Sachverständige sollten unabhängig sein. Wenn sie von Gerichtsaufträgen leben, sind sie von den Aufträgen ihrer Kunden -Richter und Staatsanwälte -abhängig. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) räumt jedermann das Recht ein, dass über zivilrechtliche Ansprüche sowie über strafrechtlicheAnklagen in billiger Weise von einem unparteiischen Gericht entschieden wird. Nach dem Grundsatz der Waffengleichheit hat die Ladung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erfolgen. Diese Waffengleichheit sollte auch bei der Bestellung von Sachverständigen gelten.

Sind Sachverständige ausreichend neutral?

Es kommt immer wieder vor, dass ein SV gegenüber den Parteien eines Verfahrens nicht ausreichend neutral, sondern vielmehr mit einem "Zeugen der Anklage" gleichzusetzen ist. Dann muss der Angeklagte das Recht bekommen, seinen Standpunkt in gleicher Weise wie die Anklage zu vertreten. Insbesondere durch einen SV in der Rolle des "Zeugen der Verteidigung", dessen Position der des als "Zeugen der Anklage" agierenden SV entspricht.

"Kommt dem Angeklagten dieses Recht nicht zu, widerspricht das Verfahren dem Grundsatz der Waffengleichheit und verletzt somit Artikel 6 EMRK", verweist Mayer dabei auf die einschlägige Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes (EGMR).

Anschein von Parteilichkeit

Dabei kommt es nicht darauf an, ob dem SV im konkreten Einzelfall Parteilichkeit nachgewiesen werden kann. Es kommt darauf an, "ob im konkreten Fall aus der objektiv nachvollziehbaren Sicht der Betroffenen der Anschein von Parteilichkeit des Sachverständigen entstanden ist", verweist Mayer auf das vom Verfassungsgerichtshof formulierte "Prinzip der sichtbaren Gerechtigkeit".

Der EGMR hat einen gerichtlich bestellten SV, dessen Gutachten die Erhebung der Anklage ausgelöst hat und der im Verfahren eine dominante Rolle eingenommen hat, bereits einem "Zeugen der Anklage" gleichgesetzt. Dies betrifft besonders jene SV, die ohne Einbindung der Verteidigung von der Anklagebehörde bestellt wurden. Eine in Österreich äußerst gängige Praxis, die den "Platzhirschen"unter den Sachverständigen eine dominante Position ermöglicht.

Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit

Nach der Strafprozessordnung ist bei der Auswahl der SV und der Bestimmung ihres Gutachtensauftrages "nach den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit vorzugehen". Ähnliches gilt auch im Zivilverfahren. Welcher SV konkret vom Justizorgan bestellt wird, liegt im Rahmen dieser Vorgaben aber in deren Ermessen. Ein Abweichen vom diesem Gutachten ist nur mit nachvollziehbarer wissenschaftlicher Begründung und unter Auseinandersetzung mit dem Gutachten gestattet.

Ein Sachverständiger ist jedoch nur zu bestellen, wenn für die Beweisaufnahmen ein besonderes Fachwissen erforderlich ist, über welches dieses Justizorgan eben nicht verfügt. "Damit wird deutlich, dass die gerichtliche Würdigung des Gutachtens häufig auf eine Plausibilitätskontrolle beschränkt ist", kritisiert Mayer den blinden Glauben an die Gerichtsgutachten.

Privatsachverständige haben wenig Rechte

Daher setzt er sich auch mit der verfahrensrechtlichen Position sogenannter Privatsachverständiger auseinander. Eine Verlesung von Privatgutachten ist im Strafprozess grundsätzlich unzulässig. Privatsachverständigen kommt höchstens die Stellung eines Zeugen zu. Sie dürfen keine rechtlich relevanten Schlussfolgerungen ziehen, da dies den vom Gericht bestellten SV vorbehalten ist.

Sie dürfen vor ihrer Vernehmung daher auch nicht im Verhandlungssaal sein. Im Zivilprozess dürfen sie auch keine Fragen - weder an Zeugen noch an den Gerichts-SV - stellen. Eine relevante Kontrolle gerichtlicher Gutachten ist daher meist nicht möglich. Mayer hat die Mängel der derzeitigen Rechtslageaufgezeigt, mit welcher der Gesetzgeber Fehlurteilen Vorschub leistet.

Eine rechtliche "Entfesselung" der Privatgutachter könnte da sicher Abhilfe schaffen. (KNÖ) Lesen Sie bitte dazu auch das "Thema" auf Seite 14!