Mein Freund Andreas Rockenbauer muss sich als Herausgeber von
"Elektro&Wirtschaft" in der schnelllebigen Elektrobranche stets mit
dem Phänomen "Veränderung" herumschlagen. Seine Überlegungen haben
1:1 auch für die Kfz-Branche Gültigkeit: "Wir alle wissen es und
wollen es dennoch oft nicht wahr haben: Sie ist allgegenwärtig, dabei
könnte ohne sie alles so einfach sein.
Aber nein, es darf nicht sein.
Eben war noch alles gut, imnächsten Augenblick schon nicht mehr. Und
alles nur ihre Schuld. Elendes Miststück, elendes. Die Veränderung
ist eine Spaßverderberin."
Während Sie diese Seite lesen, sterben von den 100 Billionen Zellen,
aus denen Ihr Körper besteht, etwa 18 Milliarden ab und werden zum
Großteil durch neue ersetzt. Aber eben nur zum Großteil, weshalb wir
alle langsam ver-und zerfallen. Die einen rascher, die anderen etwas
gemächlicher. Besonders die Mortalität der Gehirnzellen hat es in
sich: 100.000 verabschieden sich angeblich an einem
durchschnittlichen Tag. Bei einem Vorrat von 20 Milliarden mag das
nicht sonderlich ins Gewicht fallen, aber gutes Gefühl ist das
keines.
Da hat es der Mond besser. Wissenschaftler behaupten, dass die
Spuren, die Neil Armstrong und Buzz Aldrin 1969 mit ihren Stiefeln
hinterlassen haben, mangels Atmosphäre erst in 10 bis 100 Millionen
Jahren verschwunden sein werden. Veränderung kann also auch ziemlich
langsam vor sich gehen. Aber verschont bleibt nichts und niemand.
Sehen wir mal von Schwarzen Löchern ab, an deren Rändern die Zeit
unerhörterweise einfach aufhört. Aber das ist eine andere Geschichte.
Zeitlos. Irgendwie.
Stillstand ist ein theoretisches Konstrukt, dem die Physiker die
Bezeichnung thermodynamisches Gleichgewicht verpasst haben. Wer sich
das wünscht, der ist auf dem Holzweg, denn ein anderes Wort für
diesen Zustand der Unveränderlichkeit ist "Wärmetod". Und das klingt
auch nicht so prickelnd. Dann schon lieber Veränderung.
Vor ein paar Wochen gab es im Internet eine Art Witz zu diesem Thema:
Ein Professor teilt die Angaben für die Abschlussprüfung aus und
verursacht Verwirrung, da den Studenten die Fragen nur allzu bekannt
vorkommen. Schließlich nimmt sich einer ein Herz, springt auf und
sagt: "Aber Herr Professor, das sind ja die gleichen Fragen wie bei
der letzten Prüfung." -"Stimmt", sagt dieser. "Die Fragen sind die
gleichen, aber die Antworten darauf haben sich geändert."
Was gestern funktioniert hat, kann heute schon vollkommen falsch
sein. Obwohl wir uns dessen rational bewusst sind, verdrängen wir
diese Tatsache allzu gerne. Was damit zu tun hat, dass unser Hirn
eine faule Haut ist. Der mausgraue Haufen wild vernetzter Neuronen
wiegt etwa 2 Prozent unseres Körpergewichts, verbraucht aber 20
Prozent des Sauerstoffs. Dennoch arbeitet das Gehirn ziemlich
effizient, aber mitunter wenig effektiv: Es liebt bekannte Muster und
vermeidet beharrlich, sich an neue gewöhnen zu müssen. Mit fatalen
Folgen, wenn das Bekannte in einer veränderten Umgebung nichts mehr
taugt.
Es war bei den Olympischen Sommerspielen 1968 in Mexiko, als ein
junger, bis dahin unbekannter Brite Namens Dick Fosbury die Elite der
Hochspringer düpierte. Während sich das Gros der Athleten von vorn
über die Stange wälzte, hüpfte Fosbury mit Kopf und Schultern voran
rücklings über die Hochsprung-Latte und -wurde Olympiasieger. Die
Reaktionen darauf waren wenig überraschend: Die Cleveren begannen
damit, den neuen Stil zu kopieren, dieanderen schrien laut nach
einem Fosbury-Flop-Verbot. Was die Cleveren auszeichnete, ist das
rasche Erkennen von neuen Chancen durch veränderte Rahmenbedingungen.
Denn erst Mitte der 1960er-Jahre waren die dicken Matten bei
Hochsprungbewerben als "Landehilfen" eingeführt worden. Vorher hätte
man sich mit einem Fosbury-Flop in den alten Sandgruben vermutlich
das Genick gebrochen ...
Die Geschichte ist voll von Menschen und Unternehmen, die
spektakuläre Erfolge durch die rasche Umstellung auf neue
Rahmenbedingungen erzielten und jenen, die -erfolgsverwöhnt -in alten
Mustern hängen blieben. Bis zum Untergang. Von der
Forbes-Top-100-Liste von 1917 waren 1986 bereits 61(!) Unternehmen
völlig vom Markt verschwunden.
Die Mobilität wird sich ändern, der Kfz-Vertrieb ebenso. Nehmen wir
eine Anleihe bei Charles Darwin, der schrieb: "Es ist nicht die
stärkste Spezies, die überlebt, auch nicht die intelligenteste, es
ist diejenige, die sich am ehesten dem Wandel anpassen kann." So hart
das manchmal sein mag.