Die zunehmende Vernetzung in Fahrzeugen, die in der EU durch den
verpflichtenden Einbau eines automatischen Notrufsystems (eCall) in
Neufahrzeuge ab Oktober 2015 weiter zunimmt, könnte zu einer neuen
Hürde für freie Werkstätten werden. Hersteller werden in Zukunft
verstärkt den "direkten Draht" zum Kunden nutzen und versuchen,
diesen mit sanftem Druck in die von ihnen vorgeschlagenen
Reparaturbetriebe zu lotsen. Bleiben "die Freien" dabei auf der
Strecke?
Viele Kunden gegen Vernetzung
"Es gibt Kunden, die eine totale Vernetzung undÜberwachung durch
Automobilhersteller ebenso ablehnen wie Ratschläge durch die
Mitarbeiter von Callcentern, im Falle einer Panne oder eines
bevorstehenden Service die nächste Vertragswerkstatt anzufahren",
sagt Martin Haueis, Geschäftsführer der Haueis
Kfz-Fachwerkstätte/Nüziders. Dies sollten die Hersteller in jedem
Fall bedenken wie auch den Wunsch der Kunden nach freier Wahl, in
deren Rahmen sie die Werkstätte ihres Vertrauens aussuchen dürfen.
Haueis glaubt, dass im Zuge der Vernetzung seitens der Hersteller
weiter versucht werde, Kunden in die Vertragswerkstätte zu lotsen.
"Diesem Wettbewerb werden wir uns stellen müssen."
Druck wird weiter steigen
"Aufgrund der fortschreitenden Vernetzung wird es auch für freie
Werkstätten immer schwieriger, mithalten zu können", sagt Rupert
Kendlbacher, Geschäftsführer Kendlbacher Kfz-Technik/Tamsweg. "Um
Schritt halten zu können, müssen wir laufend in die neuesten
Testgeräte investieren und auch unsere Mechaniker zu weiterführenden
Schulungen schicken",so Kendlbacher. Letztendlich werde der Druck
auf freie Werkstätten weiter steigen, "auch wenn wir die meisten
Fahrzeuge in der Regel zumeist erst nach Ablauf der Werksgarantien
servicieren oder reparieren." Letztendlich werden Hersteller weiter
versuchen, Fahrzeuge in ihre Vertragswerkstätten zubringen.
Qualität der Arbeit entscheidet
"Die Hersteller werden natürlich in Verbindung mit der immer
stärkeren Vernetzung versuchen, Kunden an ihre Vertragswerkstätten zu
binden", sagt Christian Brunner, Geschäftsführer Kfz-Brunner/Mils.
Dies setze daher freie Werkstätten unter Druck, auch finanziell, weil
dadurch auch der Investitionsdruck steige. Dennoch glaubt Brunner,
dass freie Werkstätten bei den Kunden punkten können. "Es hängt von
der Qualität der Arbeit ab und auch davon, möglichst viele
Stammkunden an den Betrieb zu binden." Gleichzeitig sei es auch
wichtig, sich ständig um die neuesten Upgrades für Testgeräte, aber
auch markenspezifische Programme zu kümmern.
Werkstätten brauchen Partner
"Ich binüberzeugt davon, dass Werkstätten, die sowohl bei der Marke
als auch was die Fahrzeugelektronik betrifft, ohne Partner arbeiten,
über kurz oder lang nicht überleben können", sagt Bernhard Plasounig,
Geschäftsführer Renault Plasounig/Villach. Die zunehmende Vernetzung
wirke sich bei allen Reparaturen aus. Wenn das Knowhow fehle, könne
ein simpler Öl-oder Bremsklotzwechsel dazu führen, dass ein Fahrzeug
nicht mehr anspringe. Wobei Plasounig glaubt, dass alle
Werkstattbetriebe eine Chance haben. "Denn die eigentliche Marke sind
heutzutage der Chef und seine Mitarbeiter. Gelingt es ihnen,
Vertrauen bei den Kunden zu schaffen, werden sie erfolgreich sein."
Vernetzung birgt Gefahren
"Grundsätzlich glaube ich schon, dass von der zunehmenden Vernetzung
eine Gefahr ausgeht, bei der freie Werkstätten massive Nachteile
erleiden könnten", sagt Michael Breneis, Kfz Service&Reparatur
Breneis/Mondsee. "Mittlerweile ist es bei einzelnen Marken teilweise
nicht mehr möglich, Reparaturen durchzuführen, weil der Zugriff auf
Daten unmöglich gemacht wird." Letztendlich könnte sich dieser Trend
verstärken. "Was für uns bedeutet, dass wir immer höhere
Investitionen tätigen müssen, um mithalten zu können." Wenn
Hersteller Zugänge nur ihren zugehörigen Markenwerkstätten öffnen,
entspreche dies nicht dem freien Wettbewerb, denn auch den Kunden
bleibe keine andere Wahl.
Gelassen bleiben
"Mit der Etablierung von On-Board-Systemen in Fahrzeugen standen
freie Werkstätten bereits vor ähnlichen Herausforderungen, heutzutage
ist das Auslesen von Fahrzeugdaten kein Thema mehr", sagt Gerhard
Zeiner, Geschäftsführer Autodienst Zeiner/Senftenberg. "Weshalb ich
die zukünftige stärkere Vernetzung von Fahrzeugen und deren Folgen
-etwa für Service und Reparatur -gelassen sehe." Auch freie
Werkstätten könnten entsprechende Services anbieten, darüber hinaus
finden viele Kunden nach Ablauf der Garantie und
Gewährleistungspflichten ihren Weg dorthin,weil viele
Dienstleistungen günstiger als in den Markenwerkstätten angeboten
werden. "Daran wird sich wohl auch nichts ändern."
Zwangsrouting schwer vorstellbar
"Es hängt ganz davon ab, welche Meinung sich auf EU-Ebene durchsetzen
wird", sagt Komm.-Rat Ing. Josef Puntinger,
Innungsmeister-Stellvertreter der steirischen Kfz-Techniker. Derzeit
sei es noch zu früh, von Gefahren oder neuen Chancen zu sprechen. "Da
ich diesbezüglich in mehrere Gespräche selbst involviert war, kann
ich mir derzeit nicht vorstellen, dass auf europäischer Ebene ein
Zwangsrouting gewünscht wird", sagt Puntinger. Es würde derzeit
demnach eher danach aussehen, dass sich die Meinung durchsetze, dass
der Kunde selbst entscheiden könne, ob er weitergeroutet werden wolle
oder auch nicht und ihm die Möglichkeit, frei wählen zu dürfen,
erhalten bleibe.
Vorteile für Markenwerkstätten
"Die Vernetzungssysteme -Stichwort eCall -werden Vorteile für die
Markenwerkstätten bringen, nicht zuletzt auch deshalb, weil viele
Anwendungen, etwa Upgrades von diesen zukünftig auch online
durchgeführt werden können", sagt Komm.-Rat Josef Wiener,
Landesinnungsmeister der burgenländischen Kfz-Techniker. Die Vorteile
für Markenwerkstätten würden aber nur innerhalb der Garantie-und
Gewährleistungspflicht bestehen, da viele Kunden danach mit ihren
Fahrzeugen in freie Werkstätten wechseln würden. "Weshalb auch in
Zukunft freie Werkstätten die Chance haben, ausreichend Kunden für
sich zu gewinnen", glaubt Wiener.
Vernetzung bietet Chancen
"Als großer Konzern mit weltweit über 3.000 Standorten sehen wir in
der zunehmenden Vernetzung der Fahrzeuge eine Chance", sagt Robert
Dörr, Geschäftsführer von Midas Österreich. Bei Midas werde dem
Rechnung getragen und an entsprechenden Software-Lösungen gearbeitet.
Wobei Dörr einräumt, dass es für kleinere Werkstätten schwieriger
werden könnte. Dennoch habe sich bereits in der Vergangenheit
gezeigt, dass die EU-Kommission letztendlich den freien Wettbewerb
forciere und gegen eine Monopolisierung des Geschäftes auftrete.
"Weshalb ich auch glaube, dass längerfristig auch freie
Werkstattketten und Werkstätten gute Chancen haben."