Vertragsanwalt Sven Köhnen nicht verwunderlich, dass beide Opel-Händlerverbände die Annahme des Chevrolet-Angebotes empfahlen. Und dass sich alle Chevrolet-Partner per Ende Juni 2014 vorzeitig vom Chevrolet-Neuwagenverkauf verabschieden werden. Wenig zu lachen haben auch die Fiat-Partner: In Deutschland wurden alle Verträge gekündigt, um neuen Spielregeln Platz zu machen. Im Raum stehen neue Verträge -allerdings mit vielen neuen Standards und nur noch mit dreijähriger Laufzeit. Zusätzlich werden den Partnern vor Vertragsabschluss "beside letter" unterschoben, mit denen sie bei Vertragsende auf Ausgleichszahlungen und das Ersatzteil-Rückgaberecht verzichten.
Gleichzeitig forciert der Fiat-Konzern in Spanien den Direktvertrieb: mit kleinen, schlanken Verkaufsbüros, die ohne den Aufwand eines Autohauses direkt an die Kunden der Händler rangehen und so das eingesessene Händlernetz unterlaufen -mit dem Argument, nur so das vorhandene Marktpotenzial ausschöpfen zu können. Ausgeliefert wird über einige ausgesuchte Servicepartner, die für diesen Servicemit einer kleinen Gebühr entlohnt werden. Anzeichen, die darauf schließen lassen, dass die Turiner Geschäftsherren das Händlernetz beim Neuwagenverkauf - zumindest punktuell -als entbehrlichen Kostenfaktor betrachten. Diese Sicht gibt es auch in Finnland. So berichtet der WettbewerbsspezialistAri Huhtamaki von der Verabschiedung des alteingesessenen Toyota-Importeurs, der so erfolgreich war, dass sich die Japaner mit 13 Prozent Marktanteil ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit VW liefern. In Finnland beherrschen schon jetzt einige Megadealer den Markt: Bei einem Neuwagen-Jahresvolumen von 110.000Einheiten und 112 Markenhändlern bleibt für die Kleinen kein Spielraum.
Rechtsabteilungen schüchtern Händler ein
Im Bestreben, sich von "schwächeren" Partnern billig zu verabschieden, werden in Frankreich längst tot geglaubte Kündigungsgründe ausgegraben. So verweist der Pariser Anwalt Patrick Kileste auf den Trick, dem Händler hohe Ziele unterzujubeln - um deren Verfehlung als "Vertragsbruch" zu qualifizieren. Die Judikatur hat eine derartige Praxis längst verworfen. Das scheint die Konzern-Rechtsabteilung nicht zu stören, die Händler neuerlich damit einzuschüchtern.
Einig waren sich die in Istanbul tagenden Spezialisten, dass die Kfz-Hersteller nicht freiwillig auf die ihnen von der Brüsseler Bürokratie eingeräumten Rechte verzichten werden. Die Abschaffung der Kfz-GVO hat allen Beteiligten gezeigt, dass auch das EU-Parlament dabei nichts mitzureden hat. (KNÖ)
Spezialgebiet mit Wachstums-Chancen
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